Kinder, die ihr angeborenes Geschlecht nicht annehmen können, sollen nicht mehr als krank gelten. Die mit dieser Neubewertung einhergehende gesundheits- und gesellschaftspolitische Revolution wird von der UNO und der EU vorangetrieben sowie in der Schweiz von LGBT-Lobbyisten gefordert. Ein kürzlich abgehaltener „Bibliotalk“ der Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich zum Thema „Transkinder“ setzte diese Neubewertung bereits als unhinterfragbar voraus. Doch hält sie wissenschaftlichen Kriterien überhaupt stand? Und was bedeutet sie für die betroffenen Kinder?

Von Dominik Lusser

Es geht um Kinder mit biologisch eindeutigem Geschlecht und eindeutigen Geschlechtsmerkmalen, die subjektiv ein anhaltendes und starkes Gefühl der Nichtzugehörigkeit zu diesem Geschlecht empfinden. Häufig äussern solche Kinder den Wunsch, zum anderen Geschlecht zu gehören. Neuerdings nennt man sie „Transmädchen“ bzw. „Transjungen“, wobei das genannte Geschlecht jeweils das Wunschgeschlecht bezeichnet.

Anstatt solche „Transmädchen“ und „Transjungen“ therapeutisch behutsam an die Wirklichkeit heranzuführen, wie das bisher üblich war, sollen diese Kinder in ihrer subjektiven Vorstellung bestätigt werden, dem biologisch entgegengesetzten Geschlecht anzugehören. Dieser neuen Behandlungsweise, die sich seit wenigen Jahren von Amerika her auch in Europa auszubreiten beginnt, bot die Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich in ihrer Veranstaltungsreihe „Bibliotalk“ am 26. September 2017 ein unkritisches Podium. Unter dem Titel „Transkinder – gehen uns alle etwas an“ wurde die seltsam anmutende Vorstellung von Menschen, die im falschen Körper geboren sein sollen, ohne kritische Gegenstimme propagiert.

70 Zuhörer, darunter einige Eltern sogenannter „Transkinder“, füllten die dicht bestuhlte „Bibliothek zur Gleichstellung“. 70 weitere Interessenten stehen auf einer Wartliste für die zweite Auflage dieses „Bibliotalks“, der im März 2018 als Begleitveranstaltung des „Aktionsmonats gegen Homo- und Transphobie“ durchgeführt werden soll.

Manipulative Sprache

Selbstverständlich geht das grosse Leid sogenannter „Transkinder“ uns alle etwas an. Die Frage ist nur, ob es „Transkinder“ überhaupt gibt. Für die Weltgesundheitsorganisation WHO gab es bisher nur Mädchen und Jungen, die an einer Geschlechtsidentitätsstörung (GIS) leiden. In der gültigen Klassifikation der Krankheitsbilder ICD-10 wird die bei Kindern auftretende GIS als psychische Störung geführt. Doch in der ICD-11, die nächstes Jahr verabschiedet werden soll, wird aus der „Störung“ eine „Inkongruenz“. Jahrelanges starkes Lobbying, u.a. durch das Europaparlament und die Europäische Kommission, führt nun auch bei der WHO zum Abschied vom Realitätsprinzip, wonach ein Denken und Fühlen, das der physischen Realität diametral widerspricht, nicht normal sein kann.

Die streitbare These vom „Transkind“ gründen ihre Verfechter auf dem vermeintlich untrüglichen Empfinden von Kindern, die unter starkem Leidensdruck den Wunsch äussern, dem anderen Geschlecht anzugehören. Jeder Anhänger des neuen Behandlungsprotokolls würde gegen diese Formulierung allerdings vehement protestieren und mich korrigieren: Es gehe nicht um einen Wunsch, sondern darum, dass solche Kinder sich als das annehmen dürften bzw. als das angenommen würden, was sie schon immer gewesen seien – Mädchen oder Junge im falschen Körper. Das Geschlecht von „Transmenschen“ sei „nicht ein Wunsch, sondern eine Tatsache – egal wie jemand aussieht“, heisst es in der Infobroschüre „Trans*“ (Transgender Network Switzerland TGNS, 2016), die den „Bibliotalk“-Teilnehmern zur weiteren Vertiefung abgegeben wurde.

