Jede Familie kennt sie, diese Situationen, wo hilflose Wut eskaliert und Eltern oder Kinder den Ausstieg aus der Wutspirale nicht mehr finden.
Von Regula Lehmann
Oft sind Kleinigkeiten der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Was hilft uns als Eltern, Ruhe zu bewahren und auch unseren Kindern zu helfen, die nächste Ausfahrt aus dem Macht-Kreisel zu nehmen?
Alles beginnt damit, dass wir uns eingestehen, dass „es“ nicht einfach „passiert“. Der Machtkreisel hat verschiedene Einfahrten, in die wir einbiegen können, aber nicht müssen. Eine dieser Einfahrten heisst „Ohnmachtsgefühle“. Wir merken, dass uns Situationen entgleiten, dass wir die Kontrolle verlieren, und reagieren darauf mit noch mehr Druck. Oder mit „Scham“: Wir schämen uns, weil wir uns vor anderen gerne als gute Eltern zeigen möchten. Wir genügen unseren eigenen Ansprüchen nicht. Wir empfinden uns als Versager, wenn es uns nicht gelingt, unsere Kinder zu kontrollieren oder jede Situation souverän im Griff zu haben. Wie wir auf diese unangenehmen Gefühle reagieren, ist matchentscheidend.
Wir dürfen lernen, Ohnmachtsgefühle auszuhalten und irrige Vorstellungen loszulassen. Wir haben nicht die Macht über die Herzen unserer Kinder. Wir können und sollen sie zum Guten anhalten, aber es ist unendlich entlastend, zu akzeptieren, dass wir nicht alles „machen“ können. Und schon gar nicht „sofort“. Wir können Kindern zwar befehlen, sich zu entschuldigen, aber wir können nicht „machen“ dass unser Kind Reue empfindet.
Wo wir aufhören, andere zu verurteilen, wenn ihre Kinder nicht auf Knopfdruck gehorchen, werden wir auch barmherziger mit uns selber. Wir müssen als Eltern nicht die perfekte Show liefern. Wir dürfen Menschen sein. Menschen mit Fehlern und Schwächen. Mütter und Väter, die dazulernen und sich entwickeln. Stärke statt Macht – der Machtkreisel hat Ein- und Ausfahrten. Es „passiert nicht einfach“ – wir haben die Wahl!