Papst Franziskus tat bei seinem Besuch in Marokko einen weiteren symbolischen Schritt der katholischen Weltkirche in Richtung islamische Welt: Mit der Anerkennung des Internationalen Status von Jerusalem und einem Missionsverzicht.
Sein „Thinktank‟ ist das „Päpstliche Institut für Arabische und Islamische Studien‟ (PISAI) in Rom und die zentrale Lenkungsbehörde bildet der „Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog‟. Lang stand die katholische Kirche damit in Widerspruch zu einer anti-islamischen, israelfreundlichen Weltmeinung. Als Kardinal Paolo Marella 1973 eine Erklärung für Muslim-Mitbestimmung in Jerusalem und dem ganzen auch für sie „Heiligen Land‟ Palästina unterzeichnete, gab es einen Skandal. Er musste als vatikanischer Gesprächspartner mit den Nicht-Christen zurücktreten.
Keine Hauptstadt nur für Israel
Heute hingegen fand Papst Franziskus – zumindest von christlicher Seite – nur Beifall, als er mit dem marokkanischen König Mohammed VI. einen gemeinsamen Appell für die Erhaltung Jerusalems als Symbol einer friedlichen Koexistenz zwischen den drei monotheistischen Religionen unterzeichnete. Demnach müsse der internationale Status von Jerusalem erhalten bleiben. Es dürfe nicht nur als „ewige Hauptstadt Israels ‟gesehen werden. Diese Sicht hat unlängst die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem unterstrichen.
Übereinstimmung mit dem ÖRK
Mit diesem Widerspruch dagegen steht der Papst nicht allein. Er befindet sich in bester Gesellschaft mit dem Genfer Weltkirchenrat (ÖRK). Dessen Generalsekretär Olav Fykse Tveit hat schon am 18. Januar 2018 in Kairo dasselbe wie jetzt Franziskus gefordert: „Die Zukunft Jerusalems muss eine gemeinsame sein. Die Stadt kann nicht exklusiv nur einer Religion gehören, nicht die Stadt nur eines Volkes sein. Jerusalem ist eine Stadt mit drei Religionen und zwei Völkern und muss dies auch bleiben.‟
Diakonie ja, Verkündigung nein
Nicht viel anders sieht es dem heutigen Zeitgeist entsprechend mit der in Marokkos Hauptstadt Rabat vom Papst verkündeten Ablehnung der „aktiven Abwerbung Andersgläubiger‟ aus. Er sprach sich gegen jede direkte Gewinnung von Muslimen für Jesus aus. Christliches Beispiel allein sollte ihre Umgebung erleuchten. Das ist genau das, was das islamische Religionsgesetz den unter seiner Herrschaft lebenden Christen auferlegt: Im Stillen, wenn nicht gar Verborgenen ihr religiöses Leben zu führen und der islamischen Gesellschaft mit ihren Schulen und Liebeswerken zu dienen.
Todesstrafe für Konvertiten
Die Bekehrung von Anhängern des Islams steht jedoch unter Todesstrafe. Ein solcher „Missionsverzicht‟, wie ihn jetzt sogar Papst Franziskus unterstützt, wird heute auch in evangelischen Kirchen diskutiert. Eine Publikation der EKD zur Infragestellung der christlichen Verkündigung (Missionsverzicht? EZW 2017) findet schon in zweiter Auflage starke Nachfrage.
Es ist nicht das erste Mal, dass islamische Konzepte des gegenseitigen Verhaltens der Weltreligionen auch westliches Denken beeinflussen. Das war schon in der Aufklärung so, als die vom Islam, Christen und Juden gewährte bescheidene Kultfreiheit zum Ideal der „Toleranz‟ hochstilisiert wurde. Und heute droht mit dem „Missionsverzicht ‟eine Annahme des muslimischen Missionsverbots für Andersgläubige als freiwilliges Angebot eines vorauseilenden Gehorsams …
Weltallianz auf Gegenkurs
Für die Evangelische Weltallianz verpflichtet das Priestertum aller Gläubigen zur Verkündigung des Evangeliums. Die für alle gläubigen Menschen geforderte Religionsfreiheit muss auch das Recht auf Verkündigung und – gewaltlose – Ausbreitung der eigenen Religion beinhalten.
Gemäss dieser Maxime haben 800 Jahre vor Papst Franziskus in Marokko jene ersten Franziskaner gehandelt, die sich nicht davon abhalten liessen – wie einst Paulus in den Synagogen –, in Moscheen und Basaren von Jesus zu predigen. Sie wurden wegen ihres Zeugnisses 1220 in Marrakesch hingerichtet. Was sie wohl von den heutigen Übereinkommen eines Missionsverzichts gehalten hätten?
Quelle: Fritz Imhof/Livenet