In der Kampagne um die Tabakinitiative wird von allen Seiten die Wissenschaft bemüht. Sucht Schweiz stellt dazu in einer Medienmitteilung vom 13. Januar 2022 klar: Jugendliche konsumieren in der Schweiz immer noch sehr viele Tabak- und Nikotinprodukte, und die Werbung trägt entscheidend dazu bei. Die wissenschaftliche Evidenz hierzu ist überwältigend und in der Fachwelt anerkannt. Die Tabakwerbung muss deshalb strenger reguliert werden. Sucht Schweiz zeigt den aktuellen Stand der Forschung und erklärt den Inhalt der Schülerinnen- und Schülerstudie HBSC, die von den Gegnern der Initiative oft falsch zitiert und missbraucht wird.
Der Tabak- und Nikotinkonsum unter den Jugendlichen in der Schweiz ist immer noch hoch: Eine aktuelle Untersuchung der Lungenliga Aargau aus dem Jahr 2021 zeigt, dass etwa ein Drittel der Schüler an Gymnasien und Berufsschulen mindestens wöchentlich rauchen oder vapen.
Die Studie „Health Behaviour in School-aged Children‟(HBSC) zeigt, dass bei den 11- bis 15-Jährigen in der Schweiz der Zigarettenkonsum zwischen 2002 und 2014 zwar abgenommen hat, seither aber stabil geblieben ist. Und dies auf noch immer hohem Niveau: 16.3 Prozent der 15-jährigen Buben und 13.1 Prozent der gleichaltrigen Mädchen gaben im Jahr 2018 an, gelegentlich oder regelmässig zu rauchen. Fast ein Drittel davon gar täglich.
Die Abnahme unter den Jüngsten hat aber in den Jahren darauf nicht zu einer Verminderung der Raucherquote unter den 20- bis 24-Jährigen geführt, wie die Schweizerische Gesundheitsbefragung zeigt. Umfragen des Blauen Kreuzes bei Jugendlichen lassen gar befürchten, dass die Verbreitung des Konsums von Nikotinprodukten in der Jugend während der Pandemie gar zugenommen hat. Dies wäre nicht verwunderlich, denn Stress, Unwohlsein und Zukunftsangst können den Konsum von Nikotinprodukten begünstigen.
Tabakwerbung hat einen eindeutigen Einfluss auf den Konsum der Jugendlichen
Die Forschungsliteratur zeigt fast einhellig, dass die Tabakwerbung einen Einfluss auf das Rauchverhalten ausübt. Das Standardwerk zum Thema, die Übersicht der Amerikanischen Gesundheitsbehörde (der sogenannte „Surgeon General‟) über die gesamte diesbezügliche Literatur sowie neuere systematische Reviews und Metaanalysen zeigen den Zusammenhang klar auf. Die Studien verdeutlichen insbesondere,
- dass Jugendliche, die der Tabakwerbung stärker ausgesetzt sind, später eher mit dem Rauchen anfangen. Der Surgeon General fasst zusammen, dass die Langzeitstudien und starken empirische Beweise (einschließlich interner Dokumente der Tabakindustrie, Dokumente und Zeugenaussagen) zeigen, dass es eine konsistente Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen den Marketing- und Werbeanstrengungen der Tabakunternehmen und der Initiation sowie dem Fortschreiten des Tabakkonsums unter jungen Menschen gibt.
- dass insbesondere die Werbeexposition an den Verkaufsstellen einen Einfluss haben kann (Surgeon General 2012, Robertson et al., 2016, Haw et al., 2020).
- dass auch die Werbung für E-Zigaretten einen Effekt auf den Konsum der Jugendlichen hat: In einer neuen Studie aus Deutschland wird gezeigt, dass Jugendliche, die der Werbung für E-Zigaretten stark ausgesetzt sind, ein 37 Prozent höheres Risiko haben, später zu vapen, und gar ein 44 Prozent höheres Risiko, später Zigaretten zu rauchen (Hansen et al. 2020).
Tabakwerbung hat einen klaren Einfluss auf die Raucherquote
Wenn man internationale Vergleiche berücksichtigt und nicht nur einzelne umliegende Länder als Vergleich heranzieht, dann wird der Zusammenhang zwischen Tabakwerbung und Raucherquote klarer. Auch eine genauere Analyse der einzelnen Verläufe drängt sich auf: Gerade in Frankreich war die Raucherquote traditionell viel höher als in der Schweiz. Werbeeinschränkungen hatten aber einen starken Effekt: Im 1991 wurde ein umfassendes Werbe- und Sponsoringverbot eingeführt. Der Effekt war spektakulär: Bis im Jahr 1991 waren die Zigarettenverkäufe ständig angestiegen. Nach der Einführung des Gesetzes sanken die Verkäufe innert sechs Jahren plötzlich um 14 Prozent!
Was die HBSC-Studie wirklich sagt
Gegner der Initiative „Kinder ohne Tabak‟ sagen, dass die HBSC-Studie zeige, dass nicht die Werbung, sondern andere Motive wie Gruppendruck oder die familiäre Situation die Jugendlichen zum Rauchen führen. Wer die zitierte Studie genauer liest sieht, dass es bei der Frage nach Motiven auf S. 69 erstens gar nicht um herkömmliche Zigaretten, sondern um E-Zigaretten geht, und dass zweitens nur die bewussten Motive abgefragt worden sind. Die Werbung, der Einfluss der Peers oder der sozialen Umstände wurden also gar nicht als mögliche Antwortkategorien vorgegeben. Aber rund 90 Prozent der Vapenden geben an, dass sie aus Neugier konsumieren. Dass Werbung an die Neugierde appelliert, darüber herrscht Konsens.