Das Hilfswerk für verfolgte Christen Open Doors hat am 28. Oktober 2019 im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin einen aktuellen Bericht zur Situation von 6’516 christlichen Konvertiten in Deutschland vorgelegt. In der repräsentativen Erhebung „Schutz für Konvertiten vor Abschiebung in Länder mit Christenverfolgung“ wurden Daten und Hinweise aus 179 Gemeinden verschiedener Kirchen in Deutschland ausgewertet. Immer weniger Konvertiten erhalten Asylschutz. Vielen droht die Abschiebung in Länder, in denen die Abkehr vom Islam als todeswürdiges Verbrechen gilt. Laut Open Doors müssen sie dort wegen ihres Glaubens mit Gewalt, Haft und möglicherweise mit Folter sowie ihrer Ermordung rechnen.
Der frühere CDU/CSU Fraktionsvorsitzende Volker Kauder bekräftigte seine im Vorfeld der Pressekonferenz geäusserte Überzeugung: „Deutschland, als Land der Religionsfreiheit, darf Konvertiten nicht in Länder abschieben, wo Christen verfolgt werden.“
Anerkennungsquote seit Juli 2017 halbiert
In einer gemeinsam mit den Partnern „Internationale Informationsstelle für Religionsfreiheit Deutschland“ (IIRF-D) und „Professur für Religionsfreiheit und Erforschung der
Christenverfolgung, Freie Theologische Hochschule Giessen“ durchgeführten Erhebung hat Open Doors die aktuelle Situation von Flüchtlingen untersucht, die sich dem christlichen Glauben zugewandt haben. Viele von ihnen werden im Verlauf ihres Asylverfahrens mit dem Vorwurf konfrontiert, ihren Glaubenswechsel nur vorgetäuscht zu haben. Damit werden zuerst sie und genauso auch Pfarrer und Pastoren, die diesen Konvertiten die Ernsthaftigkeit ihres Glaubens bescheinigen, massiv diskreditiert.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellte laut Angaben der an der Erhebung beteiligten Gemeinden vor dem 1. Juli 2017 in 67,9 Prozent der Anhörungen positive Bescheide für Konvertiten aus. Nach diesem Datum sank die Zahl auf 36,3 Prozent. Konvertiten aus Iran stellen mit 4’557 Schutzsuchenden die grösste Gruppe innerhalb der Erhebung, gefolgt von Flüchtlingen aus Afghanistan und Syrien. Was Konvertiten im Fall einer Abschiebung in ihr Herkunftsland in punkto Verfolgung erwartet, spielte nach dem 1.7.2017 in immer weniger Entscheidungen des BAMF eine Rolle. Ihre besondere Gefährdung wird nicht erkannt oder wissentlich übergangen.
Keine einheitliche Rechtsprechung – willkürliche Entscheide?
Laut BAMF wird in den Anhörungen die „Ernsthaftigkeit des Glaubenswechsels“ von Konvertiten geprüft und ermittelt, ob der Glaubenswechsel „identitätsprägend“ ist. Damit soll eingeschätzt werden, ob und wie intensiv Konvertiten nach einer Abschiebung in ihre Heimatländer ihren Glauben praktizieren würden und deshalb von Verfolgung bedroht wären. Laut der Erhebung hat das BAMF 45 Prozent der Konvertiten keinen Schutz erteilt, nicht einmal ein Abschiebeverbot ausgesprochen. Fast alle Abgelehnten klagten jedoch vor dem Verwaltungsgericht (VG), das 63 Prozent der Klagen (zumindest teilweise) stattgab. Behörden schätzen demnach die Ernsthaftigkeit des Glaubenswechsels bei ein und demselben Konvertiten sehr unterschiedlich ein.
Auffällig ist, dass die Anerkennungsquote von Konvertiten bei den VG je nach Bundesland stark variiert. Beim VG Berlin liegt die Quote ähnlich wie in Baden-Württemberg im Durchschnitt bei höchstens 20 Prozent, in Hessen und in manchen östlichen Bundesländern jedoch bei über 80 Prozent. Eine einheitliche Rechtsprechung erfolgt nicht.
Kirchliche Bescheinigungen mindern Chancen auf Anerkennung
Legt ein Konvertit eine Bescheinigung seiner Kirche über die Ernsthaftigkeit seines Glaubenswechsels und seiner Glaubenspraxis vor, sinken dadurch seine Chancen auf einen positiven Bescheid durch das BAMF. Welchen Wert haben dann kirchliche Bescheinigungen? Nach 2- bis 4-stündigen Gesprächen (mit Dolmetscher) mit den Konvertiten können Mitarbeiter des BAMF und der VG angeblich die religiöse Haltung dieser Personen besser einschätzen als Pfarrer und Pastoren, die sie oft über lange Zeiträume begleiten und ihre Glaubenspraxis im Alltag beobachten können?
Die von Politik und Behörden oft geäusserte Mutmassung, der Glaubenswechsel vieler Konvertiten sei nicht echt, steht im klaren Widerspruch zur Einschätzung der Pastoren und Pfarrer: Im Rahmen der Erhebung bescheinigen sie 88,1 Prozent der schutzsuchenden Konvertiten einen ernsthaften Glaubenswechsel.
Abschiebepraxis im Widerspruch zur Religionsfreiheit
Das Recht auf Religionsfreiheit schliesst den Glaubenswechsel ein, auch Konvertiten sollen ihren Glauben privat und öffentlich leben können. Das ist in ihren islamischen Herkunftsländern nicht möglich. Ihre Abschiebung in eine solche Verfolgungssituation widerspricht der Intention des Grundgesetzes sowie den Menschenrechten. Deshalb fordern Open Doors Deutschland und die Partner in der Erhebung:
1) Auf politischer Ebene soll bundesweit ein Abschiebungsverbot für Konvertiten beschlossen werden, sofern ihnen aufgrund ihrer Konversion Gefahr für Leib und Leben in ihrem Herkunftsland droht und eine Kirchengemeinde die Ernsthaftigkeit ihres Glaubens bescheinigt hat.
2) Diese Bescheinigungen sollen durch Verwaltung und Gerichte als Indizien einer asylrechtlich erheblichen Glaubensüberzeugung und religiösen Prägung konsequent und einheitlich gewürdigt werden.
3) Die EU-Qualifikations-Richtlinie RL 2011/95/EU soll vollständig und ihrer Intention nach umgesetzt werden.
4) Die BAMF Länderberichte sollen deutlich den Verfolgungsdruck aufgrund von Konversion abbilden sowie verfügbare Quellen zur Landessituation berücksichtigen und auf dem aktuellsten Stand halten.
5) Religionsfreiheit muss in vollem Umfang gewährt werden, dazu gehören öffentliche und gemeinschaftliche Glaubensausübung und Glaubenswerbung.
Der geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Open Doors Deutschland, Markus Rode, sagt: „Die Ergebnisse der Erhebung sollten nicht als Anklage gegen Entscheider des BAMF oder der VG verstanden werden. Es geht hierbei nicht um Positionen, sondern um Menschen, auf deren Leben die einmal getroffene Entscheidung eine erhebliche Auswirkung hat. Insofern hoffen wir, dass diese Erhebung eine wertvolle Grundlage für alle am Entscheidungsprozess Beteiligten sein wird.“
Quelle: ots