Charlie Gard ist zehn Monate alt und todkrank. Das Kind leidet an einem unheilbaren Gendefekt. Charlie lebt, weil ihn Maschinen künstlich am Leben halten. Die Ärzte des Londoner Krankenhauses in dem sich der Junge befindet, wollen die Beatmung des Jungen abstellen und ihn qualvoll sterben lassen – sie argumentieren, sein Kampf sei aussichtslos und seine Krankheit zu schwer.
In einem letzten Appell haben die Eltern, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen – und verloren. Der Gerichtshof hat Ende Juni entschieden, dass die Klinik die lebenserhaltenden Massnahmen für Charlie beenden darf – gegen den Willen der Eltern. Dass Richter und Ärzte darüber entscheiden, welches Leben lebenswert ist, und welches nicht, wirft viele Fragen auf.
Der Medizinethiker Giovanni Maio erklärte gegenüber dem „Stern“: „Für eine genaue Interpretation des Urteils wäre es wichtig zu wissen, ob das Baby durch die Erkrankung ins tiefe Koma gefallen ist oder ob es an der Umwelt teilhaben kann. Wenn Letzteres zutrifft, dann ist das Urteil eher befremdlich, denn allein der Verweis darauf, dass es keine Heilungschance gibt, ist per se kein zwingender Grund, alle Behandlungen abzubrechen, und schon gar nicht gegen den Willen der Eltern. Wenn das Kind im tiefen Koma läge und das unabwendbar wäre, dann wäre es sicher nicht im Interesse des Kindes, dass der eingetretene Sterbeprozess künstlich aufgehalten werde. Es kommt also alles ganz auf den Zustand des Kindes an.“ Dass sich Charlie im Zustand des tiefen Kommas befindet, dafür gibt es zumindest in der medialen Berichterstattung über den Fall aber keinerlei Hinweise.
Mittlerweile haben die Eltern von Charlie 1,4 Millionen Pfund gesammelt, um die Behandlung des Jungen auf eigene Kosten in den USA fortsetzen zu können. Aber das Krankenhaus weigert sich, den Jungen an die Eltern bzw. in die Obhut eines anderen Krankenhauses im Ausland zu übergeben. Connie und Chris Gard, die Eltern von Charlie, klammern sich an die Hoffnung, dass eine neue, experimentelle Therapie in den USA die Krankheit des Jungen lindern und ihm vielleicht einige Monate Lebenszeit schenken könnte.
Maio kann das Verhalten der Eltern nachvollziehen: „Selbst wenn die Chance auf Besserung noch so gering sein mag, kann ich verstehen, dass die Eltern ihrem Kind diese Möglichkeit zu Gute kommen lassen wollten. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind dadurch geheilt wird, mag nahezu Null sein. Aber die Möglichkeit, dass das Kind dadurch vielleicht länger hätte leben können, ist zumindest nicht Null.“
Die Zeit wird knapp, denn die Ärzte der Londoner Klinik haben Charlies Eltern nur noch wenige Tage Lebenszeit für Charlie zugestanden…