„Ist der Begriff Mutter in Gesetzestexten noch zeitgemäss?“, fragt die Berner Zeitung vom 1. November 2021 im Zusammenhang mit der vom Bund gegenwärtig diskutierten Frage eines „dritten Geschlechts“. Elter 1, gebärende Person oder Mensch mit Gebärmutter? Die von Gleichstellungsaktivisten vorgeschlagenen, neuen Wortkreationen muten emotionslos an, die deutsche Sprache wird durch Genderismus zunehmend sinnentleert und faktenfremd. Wer nicht mitgendert, muss mit Sanktionen rechnen. Mit seiner im August im Verlag Fontis erschienen Gender-Fibel bringt Autor Eckhard Kuhla Orientierung ins Dunkel zunehmender Sprachverwirrung. Im Interview mit Regula Lehmann von Zukunft CH erklärt der bekannte Redner und Autor, warum er zum aktiven Widerstand gegen den „Gender-Neusprech“ einlädt.
Zukunft CH: Herr Kuhla, Was ist die Idee hinter der Gender-Fibel?
Kuhla: „Rettet das generische Maskulinum“. So könnte man die jahrelange Kritik an der Gendersprache beschreiben. Es waren hauptsächlich Texte von Sprachexperten, die kaum Resonanz in der breiten Öffentlichkeit fanden. Ähnlich ging es mir mit mehr sprachpolitischen Texten. Erst das Zitat eines kanadischen Professors brachte es für mich auf den Punkt: „Wenn Du genderst, sprichst Du die Sprache einer Ideologie“. Gemeint sind Ideologien wie der Kulturmarxismus oder die Gendertheorie. Beide eint ihre destruktiven Ziele: die Zerstörung westlicher Werte mit der Sprache, besonders der Familie.
Wir starteten neulich den ersten Aufruf zur Gendersprache. Rund 38’000 Unterschriften wandten sich gegen den Gebrauch der Gendersprache. Und erste Umfragen bestätigten ebenso ein starkes Empörungspotential in der Gesellschaft: über 60 Prozent lehnten in Umfragen die Gendersprache ab. Unbeachtet des Volkes Meinung führen die Medien aber dennoch die Gendersprache weiter ein, ohne einen akzentuierten Widerstand in der Öffentlichkeit. Eine klassische kognitive Dissonanz. Dafür gibt es eine Erklärung: zum Widerstand gehört (Vor-)Wissen. Deswegen müssen wir aus Unwissenden Betroffene machen. Eine entscheidende Überlegung half uns dabei: Eine Kunstsprache wie das Gendern birgt Elemente einer Fremdsprache in sich, für die muss ich – neben dem neuen Wort – die deutsche Bedeutung lernen. Die Idee eines Vokabelheftes war geboren.
Zukunft CH: Was ist das Ziel des Buches?
Kuhla: Wir wollen damit unseren Beitrag zur Aufklärung leisten, aber keinen Beitrag mit einem moralischen Zeigefinger, sondern mit einem Format, das einen Schuss Humor vertragen kann. Auf die Art und Weise kann man vielleicht viel „effizienter“ für die drohende Gefahr der Gendersprache Aufmerksamkeit erlangen. Gedacht haben wir dabei auch an die Bürger, die die Gendersprache abtun mit einer „Verrücktheit, die sowieso bald vorübergeht“. Das alles konnte nur gelingen, weil mir dabei Birgit Kelle und der fontis Verlag mit Rat und Tat zur Seite standen.
An dieser Stelle möchte ich noch ein persönliches Anliegen in aller gebotenen Bescheidenheit erwähnen: Martin Luther hat durch seine Bibelsprache die christliche Botschaft jedem Bürger zugänglich gemacht. In diesem Zusammenhang ist es für mich gänzlich unverständlich, ja fast sogar Blasphemie, warum Vertreter einer Kirche es kürzlich für dringend geboten hielten, eine zweite Auflage der „Bibel in gendergerechter Sprache“ zu starten. Dadurch verkehren sie Luthers Manifest der deutschen Sprache in sein Gegenteil, ihre ideologisch orientierte Bibel wird kaum den „normalen“ Bürger als Leser gewinnen können.