In einem „Trans-Mädchen“ stecke angeblich – wie ein selbst betroffener Erwachsener in die Debatte einbrachte – genauso viel Weiblichkeit wie in jedem „Cis-Mädchen“, wie man gesunde Mädchen in diesen Kreisen zu nennen pflegt. Mit dieser Wortneuschöpfung suggerieren die Anhänger einer Neubewertung des Phänomens „Trans“, es gäbe (mindestens) zwei Arten von Mädchen bzw. Jungen. Das Unbehagen gegenüber dem eigenen biologischen Geschlecht wird zu einer Identität gemacht und die prinzipielle Zweigeschlechtlichkeit der Art Mensch in Frage gestellt. Dazu bedient man sich subtiler Manipulationen der Sprache: Von „Trans*“ spreche man, wie das TGNS schreibt, „wenn das innere Wissen einer Person, welches Geschlecht sie hat (…), nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen übereinstimmt.“ Da wird also tatsächlich behauptet, das Geschlecht werde dem Menschen bei der Geburt von aussen zugeschrieben, wo es doch tatsächlich (abgesehen von schwierigen Fällen von Intersexualität) einfach nur festgestellt wird.

Gefühle statt Tatsachen

So wehrt sich das TGNS gegen die Vorstellung, „Transmenschen“ würden einfach „das andere Geschlecht werden wollen“. Für „Transmenschen“ fühle es sich gerade umgekehrt an: „Sie empfinden sich als genau das, was sie sind. Und sie sind es unabhängig vom Coming-out, Hormonen, Namensänderung oder Operationen. Sie werden nicht erst durch Operationen zur ‘richtigen Frau’ oder zum ‘richtigen Mann’, sondern sie waren schon immer diese Frau, dieser Mann.“ Deswegen solle auch nicht von „Geschlechtsumwandlung“, sondern von „Geschlechtsangleichung“ gesprochen werden.

Dass es sich für „Transmenschen“ so anfühlt, wird niemand in Zweifel ziehen. Doch soll tatsächlich die physische Wirklichkeit geleugnet werden, nur weil es einige wenige Menschen gibt, die aus tiefliegenden Gründen – auf die wir noch zu sprechen kommen – Mühe haben, diese zu akzeptieren? Es geht nicht darum, erwachsene Menschen zu kritisieren, die sich unter grossem Leidensdruck für eine „geschlechtsumwandelnde“ Operation entscheiden. Doch ist es nicht äusserst fraglich, solche Fälle für normal zu erklären, von ihnen her die Realität auf den Kopf zu stellen und Behandlungsprotokolle für betroffene Kinder an dieser fragwürdigen „Normalität“ auszurichten?

Tanja Martinez, Hauptreferentin des Anlasses und Leiterin des Ressorts Kinder und Jugendliche beim TGNS, definiert Geschlechtsidentität ganz allgemein als ein „inneres Bewusstsein“, für welches der Körper keine konstitutive Rolle spielen soll. Unkritisch führt die Heilpädagogin das „transidente“ Bewusstsein, das schon bei 3-4 jährigen Kindern auftreten könne, auf ein – nach ihrer Ansicht – untrügliches Gefühl des Kindes für seine wahre Geschlechtszugehörigkeit zurück: „Je kleiner ein Kind, desto mehr spürt es sich, desto weniger beeinflusst ist es von der Gesellschaft.“ Es kann, wie es in der TGNS-Broschüre heisst, „Kindern schon früh bewusstwerden, dass das innere Empfinden und der Körper nicht übereinstimmen“; diese Geschlechtsidentität könne man Kindern weder ab- noch anerziehen. Das „existentielle innere Bewusstsein“ von „Transkindern“ sei, wie Martinez erklärte, „nicht verhandelbar“.

Stattdessen wird gefordert, dass sich das ganze Umfeld und die Gesellschaft diesen inneren Zuständen unterwerfen. Denn jedes Kind habe, wie Martinez eindringlich betonte, ein Recht, sich als selbstwirksam zu erleben. Für ein „Transkind“ sei dies in unserer zweigeschlechtlichen Welt allerdings schwierig. Anzupassen hat sich darum nach dieser Logik nicht mehr das Trans-„Mädchen“, sondern das Mädchen und dessen Eltern, die Mühe damit haben, wenn ein biologisch klar identifizierbarer Junge die Mädchentoilette besucht. Ein Transkind könne, wie das TGNS schreibt, „erheblich darunter leiden, wenn es nicht sich selbst sein“ dürfe. Unter Trans-Kindern und -Jugendlichen sei nämlich die Suizidrate besonders hoch. Dass dies auch mit intrapsychischen Problemen zu tun haben könnte, übersteigt offenbar den Horizont dieser Ideologie.

