Viele Väter und Mütter fühlen sich am Arbeitsplatz oder im sozialen Umfeld öfter diskriminiert. Die Schweizerische Stiftung für die Familie hat dazu via soziale Medien und ihren Newsletter eine Umfrage bei Eltern gemacht. Hier die Ergebnisse der Stiftung:
Eine der Thesen war, dass Eltern vor allem im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit diskriminiert werden. Insgesamt haben 85 Prozent der Befragten angegeben, bereits Diskriminierung in der Rolle als Vater oder Mutter erlebt zu haben. Erstaunlicherweise gaben aber nur auf 30 Prozent der Eltern an, dass sie am Arbeitsplatz von übergeordneter Stelle oder dem Unternehmen selbst, respektive von Kolleginnen oder Kollegen, diskriminiert worden seien. Der etwas grössere Teil von 36 Prozent erlebt Diskriminierung im Kreis der Freunde oder Verwandten. Aus diesem Kreis lässt sich jedoch ein nicht exakt quantifizieren, ob die Diskriminierung auch mit der Erwerbstätigkeit verbunden ist. Die Eltern konnten jedoch eigene Antworten formulieren, die einen klaren Rückschluss zulassen wie: „nur Hausfrau“ oder „Fremdbetreuung“ oder „Kündigung nach Geburt“ sowie den Wiedereinstieg ins Berufsleben.
Ausserdem konnten die Teilnehmende in einer Freitexteingabe erlebte Diskriminierung näher beschreiben. So wurde der direkte und indirekte Zusammenhang von der Elternrolle mit der Erwerbstätigkeit oder eben Nicht-Erwerbstätigkeit deutlich.
An der Befragung nahmen von Mitte bis Ende Juni 2022 insgesamt 102 Personen teil, davon 88 Prozent Mütter und 12 Prozent Väter. Die meisten Teilnehmenden sind erwerbstätig (82 Prozent), etwa ein Viertel zu 80 bis 100 Prozent, der Rest bestätigt die Zahlen des BFS, die eine Teilzeitquote von Müttern von +/- 50 Prozent feststellen. 53 Prozent der Teilnehmenden haben Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren.
Der Spagat
Die Umfrage zeigt: Eltern, insbesondere die Mütter, können es quasi keinem Recht machen, da Unternehmen klare Erwartungen an ihre Rolle haben, die man grob gesagt als 100 Prozent Verfügbarkeit bezeichnen könnte. Umgekehrt erleben Mütter ein Freundes- und Familienumfeld, das die Mutterrolle zu möglichst 100 Prozent einfordert. Wo diese jedoch so gelebt wird, gibt es ebenfalls negative Kommentare. Somit sind besonders die beiden „Extreme“ hundert Prozent erwerbstätig und hundert Prozent Mami besonderen Anfeindungen ausgesetzt, wie folgende Anmerkungen zeigen: „Man gilt als Huschi“, „ich bin nur Mutter“, „Du lässt dein Kind fremdbetreuen?“ oder „Mutter sein und 100 Prozent arbeiten sorgt für viele negative Kommentare“.
Was die Umfrage noch zeigt:
1. Diskriminierung von Eltern und Familie betrifft vor allem Frauen.
Auch wenn die Umfrage nicht repräsentativ ist, bestätigt sie, dass sich Mütter deutlich stärker für Eltern- und Familienthemen interessieren. Ähnlich ist dies beim Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die ebenso als „Frauenthema“ in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Medien gehandelt wird. Weiterhin zitieren Berichte zur Diskriminierung von Eltern im Beruf praktisch nur Beispiele von Frauen. So gesehen ist nicht nur die Vereinbarkeit vor allem ein Frauenthema in der Schweiz, sondern auch die Familie an sich und deren Diskriminierung. Aus dieser „gesellschaftlichen Zuständigkeit“ der Frauen für die Familie muss bei der Diskriminierung der Eltern deshalb auch auf eine Diskriminierung der Familie geschlossen werden.
