Soll in unserem Verständnis von Familie alles so bleiben, wie es nie war? Diese für sie rhetorische Frage diskutierten Gender-Forscherinnen vom 11. bis 13. September 2014 an einer Tagung der Schweizerischen Gesellschaft für Geschlechterforschung in Basel. Dabei zementierten sie einmal mehr ihren Ruf, Vertreter einer gesellschaftspolitisch subversiven Minderheitsbewegung und keiner Wissenschaft zu sein.
Von Dominik Lusser
Natürlich würde keine der gegen 100 Teilnehmerinnen der Tagung „Familie – Umstrittene Konzepte, Politiken und Praxen“, unter die sich auch eine Hand voll Männer verloren hatte, der Aussage zustimmen, die Gender Studies seien eine politische Bewegung und darum keine Wissenschaft. Denn für die Gender Studies und ihr radikal konstruktivistisches Weltverständnis fällt ja bekanntlich beides in eins zusammen.
Alles, auch wissenschaftliche Erkenntnis, ist immer nur Abbild bestimmter Machtverhältnisse bzw. von Machtausübung, weswegen letztlich jedes Bezug zur Aussenwelt immer nur praktischer oder politischer Natur sein kann. Diese Verdrängung der Theorie im klassischen Sinne durch die willkürliche Praxis, verbunden mit der Ablehnung wissenschaftlicher Objektivität, haben die Gender Studies so sehr verinnerlicht, dass sie zu einem Dialog mit anderen Disziplinen nicht mehr fähig sind.
Kritikunfähige Kritiker
Ihr einziges Verhältnis zu anderen Wissenschaften ist die Kritik. Sofern eine Disziplin auch nur leise den Verdacht äussert, es könnte in der Welt doch so etwas wie eine widerständige Objektivität geben, vor der weder Wissenschaft noch Politik die Augen verschliessen dürfen, wird sie sogleich als Produkt patriarchal-bürgerlicher Gesellschaftsverhältnisse disqualifiziert. Alle und alles kritisierend schützen sich die Gender Studies jedoch selbst vor jeder Kritik, indem sie jede Überprüfbarkeit von Aussagen an einer objektiven Wirklichkeit bestreiten.
Zwei Beispiele aus dem ebenso bunten wie verrückten (queeren) Programm der Basler Tagung, welche die genderistische Wirklichkeitsblindheit verdeutlichen:
Juristische Konstruktionen
Im Workshop „Realpolitik und Utopie – Juristische Konstruktionen von Familienbildern “, ging es darum, wie queere Utopien – etwa die Möglichkeit für einen Transmann, vor seiner Geschlechtsumwandlung als Mutter eines Kindes und danach als Vater eines weiteren Kindes anerkannt zu werden – in der Rechtssprechung durchgesetzt werden könnten. Denn das geschriebene Recht sei, wie Vanessa Rüegger, Professorin für öffentliches und internationales Recht an der Fernuni Schweiz, ausführte, keine objektiv gegebene Grösse, sondern werde in der Anwendung erst und immer neu geschaffen. Diesen Spielraum gelte es auszunützen. Den aus ihrer Sicht nur scheinbaren Widerspruch zwischen Utopie und wissenschaftlichem Wahrheitsanspruch entkräftete Rüegger erwartungsgemäss mit Verweis auf den radikalen Konstruktivismus, gemäss dem es eben gar keine vorgegebene Realität, sondern immer nur subjektive Konstruktionen geben kann.
Aus demselben Grund ist, wie Rüegger meinte, auch die in der Schweiz aktuell weit verbreitete Redensart von einer Anpassung des Familienrechts an die veränderte gesellschaftliche Realität irreführend und falsch.
Soll alles so bleiben, wie es nie war?
Für die Frage, ob alles so bleiben soll, wie es nie war, kann dies aber nur bedeuten, dass es den Gender Studies nicht darum geht, ein Stück verkannte Realität ins Licht zu heben; vielmehr geht es darum, die Rede von einer Realität, an welcher Recht und Wissenschaft Mass nehmen müsste, als naturalistischen Fehlschluss oder Biologismus zu verleumden.