Martinez zitierte eindrückliche Beispiele vom Leidensdruck solcher Kinder: Ein sechsjähriges Mädchen habe zu seiner Mutter gesagt: „Ich möchte in deinen Bauch zurück und als Junge auf die Welt kommen.“ Ein Junge sagte: „Ich schneide mir die Geschlechtsteile ab.“ Doch laut Martinez kann es nur darum gehen, solchen Kindern Wirksamkeit zuzusprechen, d.h. sie machen zu lassen. Jedes Kind habe ein Recht darauf…

Hier wird ein extremer Leib-Seele-Dualismus beschworen, der eine kranke Psyche auf Kosten eines gesunden Leibes verabsolutiert und eine integrierte, ganzheitliche Sicht auf den Menschen verhindert. Geschlecht ist nämlich, wie die Kinder- und Jugendärztin Christl Ruth Vonholdt 2016 schrieb, „nicht einfach ein ‚biologisches‘ Geschlecht, das vom ‚sozialen Geschlecht‘ überschrieben werden könnte.“ Vielmehr sei der Mensch vom allerersten Anfang an eine bio-psycho-soziale Einheit, die allerdings tief verletzt werden könne.

Genderbasierte Behandlung

Die Gender-Ideologen behaupten, Zweigeschlechtlichkeit sei sozialer Zwang, was gerade an Menschen deutlich würde, die sich als zwischen oder ausserhalb der Kategorien von Mann und Frau definierten. Der ganze Umgang mit den GIS-Kindern richtet sich zunehmend nach diesen zweifelhaften Prämissen. Symptome werden auf dieser Grundlage interpretiert und entsprechende Behandlungsempfehlungen entworfen, denen auch Schweizer Kinderspitäler folgen: Ab Beginn der Pubertät werden betroffenen Kindern Hormone verabreicht, welche die Pubertät unnatürlich hinauszögern. Anstatt der psychischen Störung wird so faktisch die Pubertät zur Krankheit erklärt, weil die nicht erwünschte Entfaltung der eindeutig angelegten Weiblichkeit oder Männlichkeit bei GIS-Kindern Angst und Panik auslöst. Einige Zeit später – jedoch noch lange vor der Volljährigkeit – folgen dann gegengeschlechtliche Hormone, welche die Jugendlichen irreversibel unfruchtbar machen. Die gegengeschlechtlichen Hormone bereiten den Körper auf eventuelle geschlechts-„angleichende“ chirurgische Eingriffe vor, die ihrerseits in der Schweiz erst nach dem 18. Geburtstag gesetzlich zulässig sind.

Das medizinethische Prinzip, „nicht zu schaden“, scheint hier ausgedient zu haben, oder einer subjektivistischen Uminterpretation aus Sicht des Patienten unterzogen zu werden; sogar dann, wenn der Patient minderjährig ist und kaum vollumfänglich abschätzen kann, worauf er sich einlässt.

Und die Wissenschaft?

Es gibt keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass eine GIS angeboren ist. Stattdessen zeigen Studien, dass bis zu 80 oder gar 95 Prozent der Kinder mit GIS in der späten Adoleszenz ihr biologisches Geschlecht akzeptieren können. Martinez aber antwortete auf die Frage aus dem Publikum, ob es auch möglich sei, dass das Phänomen „Trans“ nur eine Phase sei, dass ihr spontan keine Studien dazu bekannt seien. Auch scheint diese Frage für sie gar nicht relevant, denn sie ist überzeugt: „Auch wenn es tatsächlich nur eine Phase sein sollte, was hat man damit

[mit der neuen Behandlungsweise, Anm. des Verfassers] kaputt gemacht?“. Genau gleich argumentierte am 4. Oktober 2017 auch Dagmar Pauli, stellvertretende ärztliche Direktorin des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes der Universität Zürich, im Interview mit Fernsehen SRF. Hormonelle Pubertätsblockaden seien nichts Definitives, die Behandlung sei umkehrbar, sagte Pauli in diesem Interview, auf das mich die Zürcher Fachstelle für Gleichstellung auf Anfrage für weitere Infos zum „Bibliotalk“ verwies.

