Die Ausweitung des strafrechtlichen Schutzes vor Hass und Diskriminierung auf Angehörige sexueller Minderheiten ist problematisch und überflüssig. Zum einen bietet das geltende Recht bereits genügend Ahndungsmöglichkeiten, zum anderen ist ein Konflikt mit der Meinungsfreiheit absehbar. Aus diesen und weiteren Gründen lehnt die Schweizerische Evangelische Allianz SEA-RES die vom Parlament beschlossene Erweiterung des Strafgesetzes ab, über die am 9. Februar das Schweizer Stimmvolk befindet.
Im Hinblick auf die Abstimmung vom 9. Februar über die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm (Artikel 261bis des Strafgesetzes) um das Kriterium der sexuellen Orientierung nimmt die Schweizerische Evangelische Allianz SEA-RES in einem Orientierungspapier ausführlich Stellung zu den befürwortenden und ablehnenden Argumenten. Der Vorstand der SEA hat auf dieser Grundlage die Nein-Parole beschlossen – im Bewusstsein, dass die Frage auch in kirchlichen Kreisen unterschiedlich beurteilt wird.
Kritik an praktizierter Homosexualität muss erlaubt sein
Als Netzwerk von evangelischen Kirchen, christlichen Organisationen und Einzelpersonen verurteilt die Schweizerische Evangelische Allianz jegliche Form von Hass und Gewalt gegenüber Menschen jeglicher sexuellen Orientierung. Solches Verhalten ist nicht mit der christlichen Ethik vereinbar. Es muss aber weiterhin bedenkenlos möglich sein, gemäss dem Verständnis der Bibel eine kritische Haltung zu gewissen Lebensstilen zu vertreten und für die Privilegierung der Ehe von Mann und Frau gegenüber anderen Partnerschaftsformen einzutreten. Und hier liegt ein wesentlicher Schwachpunkt der Gesetzesrevision: Gemäss juristischen Gutachten könnten öffentliche Äusserungen in diese Richtung oder die Verweigerung einer Leistung gegenüber betreffenden Personen(-gruppen) künftig strafrechtliche Folgen haben.
Die sogenannte Rassismus-Strafnorm schützt heute berechtigterweise Personen(-gruppen) vor Diskriminierung wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion. Im Unterschied zu diesen drei Kriterien ist die Ergänzung um die sexuelle Orientierung schlicht nicht nötig, weil homo- oder bisexuelle Menschen durch das geltende Recht bereits weitgehend vor Hass und Diskriminierung geschützt sind. Diese Ansicht hat nicht nur der Bundesrat bis vor Kurzem vertreten; dieser Meinung sind auch Teile der betroffenen Gruppen selbst, die sich in einem Nein-Komitee engagieren.
Schliesslich ist offen, wie die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm in der Praxis ausgelegt würde. Diese Rechtsunsicherheit hat bereits zu weitreichenden Forderungen geführt. Wenn beispielsweise für die Einstufung einer Äusserung als Hassrede künftig die subjektive Wahrnehmung der betroffenen Person massgeblich sein sollte, würde dies Tür und Tor öffnen für mitunter willkürliche Anschuldigungen und Anklagen.