Am 27. Tag des siebten Monats im islamischen Kalender (der 2021 auf den 11. März fällt), gedenken Muslime weltweit der nächtlichen Himmelsreise Mohammeds. Was steckt hinter dieser Geschichte, die als eines der wichtigsten Ereignisse im Islam gilt? Und welche Rolle spielt sie im heutigen Konflikt um Jerusalem?

Die sogenannte Himmelsreise Mohammeds ereignete sich im Jahre 620, zwei Jahre vor seiner Auswanderung aus Mekka. In der Überlieferung wird von zwei Abschnitten berichtet: der nächtlichen Reise (Isrâ) in Begleitung des Engels Gabriel von Mekka nach Jerusalem, genannt, und dem Aufstieg (Mirâdsch) von Jerusalem in die Himmel.

Jerusalem in Koran

Während Jerusalem in der Bibel hunderte Male erwähnt wird, taucht es im Koran kein einziges Mal auf. Trotzdem spielte die Stadt eine besondere Rolle für Mohammed und seinen Gefährten. Jerusalem war ihnen als biblischer Schauplatz durchaus bekannt. Die „al- Aqsa-Moschee“ wurde als die im Koran genannte „ferne Kultstätte“ verstanden. Tatsächlich wurde sie jedoch erst ca. 90 Jahre nach dem im Koran geschilderten Ereignis erbaut. „Gepriesen sei der, der mit seinem Diener bei Nacht von der heiligen Kultstätte [in Mekka] nach der fernen Kultstätte [in Jerusalem], deren Umgebung wir gesegnet haben, reiste, um ihn etwas von unseren Zeichen sehen zu lassen.“ (Sure 17:1) In Wahrheit gab es zu der Zeit die „al-Aqsa- Moschee“ noch nicht, als diese Stelle geschrieben wurde, der Name blieb jedoch trotzdem erhalten. Andere Überlieferungen gehen soweit und erzählen, dass die Moschee in Jerusalem schon existierte. Ein Beispiel dieser Erzählungen von Mohammed: „O Gesandter Allahs, welche Moschee wurde zuerst auf der Erde gebaut? Er [Mohammed] antwortete: Al-Masjid al-Haram [die Moschee in Mekka]. Ich sagte: Danach welche? Er sagte: Al-Masjid al-Aqsa [die Moschee in Jerusalem]. Ich sagte dann: Wie viel Zeitabstand war zwischen ihnen? Er sagte: 40 Jahre.“ (Sunna, Muslim Nr. 520)

Eine Legende prägt die Politik

Die Bedeutung bzw. Heiligkeit Jerusalems rührt für den Islam vor allem von der sogenannten Himmelsreise Mohammeds her. Die meisten islamischen Gelehrten sind sich darüber einig, dass die Nachtreise Mohammeds körperlich, seelisch und im wachen Zustand stattgefunden habe. In der islamischen Überlieferung (Sunna, Bukhari Nr. 3674) heisst es, dass in der Nacht vom 26. zum 27. des Monats Radschab der Engel Gabriel zu Mohammed kam, mit ihm auf einem weissen Reittier nach Jerusalem zur Moschee reiste und in die Himmel stieg, wo er die früheren Propheten wie Adam, Henoch, Abraham, Mose und Jesus (Isa) traf. Im untersten Himmel sah er einen Mann mit einer grossen Gruppe von Menschen auf seiner rechten und linken Seite. Mohammed fragte Gabriel, wer der Mann sei. Gabriel antwortete: „Dies ist dein Vater Adam, so grüsse ihn.“ Als er dies tat, sagte Adam: „Willkommen, oh guter Sohn und guter Prophet.“ Dann sagte Gabriel: „Die Menschen auf seiner rechten und linken Seite sind seine Nachkommen. Auf seiner linken Seite sind die Bewohner des Höllenfeuers, so dass er weint, wenn er nach links schaut, und lacht, wenn er nach rechts schaut.“ Und so ging es weiter, vom untersten bis zum siebten Himmel. Jedes Mal traf er unterschiedliche Propheten. Im siebten Himmel erhielt er bei der Begegnung mit Allah das Gebot von 50 täglichen Gebeten für die Muslime. Beim Herabsteigen traf er Mose, der ihn fragte: „Wie viele Gebete wurden euch auferlegt?“ Und als Mose hörte, dass es 50 waren, warnte er: „Das Pflichtgebet ist eine schwere Bürde, und dein Volk ist schwach. Geh zurück zu deinem Herrn und bitte ihn, damit er es dir und deiner Gemeinschaft erleichtern möge.“ Und so ging es immer weiter, bis Mohammed die Zahl auf fünf Pflichtgebete pro Tag „heruntergehandelt“ hatte (Sunna, Bukhari Nr. 349). Dann sah er das Paradies mit Belohnungen, aber auch die Hölle mit Bestrafungen und Qualen. Aus dieser Erzählung beziehen islamische Gelehrte die Legitimation, um für den Anspruch auf Jerusalem mit allen Mitteln zu kämpfen.

Jerusalem bleibt bedroht

Jerusalem soll laut der islamischen Endzeiterzählung eine grosse Rolle in der internationalen Politik spielen. Diese Prophezeiungen sind ein wichtiger Bestandteil des islamischen Glaubens und haben die Politik oft beeinflusst. Die islamische Tradition erzählt von einem Kalifen (Al-Mahdi: der Geleitete), der eine Armee nach Israel leiten und das Land für den Islam zurückerobern soll. Die Muslime würden demnach fast alle Juden töten und Jerusalem als Ort der Weltherrschaft des Al-Mahdi erklären. Man glaubt, dass der Al-Mahdi als zukünftiger muslimischer Weltenführer nicht nur über die islamische Welt herrschen wird, sondern auch über die nichtislamische. Er soll eine Weltrevolution anführen, die eine neue islamische Weltordnung einführt. Mohammed sagte: „Die letzte Stunde würde nicht kommen, bis die Muslime gegen die Juden kämpften und die Muslime sie töteten, bis die Juden sich hinter einem Stein oder einem Baum versteckten, und der Stein oder Baum sagen würde: Muslim, oder Diener Allahs, da ist ein Jude hinter mir, komm und töte ihn.“ (Sunna, Muslim Nr. 2922) Ein Aufruf, der eindeutig ist …

Nach islamischer Tradition wird Jesus während der Kriege, die Al-Mahdi führt, erscheinen und ihm in seinem Krieg gegen den Antichristen beistehen und diesen besiegen (Fath al-Bari, 6/610). Zu diesem Zeitpunkt sollen die Juden und Christen an den Al-Mahdi glauben und Muslime werden. Somit soll es nur eine weltweite, und zwar islamische, Gemeinschaft geben. Nach dem Tod von Al-Mahdi soll Jesus die Führung übernehmen. Dies ist laut islamischen Überlieferungen eine Zeit des universellen „islamischen Friedens.“

Dabei muss klargestellt werden: Frieden hat im Islam eine ganz andere Bedeutung als in unserem westlichen Verständnis: Friede ist für den Islam erst, wenn die ganze Welt den Islam angenommen hat. Bis dahin bleibt die Welt nach der Scharia zweigeteilt: in das „Haus des Islams“ („dar il-islam“) und das „Haus des Krieges“ („dar al-harb“). Es scheint, dass Europa den wahren Islam noch nicht verstanden hat.

Auszug aus dem Magazin 03/19. Haben Sie Interesse an unserem Magazin? Hier gelangen Sie direkt zum Bestellformular:
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