Ist diese Ideologie erst einmal in den Köpfen festgesetzt, dann ist – so die genderistische Utopie – alles möglich. Die Physiologie des Menschen aber hat dann als Leib, dem als Teil der Person eine spezifische Würde zukommt, ausgedient und fungiert – Genen und Hormonen zum Trotz – lediglich noch als Projektionsfläche queerer Utopien, die politisch durchgesetzt werden sollen.
Familie ohne Biologie
Die lesbische Mutter und ETH-Professorin Patricia Purtschert verglich im Workshop „Kinder im Fokus von Normierungsprozessen“ drei neue Kinderbücher zum Thema Familie. Das deutsche Kinderbuch „Alles Familie“ und das englische „Great big book of families“ stellen zwar alle „Familienformen“ dar, tun dies aber – was Purtschert heftig kritisiert – ausgehend von der natürlichen Familie als Norm, in der Kinder durch den Geschlechtsakt eines heterosexuellen Paares entstehen. Alle anderen Formen wie Patchwork-, Alleinerziehenden- oder Regenbogenfamilien erschienen nur von dieser Form abgeleitet und somit in gewisser Weise als defizitär.
Das schwedische „Familjebok“ sei hingegen vorbildlich, weil es keine normativen Familienbilder enthalte und biologische Abstammungsverhältnisse weitgehend ausblende. Das Buch eröffne sogar eine Perspektive für Transmenschen, insofern alle Personen – inklusive dem stillenden Elternteil – als androgyne Wesen dargestellt seien. Der dezidiert abschätzige Ton, in dem Purtschert über den Sex als Reproduktionsmethode sprach, war nicht zu überhören.
Queere Zwängerei
Sollte angesichts solcher Verwirrungen vielleicht doch nicht besser alles so bleiben, wie es zwar vielleicht nicht immer war, wie es aber zumindest grossmehrheitlich als beste Norm empfunden worden ist und noch immer empfunden wird? Unter dem Vorwand, die Wirklichkeit sei immer nur die jeweils gesellschaftlich konstruierte, lügen die Gender Studies zeugende Frauen und gebärfähige Männer vom Himmel und betrügen Kinder um ihre Herkunft und Identität. Oder ist es etwa – wie die Gender Studies behaupten – nur eine Frage der Gewöhnung, dass wir es als menschlich stimmiger empfinden, wenn ein Kind ohne Zuhilfenahme von Reproduktionstechniken aus dem Liebesakt seiner leiblichen Eltern entstehen darf?
Wie weiter mit den Gender Studies?
Ein Vorschlag: Wie wäre es denn, alle für Gender-Forschung reservierten Unsummen von Geldern so lange auf einem Sperrkonto zurückzubehalten, bis die empirisch fassbare Geburtenrate der LGBT-Community auf 0,1 pro Transmann gestiegen ist; oder den Zeitpunkt abzuwarten, bis fünf Prozent der Zwölfjährigen aus natürlichen Familien in einer repräsentativen Umfrage angeben, dass sie gegen eine Geschlechtsumwandlung ihres Vaters oder ihrer Mutter nichts einzuwenden hätten. In beiden Fällen dürften sich Bund und Kantone schon jetzt über gigantische Zinserträge freuen!
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Bildlegende v. links nach rechts:
Hannes Rudolph (Transgender Network Switzerland, Transmann), Yv Nay (Doktorand in Gender-Studies zum Thema Regenbogenfamilien an der Uni Basel), Franziska Schutzbach (Geschlechterforscherin Uni Basel, lebt in einer Patchwork-Familie), Patricia Purtschert (Moderatorin des Roundtables, Lesbe in einer Regenbogenfamilie, ETH-Professorin), Serena
Dankwa (Sozialanthropologin, alleinerziehende Lesbe), Maria von Känel (Geschäftsführerin Dachverband Regenbogenfamilien, Lesbe in
Regenbogenfamilie).