2. Es gibt zwei Elterngruppen, die für Diskriminierung besonders anfällig sind.
Das betrifft vor allem Eltern von drei oder mehr Kindern sowie Einelternfamilien. Dies geht aus den individuellen Statements klar hervor und deckt sich leider mit einem anderen Befund des Bundesamtes für Statistik (BFS), der zeigt, dass genau diese beiden Familienformen signifikant stärker von Armut betroffen sind als andere Familien. Alleinerziehende und Mehrkindfamilien haben in der Schweiz somit in zweifacher Weise einen schweren Stand. Ihnen mangelt es augenscheinlich an gesellschaftlicher und staatlicher Unterstützung.
3. Die gesellschaftliche Diskussion wird von Vorurteilen und Fehlinformationen bestimmt.
So erlebte zum Beispiel eine Umfrageteilnehmerin, die ihre Kinder nicht den ganzen Tag fremd betreuen lässt, dass sie als „beschränkt, dumm und als nicht eigenständige Person oder Frau“ abqualifiziert wurde. Der Vorwurf „Kinder können sich nicht genügend sozial entwickeln, wenn sie nicht fremd betreut sind“ wird mehrmals als erlebte Diskriminierung genannt. Ein Vorwurf, der in dieser Pauschalität unberechtigt ist. Kinder in Grossfamilien, die nicht fremd betreut werden, entwickeln sich häufig sogar sozial besser. Gleichzeitig kann die Fremdbetreuung vielen Kindern wichtige, für manche sogar entscheidende Impulse zur sozialen Entwicklung geben, zum Beispiel wenn es um die sprachliche Integration geht. „Schliesslich sind Kinder immer wieder krank“ ist eine weitere sehr stark verbreitete Annahme.
Ja, Kinder sind krank und Eltern fehlen deshalb am Arbeitsplatz. Die Coop Zeitung zitiert diesbezüglich eine Studie aus Deutschland, die dies genau beziffert: Zwei bis drei Arbeitstage fehlen Eltern mit Familienverantwortung mehr im Jahr als Kinderlose, aber nur solange die Absenz von Arbeitnehmenden unter vierzig Jahren gemessen wird. Denn genau ab diesem Zeitpunkt dreht sich das Verhältnis ins Gegenteil: In der Altersgruppe der 50 bis 60-Jährigen beziehen Arbeitnehmende ohne Kinder sogar 5 bis 7 mehr Krankheitstage pro Jahr als Eltern. Dazu zitiert die Zeitung aus der Studie noch weitere Vorteile, die Eltern den Unternehmen bringen: „Aufgrund ihrer Doppelrolle verfügen insbesondere Mütter über viele Eigenschaften, die auch im beruflichen Alltag von Vorteil sind: So haben sie weniger Probleme mit Multitasking und sind besonders gut organisiert, effizient, flexibel und nervenstark“.
Zuletzt sei auch noch ein Klassiker genannt, der sich wider besseres Wissen hartnäckig in der Gesellschaft hält: „Hausfrauenarbeit ist keine richtige Arbeit“.
4. Diskriminierung von Eltern ist keine Bagatelle, sondern stellt eine massive Grenzüberschreitung dar, die im Einzelfall juristisch bewertet werden sollte.
Zum Beispiel:
· Wenn einer Mutter das Stellenpensum gestrichen wird, weil „ihr Mann ja verdient“.
· Wenn aus gleichen oder ähnlichen Gründen Beförderungen verwehrt werden.
· Wenn der Chef fragt, ob man mit drei Kindern noch arbeiten könne.
· Wenn Kolleginnen und Kollegen vor dem freien Tag von Teilzeitarbeitenden sagen: „schöne Ferien!“
· Wenn die Frage gestellt wird, „warum man unbedingt Kinder haben muss, wenn man diese doch fremd betreuen lässt“.
· Wenn einer Mutter gesagt wird: „was, du bist nur Hausfrau und Mutter? Wie unbefriedigend ist denn so ein Leben!“
Der Artikel wurde am 26. Juli 2022 bei „Schweizerische Stiftung für die Familie“ veröffentlicht. Die Publikation bei Zukunft CH erfolgt mit freundlicher Genehmigung der „Schweizerischen Stiftung für die Familie“.