Michelle A. Cretella, Präsidentin des „American College of Pediatricians“, widerspricht (im Aufsatz: „Gender Dysphoria in Children and Suppression of Debate“, 2016) der wissenschaftlich nicht fundierten Behauptung, Pubertätsblockaden seien ohne Risiko: Denn diese verhindern nicht nur die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale, sondern verringern auch das Knochenmarkwachstum und die Knochendichte. Auch blockierten sie die von den Geschlechtshormonen abhängige Organisation und Reifung des adoleszenten Gehirns. Und schliesslich gäbe es kaum Langzeitstudien zu den Auswirkungen solcher Hormonblocker.

Demgegenüber stellten, so Cretella, soziale Lerntheorien, die Neurowissenschaften und die einzig existierende Langzeitstudie (2011) mit Jugendlichen, bei denen eine Pubertätshemmung durchgeführt wurde, die Behauptung in Frage, Pubertätsblocker würden nicht schaden: „In der Studie zeigte sich, dass sämtliche der siebzig Jugendlichen, die für die Gabe von Pubertätsblockern als geeignet befunden wurden, eine Transgender-Identität annahmen und die Einnahme gegengeschlechtlicher Hormone wünschten.“ Dies ist für Cretella Anlass zur Sorge, denn: „Einen Jungen mit Geschlechtsdysphorie darin zu bestärken, in sozialer Hinsicht ein Mädchen zu imitieren und dann eine Pubertätshemmung einzuleiten, hat etwas Selbsterfüllendes. Die konstant wiederholte Verkörperung des sozialen Lebens eines Mädchens wird – das ist aus dem gut belegten Phänomen der Neuroplastizität abzuleiten – das Gehirn des Jungen strukturell und funktionell verändern – möglicherweise so, dass eine Identifizierung mit dem eigenen biologischen Geschlecht unwahrscheinlicher wird.“ Dadurch und durch die gleichzeitig stattfindende Pubertätsunterdrückung, die die weitere Maskulinisierung seines Gehirns verhindere, verharre der Betroffene im Zustand eines präpubertären Jungen, der sich als präpubertäres Mädchen ausgebe. Während sich Gleichaltrige in seinem Umfeld zu jungen Männern und Frauen weiterentwickelten, bliebe er psychosozial isoliert zurück: „Er ist immer weniger in der Lage, sich als männlich zu identifizieren, und wird sich eher als ‘nicht-männlich’ identifizieren.“

Ein medizinisches Behandlungsprotokoll mit Nachahmung gegengeschlechtlichen Verhaltens und Pubertätsunterdrückung, das einzig auf das Ziel der Identifizierung als „Transgender“ hinausläuft, (was die lebenslange Verabreichung von Geschlechtshormonen erfordert und zur Unfruchtbarkeit führt), ist darum nach Cretellas Einschätzung weder vollständig reversibel noch unschädlich. Vielmehr finde hier ein „Massenexperiment an Minderjährigen“ statt. Doch diese geballte Ladung fundierter Einwände gegen den neuen Behandlungsansatz wurde beim „Bibliotalk“ nicht einmal erwähnt.

Scheinwirklichkeit

Vieles spricht also dafür, dass Kinder durch das genderideologische Behandlungsprotokoll nur in ihrer krankheitsbedingten Wirklichkeitsflucht bestätigt werden. In der TGNS-Broschüre ist im Kapitel „Erste Schritte zum eigenen Ich“ das Beispiel eines 27-jährigen Trans-„Mannes“ geschildert: Ivan trägt einen sogenannten Binder, ein Oberteil, das unter den Kleidern getragen wird, damit die Brust flach(er) aussieht. Dass er mit seinem neuen Style und dem Binder meistens als Typ angesprochen wird, findet er „einfach geil“. Während der Weg zum eigenen Ich normalerweise über die Selbstannahme führt, werden „Transmenschen“ darin bestärkt, Illusionen nachzujagen.

Der Körper eines „Transmenschen“ wird, wie es beim TGNS dann doch heisst, „nie ganz der gleiche sein wie der von einem Cis-Menschen. Zum Beispiel erinnern Narben oder Hormoneinnahme daran, dass man trans* ist.“ Auch bei der Sexualität gäbe es „bei vielen Transmenschen Momente, in denen sie darunter leiden, dass sie nicht alles so machen können, wie sie es sich wünschen.“ Von der Unfruchtbarkeit war bereits die Rede.

