Die Glaubwürdigkeit der Forschung hat in den vergangenen Jahren gelitten. Aus diesem Grund haben Jungwissenschaftler im Januar 2018 beim Weltwirtschaftsforum in Davos einen neuen Ethik-Kodex vorgestellt. Ethische Standards sollen einen positiven Kulturwandel in der Forschungswelt fördern. Das Wiener Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik IMABE hat in seinem Newsletter vom März 2018 den neuen Kodex gewürdigt, aber auch auf Grenzen seiner Wirksamkeit hingewiesen.
Der Druck auf Wissenschaftler, so früh und so viel wie möglich in hochrangigen Fachzeitschriften zu veröffentlichen, gefährdet laut IMABE die wissenschaftliche Integrität. Dieses Problem habe nun eine vom Weltwirtschaftsforum einberufene internationale Wissenschaftlergruppe aufgegriffen und die Umsetzung von sieben ethischen Grundsätzen gefordert. Zusammengefasst sind diese Regeln in einem „Code of Ethics for Researchers“: Dazu zählen Aufforderungen wie „Nach der Wahrheit suchen“, „Schaden minimieren“ oder „Rechenschaft ablegen“. Laut IMABE fordert der Kodex Forscher beispielsweise auf zu überlegen, ob sie tatsächlich die Wahrheit suchen, indem sie „der Forschung folgen, wohin sie führt“, anstatt bloss eine „bereits vorgefasste Meinung zu bestätigen“.
„Ethikkodices bringen eine gewisse Orientierung, aber die Erfahrung zeigt: Einen Kulturwandel schaffen sie nicht von alleine“, merkt IMABE-Generalsekretär Enrique Prat an. Um ethische Kompetenzen zu erlangen, würden vor allem persönliche Werthaltungen und Charakterstärke eine entscheidende Rolle spielen. „Und diese sollten bereits in der Ausbildung gefördert werden“, so der Ethiker.
Hinsichtlich der Umsetzung des „Code of Ethics for Researchers“ zeigt sich laut IMABE auch die Bioethikerin Jodi Halpern von der University of California in Berkeley skeptisch: „Was uns fehlt, ist eine grundlegende philosophische Bildung“, betonte sie anlässlich der Präsentation des Ethikkodexes am 48. Weltwirtschaftsforum in Davos: Halpern fordert eine anspruchsvolle Ausbildung in ethischer Argumentation, die ebenso rigoros sein müsse wie jene in der Argumentation anderer Wissenschaften. Nur dann sei man ausgerüstet, mit bestimmten ethischen Dilemmata umzugehen.
IMABE wurde 1988 als unabhängiges wissenschaftliches Institut gegründet. Es versteht sich als „Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik zur Förderung des Dialogs von Medizin und Ethik auf Grundlage des christlichen Menschenbildes“.