Minderheiten sollen auch sprachlich berücksichtigt werden, Geschlechtergerechtigkeit soll in jedem Wort zum Ausdruck kommen. So konsequent, bis man nichts mehr versteht.
Von Giuseppe Gracia
Der Verein Deutsche Sprache warnte kürzlich vor der politisch korrekten Genderisierung unserer Sprache in Schulen, politischen Debatten und Medien. Es war die Rede von einem „zerstörerischen Eingriff“, von der „Sprache als Schlachtfeld“. Zehntausende Unterschriften für Petitionen gegen die Gender-Sprache wurden gesammelt. Auch in der Schweiz stellen sich vermehrt Intellektuelle und Politiker gegen den „Gender-Unfug“.
Diese Ignoranten haben leider nicht verstanden, dass wir alle Minderheiten sprachlich miteinbeziehen müssen, koste es, was es wolle. Dass wir in Zukunft nicht mehr bloss von sozial gestörten, wohlstandsverblödeten oder degenerierten Professoren und Bürgern sprechen sollten, sondern immer auch von entsprechenden Professor_innen (mit Unterstrich) und Bürger*innen (Gender-Sternchen für alle 60 Geschlechter auf Facebook).
Jeden, jede, jedes miteinbeziehen
Nur so zeigen wir allen Mitgliedern unserer Gesellschaft, dass wir die Schönheit der Sprache oder einen einigermassen akzeptablen Lesefluss zwar schätzen, aber keinesfalls höher gewichten als die Geschlechtergerechtigkeit. Frauen, Transgender, Bisexuelle und überhaupt alle sexuell Unklaren, Wechselhaft-Unscharfen haben das Recht, künftig nicht nur als Chefredaktor*innen oder Astronaut*innen sprachlich miteinbezogen zu werden, sondern zum Beispiel auch als lesbische Klimaleugner*in oder Serienkiller*in.
Ich freue mich schon, wenn die bekanntlich sehr mutigen und kritischen Medien, Hochschulen und Politiker unsere Verbrecher-Statistik nicht länger nur dem männlich-weissen Hetero-Abschaum überlassen, sondern endlich gleichberechtigt auch die bildungsferne Rechtspopulist*in und Rassist*in miteinbeziehen. Nicht vergessen dürfen wir auch die genderqueere Vergewaltiger*in, die intersektionale Demokratiefeind*in und die transfeminine Selbstmordattentäter*in.
Transsexuelle Diktatoren
Sie alle gehören zu unserer Gesellschaft, genau wie die transsexuellen Diktatoren und die nicht-binären Faschisten. Wer sich gegen diese längst fällige Bereicherung unseres Redens und Denkens stellt, dürfte in Zukunft ziemlich queer in der Textlandschaft stehen.
Zuerst erschienen am 18. März 2019 im „Blick“.