Und trotzdem bestätigt man betroffene Jungen in ihrer Wahnvorstellung, sie könnten echte Mädchen sein, und umgekehrt. So z.B. den 14.-jährigen Sebastian (Name der Redaktion bekannt, im Nachfolgenden Heidi genannt), der mit sieben Jahren seiner Mutter einen Brief schrieb und ihr mitteilte, ein Mädchen sein zu wollen. Heidi und ihre Mutter waren neben Martinez Gäste im Bibliotalk. Angekündigt wurden sie wie folgt: Esther K. (Name der Redaktion bekannt) ist „Mutter eines 14-jährigen Mädchens, das schon als Kleinkind mitteilte, dass sie ein Mädchen und kein Junge ist.“

Meinungskartelle

Die Mutter, die anfangs glaubte, dass dies nur eine Phase sei, ist heute eine vehemente Verfechterin der Trans-„Identität“. Die Tochter bestätigt sie: „Ich lasse meinen Gefühlen jetzt freien Lauf.“ Bestätigung kam auch von Myshelle Baeriswyl, „die“ seit ein paar Jahren als „Frau“ lebt und die St. Galler Fachstelle für Aids- und Sexualfragen leitet: „Ich lass meinen Gefühlen freien Lauf, jetzt bin ich ich, vorher habe ich etwas inszeniert, was ich nicht bin“, dies sei genau richtig formuliert. Dieses binäre Denken, man sei zunächst dieses, und dann jenes, müsse ein Ende haben. Baeriswyl hat zusammen mit sechs weiteren genderideologisch positionierten Psychologen und Psychiatern (z.B. David Garcia) „Beratungs- und Behandlungsempfehlungen bei TransPersonen“ verfasst, die 2014 im „Swiss Medical Forum“ veröffentlicht wurden. Auch diese Richtlinien, auf die mich die Zürcher Fachstelle für Gleichstellung aufmerksam machte, atmen erwartungsgemäss denselben Geist: „Als psychologisch-biographisches Phänomen ist jede Geschlechtsidentitätsvariante im subjektiven Erleben verankert. Weder kann deren Entwicklung angehalten noch deren Positionierung innerhalb des Geschlechtsidentitäts-Kontinuums beeinflusst werden.“ Das Erleben der „TransPersonen“ und die Gründe für die Notwendigkeit der individuell zu gestaltenden Transition seien in den Vordergrund zu rücken und pathologisierende Geschlechtsidentitätskonzepte zu verlassen. Dies, obwohl „TransPersonen“ (…) zeitlebens auf medizinische (…) Nachsorge angewiesen“ seien.

Der Kreis schliesst sich und bestätigt den Eindruck, dass der „Bibliotalk“ als ein Monolog unter Gleichgesinnten gesehen werden muss. Während diese Kreise Dagmar Pauli auf ihrer Seite wissen, war auch von Abweichlern unter den Kinder- und Jugendpsychiatern die Rede, bei denen „noch viel zu tun“ sei.

Tieferliegende Ursachen

„Als Bube war ich grusig, jetzt finde ich mich schön“, sagte Heidi dem Publikum. Bei jedem anderen Anzeichen von mangelnder Selbstannahme würden Experten eine Störung vermuten und eine Psychotherapie verordnen. Doch ein neuer, gefährlicher Trend geht dahin, die psychische Gesundheit zu einer ausschliesslichen Frage der psychischen Belastung zu erklären. Diesen Trend sieht Cretella sehr kritisch: Ein Mädchen mit Magersucht ist hartnäckig überzeugt, zu dick zu sein. Ein Mensch mit einer Körperintegritäts-Identitätsstörung (BIID) sei von dem Gedanken beherrscht, eigentlich behindert, jedoch in einem voll funktionsfähigen Körper gefangen zu sein. Personen mit BIID erlebten sich, so Cretella, häufig durch ihren funktionsfähigen Körper psychisch stark belastet und forderten eine chirurgische Amputation ihrer gesunden Gliedmassen. Parallelen zu Geschlechtsidentitätsstörungen, die oft das Verlangen „geschlechtsumwandelnder“ Operationen an einem gesunden Körper (d.h. eine Verstümmelung) nach sich ziehen, sind nicht von der Hand zu weisen. Zwar mögen laut Cretella chirurgische Eingriffe zur „Bestätigung“ der falschen Annahme (Fettabsaugen bei Magersucht, aber auch „geschlechtsumwandelnde“ Operationen) die seelische Belastung des Patienten mindern, „lösen aber nicht das zugrundeliegende psychische Problem.“