Zukunft CH: Worin sehen Sie das grösste Problem beim „Gender-Neusprech?“
Kuhla: „Man spürt die Absicht und ist verstimmt“ (aus „Tasso“ von J.W. von Goethe). Die „Absicht“, um die es hier geht, ist die Entführung des Bürgers über Gehirnwäsche in die Gender Gedankenwelt. Und wie kann ich dann seine notwendige „Verstimmung“ erreichen? Ein kurzer Ausflug in die Neurologie: Es gibt zwei unterschiedliche Wahrnehmungen der Gendersprache: einmal über die sofortige, optische oder akustische Erkennung, wie z.B. die „Heteronormalität“. Solche Wörter kann jedes auch ungeübte Auge (oder Ohr) als unnormal bzw. als Fremdwort erkennen und dann in der Genderfibel das normaldeutsche Wort nachschlagen – sofern es das überhaupt gibt.
Schwieriger wird es bei den Begriffen mit einer verborgenen Bedeutung eines gängigen Wortes wie „Familie“. Die Mehrdeutigkeit, das Unnormale, erschliesst sich einem Normalbürger in seiner Wahrnehmung nicht sofort; denn dazu bräuchte er ein Vorwissen und ein Gespür für ein Minenfeld des Unnormalen, was vor ihm liegen könnte. Das Gespür könnte man durch mehrfaches Lesen der Genderfibel erreichen … Dadurch könnte auch eine nur vermutete Mehrdeutigkeit den ersehnten „Aha-Effekt“ herbeiführen.
In diesem Tappen im Dunkel der Mehrdeutigkeiten liegt die Perfidie der Gendersprache. Sie gewinnt noch an Bedeutung, berücksichtigt man die möglichen Einflüsse der Politischen Korrektheit. Sie ermöglicht gerade – vor dem Hintergrund eines schwindenden Wertekonsenses – bei Mehrdeutigkeiten das Verallgemeinern individueller Moralvorstellungen. Beim Nennen des Begriffs „Familie“ ist die Bedeutung beispielsweise stark abhängig von dem Umfeld, in dem der Sprecher sich grade befindet. In der oben beschriebenen Perfidie und in der Toleranz der Beliebigkeit liegt mein Hauptproblem mit der Gendersprache.
Zukunft CH: Viele Organisationen, Firmen und Behörden gendern und auch Schulen oder Universitäten fordern, dass Arbeiten in Gendersprache eingereicht werden. Wie soll man reagieren?
Kuhla: Mit dem „Marsch durch die Institutionen“ haben die „GleichstellungsbeauftragtInnen“ der öffentlichen Einrichtungen ihre Anbefohlenen Schritt für Schritt mit „Sprachleitfäden“ beglückt oder konkreter: Sie haben die Gendersprache – teilweise sogar über den Bürgermeister – als „Amtssprache“ verordnet. Und die jeweiligen Chefs, Professoren und Lehrer? Über eventuelle Sanktionen gelingt wenig an die Öffentlichkeit. Was tun? Im Falle der sofortigen Erkennbarkeit von „Fremdwörtern“ kann man nur empfehlen: Reden Sie Deutsch, so wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist! Daran kann man sich gewöhnen. Und in gegenderten Kreisen? Einfach die Genderfibel zur Hand nehmen und demonstrativ darin blättern … Im Falle der möglichen Mehrdeutigkeit eines Begriffes: Entweder man hat bereits ein „Gender-Gespür“ dafür entwickelt, dann erschliesst sich dieses zumeist im Kontext. Und als „Normaldeutscher“ würde ich ganz bewusst in meinem Kontext weiterreden. Ihr Gegenüber macht das sowieso in seinem Kontext. Verständnisverluste sind in diesem Falle auf beiden Seiten aber nicht ganz ausgeschlossen.
Kann man sich gegen unsinnige Gender-Vorschriften wehren?
Das hängt vom jeweiligen Umfeld ab, konkreter: Wie sieht das jeweilige Chef-Untergebenen Verhältnis aus? In Verwaltungen und Firmen ist eine Klage gegen die Anwendung der Gendersprache schwierig. Beispiele für erfolgreiche Klagen gegen eine entsprechende Verordnung sind noch nicht bekannt geworden. Ausser im Falle der Firma Audi, da ist eine dementsprechende Klage noch anhängig. Im Gegensatz dazu ist an den Hochschulen eine Anpassung an die Wünsche des jeweiligen Lehrpersonals durch die Studenten handhabbar. Eine Klage gegen die Herabsetzung der Benotung durch Nicht-Gendern hat in Einzelfällen Erfolg gehabt.