Mit 105 zu 64 Stimmen hat der Nationalrat am 1. Juni 2022 den nationalen Aktionsplan gegen LGBTQ-feindliche „hate crimes“ angenommen. Der Bundesrat ist damit aufgefordert, zusammen mit Kantonen und Gemeinden national koordinierte Massnahmen zur Verhinderung solcher Hasstaten und zur Unterstützung der Betroffenen zu ergreifen.
Von Ralph Studer
LGBTQ-Organisationen wie Pink Cross zeigten sich erfreut über die Annahme dieser jahrelangen Forderung. Wie Pink Cross schreibt, sollen zu den beabsichtigten Massnahmen auch der wirksame Schutz von Betroffenen gegen LGBTQ-feindliche Einstellungen gehören. Zudem ist, so Pink Cross, der Bundesrat nun aufgefordert, den Aktionsplan und die Massnahmen gemeinsam mit den LGBTQ-Dachverbänden zu erarbeiten.
Diese Stossrichtung des Nationalrats wirft einige Fragen auf, auch im Hinblick auf die verfassungsmässig garantierte Meinungsäusserungsfreiheit. Es ist z.B. unklar, was mit LGBTQ-feindlichen Einstellungen gemeint ist. Fallen bereits sachlich-kritische Aussagen über LGBTQ darunter? Fragen, die bereits bei der Ausweitung des Art. 261bis des Strafgesetzbuches auf die sexuelle Orientierung umstritten waren und zu Rechtsunsicherheit führten.
Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit betont, gibt es doch seit längerem in europäischen Ländern den besorgniserregenden Trend, dass Regierungen Diskurse wegen sogenannter „Hassreden“ einzuschränken. Es gilt wachsam zu bleiben, welche Massnahmen im Rahmen des nationalen Aktionsplans getroffen werden und wie diese umgesetzt werden sollen. Insbesondere sind mit besonderer Wachsamkeit die Auswirkungen auf die Meinungsäusserungsfreiheit im Auge zu behalten.