Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, welchen Stellenwert unsere Gesundheit für uns hat und wie labil sie gleichzeitig sein kann. Grund genug, sich einmal auf bewusst positive Weise dem zuzuwenden, das man so oft für selbstverständlich hält: das Wunderwerk Körper. Ein Plädoyer für die Dankbarkeit und die Fähigkeit zum Staunen.
Von Ursula Baumgartner
„Warum bist du heute so gut gelaunt?“ – „Ach, ich bin nur so froh um meine Nase!“ Diese Antwort würde uns vermutlich überraschen (vor allem, wenn ihr keine Schönheitsoperation voranging). Und doch wäre sie eigentlich so berechtigt, denn wie oft vergessen wir, dass nichts im Leben selbstverständlich ist, dass wir kein Recht auf Gesundheit haben – und dass jeder von uns ein Wunder ist.
Denn wusstest du, …
… dass du ganz am Anfang deiner irdischen Existenz nur ein winziges Kügelchen, eine einzige befruchtete Zelle, warst?
… dass dieses Kügelchen sich weiterentwickelt und irgendwann Achsen angelegt hat, damit es überhaupt ein Kopfende, eine Rücken- und Bauchseite und ein Links und Rechts gibt?
… dass die Höhe, auf der sich die Armanlagen entlang einer dieser Achsen bilden, festgelegt ist? (Wie schwierig wäre unser Leben, wenn der linke Arm auf Höhe des Ohres, der rechte aber auf Höhe der zweiten Rippe gewachsen wäre!)
… dass dein Gesicht ursprünglich aus mehreren Teilen bestand, die aufeinander zu wuchsen und zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt verschmolzen? (Und anders als bei einer Verabredung zum Abendessen wäre es hier nutzlos, bei Verspätung des einen Teils eine „Komme 10 min später!“-WhatsApp-Nachricht zu schicken, denn dann entstünde das, was Mediziner als Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte bezeichnen.)
Die Vorbereitung auf das „Landleben“
Und hast du heute schon darüber gestaunt, dass sich das Kind im Mutterleib auf ein Leben „auf dem Trockenen“ vorbereitet, obwohl es doch die ganze Zeit vom Fruchtwasser umgeben ist? Wer sagt dem kleinen Körper, dass er das Mittelohr mit dem Rachen verbinden muss, damit ersteres später luftgefüllt sein kann? Denn sonst wäre unser Hörvorgang nicht möglich, zumindest nicht so, wie wir ihn kennen. Und wer weiss, ob wir sonst überhaupt unterscheiden könnten, ob wir da gerade Klaviermusik, ein Streichorchester, das quakende Baby in der Nachbarwohnung oder die Verkehrsnachrichten hören.
Auch die Blutgefässe zwischen Herz und Lunge, ja, überhaupt die Teilung des Herzens in zwei Hälften, zeugen davon, dass der kindliche Organismus, bereits während er noch den Sauerstoff über die Nabelschnur bezieht, detailliert Vorsorge trifft für die Zeit, in der er auf eigene Atmung umschalten kann. Der Plan für all das ist angelegt in jenem winzigen Kügelchen, das mit blossem Auge kaum erkennbar ist. Doch wie wenig denken wir daran, dass es trotzdem nicht so etwas wie einen Anspruch auf ein gesundes Kind gibt. Und wie schnell neigen wir dazu, ein nicht perfektes Leben wieder auslöschen zu wollen, egal ob am Anfang oder am Ende des Lebens.
Es ist gut und hilfreich, sich vor Augen zu halten, dass wir vom Staub genommen sind und zum Staub zurückkehren. Aber wir dürfen uns darüber freuen, dass wir in der Zwischenzeit ein ziemlich genial organisierter Staub sind.