Das Frauen*Bündnis Zürich macht mit einer Demo zum Internationalen #Frauenkampftag vom 8. März 2017 gegen die „biokapitalistische Reproduktionsindustrie“ mobil: Frauen sollen ihre Körper dem Kapital entziehen. Doch die kommunistischen Rezepte sind voller Widersprüche.
Von Dominik Lusser
„Befruchtung, Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft werden in taylorisierten arbeitsteiligen Prozessen immer weiter zerlegt – eine neue Stufe von Verdinglichung und Entfremdung schreitet voran,“ schreibt das Frauenbündnis. Der Wunsch von kinderlosen Paaren auf ein eigenes und ein gesundes Kind treffe nun auf die technischen Möglichkeiten und die Profitinteressen des Kapitals, ein solches produzieren zu lassen. Kommerzielle Medizin- und Reproduktionsunternehmen seien treibende Kraft, dass soziale und biologische Prozesse in kapitalistische Märkte einbezogen werden könnten.
Man muss kein Kommunist sein, um solche Bedenken zu teilen. Doch das Rezept, mit dem die Genossinnen ihre „Körper dem Kapital entziehen“ wollen, erstaunt schon sehr. Sie sehen die Lösung in der Kollektivierung der Reproduktionsarbeit, wie es auf einem Plakat für die Demo zum Frauenkampftag heisst. Das erinnert zunächst an Alexandra Kollontai, die vor 100 Jahren an der Seite Lenins die neue kommunistische Gesellschaft in der Sowjetunion mitzuprägen begann. Kollontai schwebte anstelle der Ehe das neue Ideal der „erotischen Kameradschaft“ vor: Die „neue Frau“ könne die Rolle der Mutter auch im Rahmen neuer Beziehungsformen übernehmen, da sie der Staat durch Institutionen wie Kinderkrippen oder Mütterheime dabei voll unterstützen würden. Die Männer hingegen sollten in einen staatlichen Alimentefond einzahlen, um ledige Mütter zu unterstützen. So sahen kommunistische Ideen für eine kollektivierte Reproduktion und Aufzucht in Zeiten aus, in denen es noch keine künstliche Befruchtung gab.
Reproduktionsarbeit?
Wer Sexualität und Fortpflanzung aus ihrem Kontext von dauerhafter Beziehung und Liebe herauslöst, fördert Verdinglichung und Entfremdung, und zwar unabhängig davon, ob die Reproduktionsindustrie damit das grosse Geschäft macht oder nicht. Menschliche Reproduktion ist nicht einfach Arbeit. Sie bildet die Grundlage des Generationengefüges, das jedem Menschen emotionalen und sozialen Halt gibt. Durch die Inanspruchnahme moderner Reproduktionstechnik ebenso wie durch die Kollektivierung der Reproduktions-„Arbeit“ werden menschliche Sexualität und Fortpflanzung aus ihrem natürlichen Kontext herausgerissen. Sind Sexualität und Zeugung nicht Ausdruck einer verbindlichen Lebensgemeinschaft sowie von Wertschätzung und Liebe, wird der Partner instrumentalisiert. Natürlich kommt das auch in einer Ehe vor. Aber in kommunistischen Reproduktionsprogrammen wird dieser Missbrauch zum Prinzip erhoben. Analoges gilt, wo durch die Nutzung moderner Techniken Fortpflanzung und Sexualität ganz voneinander getrennt werden. Auch eine Leihmutter oder eine Eispenderin wird instrumentalisiert.
Das gleiche gilt für das Kind: Wer eine Aufspaltung der Ganzheit von Zeugung, Schwangerschaft, Geburt und Kindheit bejaht, nimmt eine schwere Beeinträchtigung der Eltern-Kind-Beziehung in Kauf. Das natürliche Herkunftsnarrativ des Menschen wird durchbrochen. Mit gravierenden Folgen. Die Bedürfnisse des Kindes in der Eltern-Kind-Triade werden strukturell verleugnet, wie der Generationenforscher Gerhard Amendt festhält. Das Kind ist dann lediglich Objekt des Paares, oder des kommunistischen Staates, nicht aber Teil einer Beziehung. Eine Studie des „Institute for American Values“ über junge Erwachsene, die ihre Existenz einer Samenspende verdanken, zeigt die schwerwiegenden Folgen, die daraus resultieren können. So fühlen sich durch Samenspende entstandene Kinder häufiger von ihren Familien isoliert. Sie sind häufiger depressiv, straffällig und drogenabhängig. Zwei Drittel von ihnen stimmen der Aussage zu, wonach der Samenspender die Hälfte der eigenen Identität ausmacht. Und fast die Hälfte empfindet es als Problem, dass Geld bei ihrer Entstehung im Spiel war.
Letzteres bestätigt die kommunistische Kritik an der Reproduktionsindustrie. Doch darf nicht übersehen werden, dass auch die gewinnunabhängige Kollektivierung der Reproduktion zur Instrumentalisierung, Verdinglichung und Entfremdung von sich selbst und unter den Menschen führt. Das Kollektiv, das die Kommunistinnen als Ersatz für die Familie vorschlagen, zielt auf „eine Welt fern der binären Geschlechternormen, in der Menschen kollektiv aufwachsen, in der Bluts- oder Genbande keine Rolle spielen und jenen Kindern Fürsorge gegeben wird, die auf der Welt sind und diese benötigen.“ Das klingt zwar sehr solidarisch und schön. Doch wie sollte ausgerechnet in einem anonymen, zweckrational organisierten Kollektiv echte Menschlichkeit möglich sein, wo doch nach Auffassung der Kommunisten sogar in der Familie nur Ausbeuterei herrscht? Das Problem der kommunistischen Utopie liegt darin, dass sie die Natur und somit grundlegende Bedürfnisse des Menschen mit Füssen tritt. So arbeiten Opfer der kollektivierten Kinderbetreuung aus DDR-Zeiten noch heute ihre psychischen Beeinträchtigungen auf.
