„Der zionistische Terrorstaat Israel vertreibt die Bewohner der palästinensischen Gebieten völkerrechtswidrig, damit die jüdischen Herrenmenschen dort ihren Anbau betreiben können … P.S.: Das ist nicht antisemitisch.“ Diese Bemerkung stammt von einem ehrenamtlichen Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Kurze Zeit nach der Aussage musste er alle seine Ämter aufgeben.
Obwohl sich der oben geschilderte Vorfall bereits vor längerem ereignete (Ende 2019), hat das Thema an Aktualität nichts verloren. Denn es spricht eine Grundproblematik an: Wann ist eine Aussage „nur‟ Israelkritik (also Kritik am Staat Israel) und wann ist sie tatsächlich antisemitisch? Das Schweizer Fernsehen SRF warf im Artikel vom 5. April 2021 anlässlich der Revidierung der „Jerusalem Deklaration“, die von 200 der renommiertesten internationalen Holocaustforschern verfasst wurde, bereits die gleiche Frage auf: nämlich wann Kritik an Israel in Antisemitismus kippt.
Dass ein Staat Fehler macht, liegt auf der Hand. Davon ist auch Israel nicht ausgenommen. Demnach sollte Kritik am Staat erlaubt, ja sogar im Bedarfsfall erwünscht sein. Aber wann hört Israelkritik auf? Und wann mündet es in Antisemitismus?
Antisemitismus hat viele Gesichter. Eine wichtige, grundsätzliche Unterscheidung gilt es zwischen Juden und Israeli zu machen. Im Gegensatz zum Begriff „Juden‟ (oder auch „Judentum‟), der Vertreter einer Religionsgemeinschaft bezeichnet, sind „Israeli‟ und „Israel‟ politische Begriffe. Zudem ist es hilfreich, wenn man zwischen einem klassischen und verdeckten Antisemitismus unterscheidet. Statements, in denen Juden als Rasse oder Religionsgemeinschaft verunglimpft werden, gehören zum klassischen Antisemitismus und sind als solcher leichter zu identifizieren. Schwieriger gestaltet es sich beim verdeckten Antisemitismus. Zionismus, um ein Beispiel zu nennen, ist eine Nationalbewegung, die für einen jüdischen Nationalstaat in Palästina einsteht. Es handelt sich hierbei um eine klare politische Strömung, die im obigen Zitat auch aufgegriffen wurde. Durch den Kontext bekommt sie jedoch eine andere Bedeutung. Für „zionistischer Terrorstaat“ könnte ebenso gut „jüdischer Terrorstaat“ stehen, wird beim Lesen schnell klar. Die Grenzen der Israelkritik zu einem verdeckten Antisemitismus, der sich hinter einem politischen Ausdruck versteckt, dürfte damit hier überschritten sein.
Zwar darf Israelkritik nicht immer gleich als antisemitisch interpretiert und diffamiert werden. Jedoch sollte darauf Acht gegeben werden, dass „salonfähige‟ Ausdrücke wie Zionismus, je nach Hintergrund, auch antisemitischer Natur sein können.