Dass bei Heidi die Schulnoten gestiegen sind, nachdem ihr Umfeld den Jugendlichen endlich als Trans-„Mädchen“ akzeptierte, klingt plausibel. Diesen Anstieg jedoch als Beweis für eine Trans-„Identität“ zu interpretieren, ist eine ganz andere Sache. Walt Heyer, der sich mit 42 Jahren zur „Frau“ „umoperieren“ liess, und inzwischen wieder als Mann lebt, schrieb 2016: „Vor 33 Jahren hatte ich meine ‘geschlechtsumwandelnden’ Operationen. Doch bald spürte ich, dass dadurch nur eine vorübergehende Entlastung erreicht war, nicht aber die Lösung meiner zugrundeliegenden, psychischen Störungen.“ Heyer wird durch eine Schwedische Langzeitstudie (2011)  bestätigt, die zum Schluss kam: „Die Selbstmordrate bei den ‘umoperierten’ transsexuell lebenden Personen war fast zwanzigmal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Etwa ab dem zehnten Jahr nach den Operationen stieg die Suizidrate rasant an.“

Filmprojekt auf Eis gelegt

Die Veranstaltung „Bibliotalk“ zeigte als Filmpremiere einen 10-minütigen Ausschnitt aus einem erschütternden DOK-Film über die Familie von Heidi: „Wenn ich den Stimmbruch bekomme, möchte ich sterben“, habe Heidi ihr gesagt. Es habe gar keinen Sinn gehabt, „ihr etwas anderes einzureden“, berichtet die Mutter. Für den Vater war es sehr schwierig zu akzeptieren, dass sein Junge plötzlich ein Mädchen sein sollte. Er wünscht sich, dass sich sein Kind dazu entscheiden würde, wieder ein Junge zu sein, und sich zu einem gesunden jungen Mann entwickelt. Später im Film sagt er: „Irgendwie weiss ich ja, dass sie mal ein Bub war. Ja aber ich akzeptiere sie jetzt als Mädchen.“

Es brauche eben Zeit für die Eltern, den „Gedanken oder das Bild loszulassen“, das man vom eigenen Kind habe, sagte Dagmar Pauli im bereits zitierten Interview mit SRF: „Man denkt, das ist ein Mädchen – und dann ist es vielleicht ein Junge, oder umgekehrt.“ Dies sei kein einfacher Prozess. Damit erklärt auch Pauli, auf deren Autorität sich die Anhänger der neuen Behandlungsweise in der Schweiz immer wieder berufen, die Realität zu einem trügerischen Bild und ein dazu im Widerspruch stehendes subjektives Empfinden zum Mass aller Dinge.

Doch zurück zum DOK-Film: Auch die Geschwister und die Grosseltern von Heidi hatten Mühe beim Switchen von „er“ zu „sie“ oder zum neuen Mädchennamen. Die Grosseltern finden nach wie vor, Heidi solle doch Jungenkleider tragen. Da fragt sich schon, ob Heidi und ihre Familie tatsächlich ausreichend beraten worden sind, um zu wissen, auf was sie sich mit grosser Mühe einzustellen versuchen: ob auf die scheinbar alternativlose Tatsache, dass Heidi wider Anschein ein Mädchen ist, oder vielleicht doch nur auf eine Ideologie, welche die Probleme von Heidi nicht lösen kann?

Heidi nimmt auch Hormonblocker ein. Damit bleibe mehr Zeit für den Entscheid, wird gesagt. Denn Heidi beschäftigt sich – obwohl erst 14 – bereits mit „geschlechtsumwandelnden“ Operationen. Trotzdem hat das Schweizer Fernsehen das DOK-Filmprojekt vorübergehend auf Eis gelegt. Es sei dem SRF zu riskant, sagten die im Saal anwesenden Filmemacher Daniel Stadelmann und Otmar Schmid. Heidi habe sich in ihrer Klasse noch nicht geoutet und es sei fraglich, ob das Mädchen stabil genug sei.

Offenbar gibt es doch mehr Zweifler am Dogma der unhinterfragbaren „Transidentität“, als es sie der Theorie nach geben dürfte.