Im Jahr 2020 nahm die „Black Lives Matter“-Bewegung, die Polizeigewalt und Brutalität gegen Afroamerikaner anprangert, eine noch nie dagewesene Dimension an. Als Reaktion darauf entstand das Motto „All Lives Matter“ („Alle Leben zählen“), mit dem Argument, dass das Leben aller Menschen zählt, nicht nur das Leben einer einzigen Personengruppe.
Von Monika von Sury
Ich denke, dass das eine das andere nicht ausschliessen darf. Der Grund, warum Afroamerikaner den Begriff „Black Lives Matter“ verwenden, ist nicht, dass sie damit suggerieren wollen, dass das Leben von niemandem sonst zählt. Vielmehr wollen sie klar machen, dass es ein spezifisches Problem gibt, das angegangen werden muss: die Diskriminierung von Afroamerikanern; ein legitimes Anliegen, das es zu behandeln gilt.
Gestern wie heute kreieren diskriminierte Gruppen immer wieder ihre eigene Version dieses kraftvollen Schlachtrufs: Das Leben von Sklaven zählt! Das Leben von Frauen zählt! Das Leben von Behinderten zählt! Das Leben von Ausländern zählt! Während all diese Parolen ihre Berechtigung haben, weil all diese Leben wichtig sind, liegt es an mir, aus denen, die leiden, die Angst haben, die abgelehnt oder ignoriert werden, diejenigen zu wählen, welche ich zu einem bestimmten Zeitpunkt unterstützen möchte, und öffentlich zu machen, dass ihr Leben wichtig ist. Sicherlich gibt es Zeiten, in denen einer Person oder mehreren Personengruppen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Dies steht jedoch nicht im Widerspruch zu der grundlegenden Einstellung, dass alle Leben wichtig sind. Ganz im Gegenteil: Wenn jedes Leben zählt, zählen eben alle Leben.
Schätzen, respektieren, schützen
Was mich betrifft, so glaube ich an die Unantastbarkeit jedes menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum Tod. Ich möchte das Leben eines jeden Menschen schätzen, respektieren und schützen, unabhängig von Alter, Gesundheit, körperlicher Erscheinung oder sozialem Status. Darin ist Jesus Christus das perfekte Vorbild für mich. Ich sehe, wie er zu ganzen Menschenmengen und zu einzelnen Personen spricht. Ich sehe ihn, wie er inmitten einer Ansammlung von Menschen die Kinder auffordert, zu ihm zu kommen. Ich sehe, wie er, von Menschen bedrängt, einer leidenden Frau
Aufmerksamkeit schenkt, die ihn in der Hoffnung auf Heilung berührt. Ich sehe, wie er auf dem Weg mit anderen einem kleinen Mann zuruft, der auf einen Baum geklettert ist, um ihn vorbeigehen zu sehen. Ich sehe ihn im Gespräch mit einer samaritanischen Frau, die wegen ihrer Herkunft und ihres Geschlechts diskriminiert wird. Für ihn zählen alle Leben.
Das Leben der ungeborenen Kinder zählt
Indem ich mich ausdrücklich gegen Abtreibung ausspreche, denke ich nicht, dass ich mich in Bezug auf andere Menschenleben selektiv verhalte. Ich verteidige einfach die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft. Denn mehr als jede andere Gruppe brauchen die ungeborenen Kinder meine Aufmerksamkeit: weil sie nicht selbst für ihre Sache, für ihr Leben kämpfen können. Sie sind in dieser Welt unsichtbar, weil sie noch nicht geboren sind. Sie werden als „Ding“ und nicht als Person gesehen. Ihr Leben wird nicht anerkannt, obwohl sie am Leben sind. Sie brauchen jemanden, der deutlich macht, dass ihr Leben genauso wichtig ist wie das aller anderen. Sie brauchen jemanden, der für sie in die Bresche springt, sie brauchen unerschrockene Kämpfer, starke Fürsprecher, mutige Wortführer, unermüdliche Anwälte. Und es gibt sie! Etliche von ihnen marschieren seit über zehn Jahren auf den Strassen und besetzen die Plätze unserer Städte, um sich für das einzusetzen, was für jeden gelten sollte: All lives matter – jedes Leben zählt. Als Hüter der christlichen Werte haben sie sich entschieden, ungeborene Kinder zu schützen und den Preis dafür zu zahlen. Es liegt in ihrer DNA – und in meiner auch!
Monika von Sury leitet die Arbeit von Zukunft CH in der Romandie. Mit verschiedenen Aktionen setzt sich Zukunft CH für das Kindeswohl und das Lebensrecht von ungeborenen Kindern ein. Deshalb ist Zukunft CH u.a. Mitträger des jährlichen „Marsch fürs Läbe“, der in diesem Jahr am 18. September 2021 in Zürich geplant ist.