Die Freikirchen sind in der Schweiz systemrelevant. Sie leisten in unzähligen Stunden Freiwilligenarbeit einen substanziellen Beitrag für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung. Soziales Engagement ist ein Wesensmerkmal der Freikirchen. Das zeigt eine quantitative und qualitative Erhebung bei Freikirchen in der Romandie, dem Tessin und der Deutschschweiz für das Jahr 2020.
Mit der Teilnahme von sämtlichen Mitgliedverbänden und mehr als einem Drittel aller Kirchgemeinden kann die Studie für Freikirchen als repräsentativ gewertet werden, schreibt der Dachverband der Freikirchen und christlichen Gemeinschaften der Schweiz in einer Medienmitteilung vom 14. Juni 2021. Insgesamt unterstützen der Studie nach die 1000 evangelischen Freikirchen rund 180’000 Personen in der Schweiz. Hochgerechnet haben die Angestellten zusammen mit Freiwilligen im Pandemiejahr den Staat im Sozialbereich um rund eine halbe Milliarde Franken entlastet. Vielerorts baten lokale Behörden die Kirchgemeinden um Unterstützung. Viele Freikirchen blühten geradezu auf, weil sie sich für Menschen in Not engagieren konnten.
Welchen Beitrag leisten Freikirchen zum Gemeinwohl? Wie wirken sie aufs soziale Wohlbefinden der Schweizer Wohnbevölkerung aus? Die Steuerbehörden anerkennen höchstens 50 Prozent der freikirchlichen Tätigkeit als gemeinnützig. Mit einer Erhebung bei allen angeschlossenen Kirchen erstellt der Dachverband RES-Freikirchen.ch erstmals einen Jahresbericht der Freikirchen, in dem er den aufgeworfenen Fragen nachgeht. Dass Freikirchen biblische Botschaften verkünden, ist bekannt. Weniger aber, was sie praktisch für die Bevölkerung tun. „Freikirchen haben viele Angebote für die Menschen, die sich für die Gesellschaft engagieren wollen. Es ist immer eindrücklich zu sehen, wie auch andere davon profitieren können“, erklärt Peter Schneeberger, Präsident des Deutschschweizer Dachverband Freikirchen.ch und christlicher Gemeinschaft. Profitiert vom gesellschaftlichen Engagement haben vor allem die Jungen und die Alten. Speziell Alleinstehende, Senioren und Familien mit Kindern berichten davon, dass sie die Kirche in der Coronazeit besonders geschätzt hätten. „Sätze wie ‘Ich weiss nicht, was ich ohne die Kirche gemacht hätte’ hörten wir in diesen Tagen häufig“, erklärt Jean-Luc Ziehli, Präsident Réseau Evangelique Suissse (RES).
Viele neue Projekte lanciert
An der Studie beteiligten sich insgesamt 358 Kirchgemeinden aus nahezu allen Verbänden der Schweiz, also mehr als ein Drittel aller Freikirchen (287 in der Deutschschweiz, 68 in der französischen und drei in der italienischen Schweiz). Gefragt wurden die Kirchgemeinden, welche Aktivitäten sie während der Corona-Pandemie angeboten haben, wie viele Personen sich daran beteiligten und welche Angebote von der Bevölkerung besonders in Anspruch genommen wurden. Zudem wollte die Erhebung herausfinden, ob neue Projekte oder spontane Initiativen entstanden sind, wie die Menschen darauf reagiert haben und wie sich die allgemeine Lage auf die Aktivitäten der Kirche ausgewirkt hat. Allein die Tatsache, dass ein Drittel aller befragten Gemeinden im Laufe des Jahres 2020 trotz Lockdown, Social Distancing und Versammlungseinschränkungen neue Projekte und Aktivitäten initiiert und umgesetzt haben, zeugt von grossem Einfallsreichtum und Engagement. In den meisten Fällen geschah dies ohne zusätzliche finanzielle Mittel. Nebst den angestellten Mitarbeitenden haben sich tausende von freiwilligen Helfern ehrenamtlich an den verschiedenen Aktionen beteiligt.
Auch wie vielfältig und intensiv die Aktivitäten waren, wird in der Studie deutlich. Am häufigsten wurden Menschen seelsorgerisch betreut, persönlich begleitet und besondere Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen unternommen. Senioren wurden zuhause besucht und Personen beim Einkaufen unterstützt. Auch für schwerkranke und sterbende Menschen war man während der Corona-Zeit da. Des Weiteren wurden Eltern bei der Kinderbetreuung entlastet, Asylsuchende betreut, Alleinerziehende begleitet und besonders bedürftige Menschen unterstützt.
Fazit: Viele Freikirchen haben mit ihrem gesellschaftlichen Engagement neue Angebote geschaffen, die rege benutzt wurden. Der Wert der Aktivitäten von Schweizer Freikirchen für die Gesellschaft kann nicht in erster Linie an den Programmen gemessen werden, sondern an der Förderung der Menschen und der Stabilität, die sie in die Gesellschaft bringen. Durch die Mitarbeit in der Kirchgemeinde lernen und üben die Mitarbeitenden wichtige Komponenten wie Führung, Kommunikation, Konfliktbewältigung, Zusammenarbeit und vieles mehr. Diese Kompetenzen fliessen zurück in die Wirtschaft und die Gesellschaft. Es ist noch unsicher, ob die Covid-19-Pandemie die Gesellschaft wirklich so stark verändert, wie es einige erwarten. Der Normalzustand kehrt in der Gesellschaft vermutlich rascher zurück, als es sich Seite 3 heute abzeichnet. Als Freikirchen geht es nicht nur darum, in einer Krise relevant zu sein. Vielmehr engagieren sie sich generell für die Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld. Wer vor der Krise nicht relevant war, wird es in der Krise auch nicht sein. Eine Krise hat nur den Effekt, dass sie die strukturellen Stärken und Schwächen der Gesellschaft und auch jene der Kirche offenlegt. Die langfristigen Auswirkungen von Covid-19 werden hoffentlich sein, dass wir solche Stärken und Schwächen entdecken und somit immer besser werden können. Wir hoffen, dass dies einen positiven Langzeiteffekt in vielen Kirchgemeinden haben wird. „Auf jeden Fall sind wir voller Zuversicht und Hoffnung. Es gibt keine Hoffnung oder Liebe die stärker ist, als die wir in Jesus Christus finden“, erklärt Peter Schneeberger.