Entfremdung als Prinzip
Ein weiterer Widerspruch zu ihrer Kritik am Biokapitalismus ist das Eintreten der Genossinnen für die Elternrechte von homosexuell lebenden Menschen. Denn für die Homo-„Elternschaft“ gilt generell das, was für heterosexuelle Paare gilt, die fortpflanzungsmedizinische Verfahren wie Ei- und Samenspende oder eine Leihmutterschaft in Anspruch nehmen: Eine Drittperson wird bei der Entstehung des Kindes instrumentalisiert. Und zudem wird die Trennung des Kindes von mindestens einem biologischen Elternteil zum Prinzip erhoben. Der Publizist Andreas Lombard spricht darum von der homosexuellen „Reproduktion“ als einer Fiktion, die dem reproduktionstechnischen Markt als Türöffner diene.
Wie ist das widersprüchliche Verhältnis der Genossinnen zu dieser Entwicklung zu verstehen? Erinnern wir uns: Bereits Lenin praktizierte einen flexiblen Umgang mit den Kapitalisten, die er als nützliche Idioten bezeichnete. Jedenfalls geben Frauenbündnis und revolutionärer Aufbau offen zu, nicht so sehr gegen die Anwendung neuer technischen Möglichkeiten an sich, sondern gegen die damit verbundene „Kommerzialisierung unseres Lebens“ ins Feld zu ziehen. Theoretisch könnten einige dieser technischen Entwicklungen positiv, d.h. im Sinn einer Aufhebung der Tyrannei des biologischen Determinismus genutzt werden. Was den Genossinnen möglicherweise vorschwebt, ist ein staatlich organisierter Zugang zu all den Verfahren, die aus einer ganzheitlich menschlichen Perspektive als problematisch erscheinen.
Kommunistinnen stören sich also vor allem daran, dass das „sogenannte ‘Recht auf ein eigenes, gesundes Kind’ (…) an die bürgerliche Ideologie der isolierten Kleinfamilie (…), an traditionelle Werte mit der altbekannten geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung sowie dem Graben zwischen Süd und Nord
Mutter oder Arbeiterin?
Die Entfremdungen des Menschen von sich selbst und der Menschen untereinander, die durch die Zerstörung der natürlichen Familienbande entstehen, vermag eine wie auch immer geartete Kollektivierung der „Reproduktionsarbeit“ gerade nicht zu überwinden. Die ganze Tragik des kommunistischen Feminismus ist in ebendiesem fatalen Begriff zusammengefasst. Fortpflanzung ist nicht einfach eine Arbeit. Mutterschaft ist eine Berufung, genauso wie Vaterschaft. Im Muttersein liegt ein wesentlicher Aspekt des Wesens der Frau, wenn sie sich auch nicht darauf reduzieren lässt. Denn das Muttersein ist die spezifische Art und Weise, wie die Frau an der menschlichen Gemeinschaft teilnimmt, deren Kernzelle die Familie ist. Das ist keine religiöse Überhöhung sozialer Rollenzuweisungen, sondern eine unhintergehbare Vorgabe der Natur für jede gelingende menschliche Gesellschaft.
In einer liberalen Gesellschaft und Wirtschaftsordnung bildet die Familie, die der Logik der uninteressierten Solidarität und Nächstenliebe folgt, einen existentiell notwendigen Gegenpol zur zweckrationalen Logik des Marktes. Darum ist es das grösste Paradox des Marxismus, dass er sich seit Beginn die Zerstörung der Familie auf die Fahnen geschrieben hat. Wer die Familie zerstört, nimmt dem Menschen den Zufluchtsort, wo er – mit der grössten Wahrscheinlichkeit jedenfalls – nicht vollständig der Verzwecklichung unterworfen ist und ganz sich selbst sein kann. In einer kommunistischen Gesellschaft hingegen entgeht nichts und niemand der eisernen Regel der Optimierung des sozialen Nutzens.
Der marxistische Feminismus kann die Frau nicht wirklich befreien, weil er verkennt, wer die Frau, wer der Mensch eigentlich ist. „Man könnte den Kommunisten höchstens vorwerfen, dass sie an Stelle einer heuchlerisch versteckten eine offizielle, offenherzige Weibergemeinschaft (Prostitution, Anm. des Verfassers) einführen wollten.“ Worauf, wenn nicht auf diesen Satz von Karl Marx, stützt sich der Ruf des Frauenbündnis Zürich nach der Kollektivierung der Reproduktion? Der Kommunismus hat also Frauen genauso wie Männern nichts anderes zu bieten, als sie der unpersönlichen Verwertung für das Kollektiv auszuliefern. Denn die Kommunisten beendet nicht die Unterdrückung, die sie den Kapitalisten vorwerfen. Verändert wird nur deren Charakter, indem die Unterdrückung dem Einfluss privater Kapitalisten entrissen und dem Staat übertragen wird. Dadurch aber wird die Ausbeutung nur totaler. In einer freien Gesellschaft kann die Frau ihren Körper dem Kapital in aller Regel gut entziehen. Denn armutsbedingte Prostitution (ohne Zweifel ein menschenverachtendes Übel!) ist ja keine Systemnotwendigkeit. Der totalitäre Arbeitsstaat hingegen, der sich sogar für die Reproduktion zuständig erklärt, nimmt sich alles.