Zombiefilme wie „The Dead Don’t Die“ sind nicht einfach gruselige Unterhaltung. Sie halten der Gesellschaft den Spiegel vor und bringen die heutige Zeit brutal auf den Punkt.

Kolumne von Giuseppe Gracia

Wieder einmal kommen Zombies, die wandelnden Toten, ins Kino: mit dem neuen Film von Jim Jarmusch, „The Dead Don’t Die“ (Die Toten sterben nicht). Längst gehört der Zombie zum Grundbestand der Horror- und Fantasywelt. Dabei wird oft vergessen, dass Zombiefilme mehr sind als eine Gruselshow mit blutigen Schockeffekten, mehr als Unterhaltung mit makabrem Humor. Der Zombie ist auch ein Spiegel der Gesellschaft.

Zombies sind brandaktuell

Im Klassiker „Dawn of the Dead“ (1978) von George A. Romero flüchtet zum Beispiel eine Gruppe Überlebender in ein Kaufhaus, wo sie sich nach dem Ausbruch einer Epidemie vor den Untoten sicher fühlt. Bald muss sie erfahren, dass die Zombies in Scharen vom Kaufhaus angezogen werden, dass sie die Türen aufbrechen und hungrig durch die Läden schlurfen. Einer der Helden des Films erklärt dies so: „Sie erinnern sich, wo sie als Lebende am liebsten waren.“

Die Szene fasst die Kritik an einer sinnentleerten Konsumgesellschaft zusammen, wie sie in vielen Zombiestreifen anzutreffen ist. Deswegen ist der Zombie heute aktueller denn je. Globalisierte, entgrenzte Märkte und Konzerne treiben die Totalverwertung des Lebens voran. Der Mensch reduziert sich selber auf seine Rolle als Humankapital und Konsument. Ich leiste und konsumiere, also bin ich. Leistung heisst: Geld verdienen, Karriere machen. Konsumieren heisst: Geld ausgeben, sich in der Freizeit was Schönes gönnen. Wir sind die neue, durchökonomisierte Gesellschaft der Smartphone-Zombies („Smombies“).

Romantische Vampire

Interessant dazu ist der Vergleich mit klassischen Gruselgestalten wie dem Vampir. Dracula und seine zahlreichen Nachfolger haben eine verdunkelte Seele, die erlöst werden kann: mit Kruzifix, Weihwasser oder dem Pfahl durchs Herz. Vampire sind Wesen vor dem Hintergrund christlicher Erlösungsideen. Da ist der Zombie doch viel moderner: eine seelenlose Fressmaschine, die nur mit einem Schuss ins Gehirn gestoppt werden kann. So etwas passt viel besser in unsere Epoche als der romantische Dracula. Schliesslich benötigt der Zombie auch keine Burgen und Schlösser. Wohnblöcke und Shopping Malls genügen.

 

Erschien zuerst am 23. Juni 2019 im „Blick“.