Mit ihrer Maturaarbeit mit dem Titel „Politische Neutralität im Unterricht“ haben drei Schüler der Kantonsschule Baden im letzten Jahr eine Lawine losgetreten. Diese hat bis heute nicht zu rollen aufgehört. Nun sollen die Aargauer Gymnasien auf ihre politische Neutralität untersucht werden, berichtet der Nebelspalter am 4. März 2023. In weiteren Kantonen ist die Idee einer Untersuchung deponiert.
Das Thema „politische Neutralität“ begleitet Mick Biesuz, Jan Suter und Fabian Zehnder laut eigenen Aussagen beinahe schon seit dem Beginn ihrer Schulzeit. Seit ungefähr fünf Jahren sind die drei ehemaligen Badener Kantonsschüler politisch aktiv und Mitglieder der Jungfreisinnigen. „Vor allem an der Bezirksschule, welche wir in Baden besuchten, wurde uns klar, dass die politische Meinung der Lehrkräfte teilweise stark durchdrang und auch den Unterricht in Mitleidenschaft ziehen konnte“, erklären die drei Verfasser in ihrer Maturaarbeit (abrufbar unter dem Twitter-Account von Mick Biesuz).
An der Kantonsschule Baden haben die drei insbesondere in den ersten Jahren Erfahrungen mit politisch gefärbtem Unterricht gemacht. Die Kanti Baden habe sich in den letzten Jahren des Öfteren in aller Öffentlichkeit positiv gegenüber Bewegungen gezeigt, die vor allem von linker Seite Beifall erhalten. Weil die Kanti Baden keinen Handlungsbedarf sah, machten die drei Schüler es kurzerhand zum Inhalt ihrer Maturaarbeit, die vielbeschworene „politische Neutralität“ der Aargauer Schulen zu messen und herauszufinden, ob anderen Mittelschüler die gleiche Erfahrung machen oder machten.
Um ein repräsentatives Ergebnis zu erzielen, führten die Maturanden vom 14. Mai 2021 bis zum 14. Juni 2021 über Microsoft Forms eine breitangelegte Umfrage durch. Diese wurde an insgesamt ca. 3650 Schüler geschickt, von denen 530 ihre Antworten absendeten. Dies entspricht einer sehr guten Rücklaufquote von 14,57 Prozent. (Eine Rücklaufquote von über 10 Prozent wird bei einer Umfrage in diesem Stil in der Wissenschaft als statistisch repräsentativ angesehen.)
Starker Linksdrall in Englisch, Deutsch und Biologie
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen in aller Deutlichkeit auf, dass der Verdacht auf politische Voreingenommenheit nicht aus der Luft gegriffen ist: Je rechter die politische Orientierung der befragten Schülerinnen und Schüler ist, desto weniger denken die Befragten, dass die Schule ihrem Auftrag der politischen Neutralität nachkommt. Auffallend ist zudem, dass „linke“ Schüler die Schule als besonders neutral sehen, und zwar deutlich neutraler als die politisch Uninteressierten. Je höher die Stufe, desto weniger hatten die Kantonsschüler das Gefühl, die Schule komme ihrem Auftrag zur politischen Neutralität nach.
Insgesamt empfanden Männer die politische Beeinflussung zudem stärker als die befragten Frauen. Interessant ist weiter, in welchen Fächern die Schüler politische Haltungen als besonders ausgeprägt empfinden: Ganz oben auf der Skala stehen bei den männlichen Befragten die Fächer Deutsch und Englisch mit 72 Prozent „links“ oder „eher links“, beim Fach Biologie sind es noch 68 Prozent und bei Geschichte 61 Prozent. Nach den Inhalten der Unterrichtsfächer befragt, wurden in Englisch und in Geschichte 41 Prozent als „links“ und nur 3 Prozent als „rechts“ beurteilt. In Geografie wurden 39 Prozent der Inhalte als „links“ und 8 Prozent als „rechts“ eingestuft, in Deutsch waren noch es 31 Prozent „linke“ und 3 Prozent „rechte“ Inhalte.
Alarmierende Kommentare
Die Verfasser der Maturaarbeit erhielten im Rahmen ihrer Umfrage 111 Kommentare, von denen sie einige als äusserst alarmierend beurteilen. So sprachen Schülerinnen und Schüler gehäuft davon, dass sie schlechtere Noten erhalten würden, weil sie eine andere Meinung vertreten als ihre Lehrperson. Eine der eingegangenen Rückmeldungen lautet: „Man wird an der Kanti Baden aufgrund nicht deckungsgleicher Meinung notenmässig diskriminiert, z.B. in Aufsätzen“. Ein anderer Schüler schreibt: „Mir ist vor allem aufgefallen, dass nicht nur Schüler, sondern Lehrpersonen oftmals herabschauend über die Rechten sprechen. Dies kann zu einer ablehnenden Haltung gegenüber rechten Parteien führen und fördert das linke Gedankengut.“
„Kantonschule Baden präsentiert sich in den letzten Jahren sehr links. Sogar die grünen Handbücher, die die Schülern Anfang der Schule bekommen, sind voller BLM (Black Lives Matters) und Klimastreikbildern dekoriert. Ausserdem sah ich viele Plakate in der Schule aufgehängt, die sich mit linken Themen, wie Frauenrechte, Klima und Homosexualität beschäftigen“, lautete eine andere Rückmeldung.
Aargau selbstkritischer als Zürich
Während der Aargauer Grosse Rat eine Umfrage in Auftrag gegeben hat, um die politische Neutralität seiner Kantonsschulen zu überprüfen, hat der Zürcher Kantonsrat sich klar gegen solche Untersuchungen ausgesprochen. Und zwar mit der Begründung, es gebe in Zürich kein solches Problem. Zu dieser Zürcherischen Selbstbeurteilung schreibt Mick Biesuz am 4. März 2023 im Nebelspalter: „Ironischerweise haben sie recht: Die Situation ist noch schlimmer.“
Bezug nimmt Biesuz mit dieser Aussage u.a. auf die Zürcher Schulbesetzungen: „Wenn Schulen offen Besetzungen der Klimaextremisten tolerieren, wird eine Grenze überschritten“, findet Biesuz, der nach Abschluss der Maturität die RS absolvierte und unterdessen in die Offizierschule eingetreten ist. „Die antiautoritäre Erziehung in der Schule hat zu einer Tendenz geführt, die das Verbiegen der politischen Neutralität des Bildungswesens nicht mehr als Übel ansieht, sondern stolz dazu steht“, so Biesuz.
Wie in staatlichen Bildungseinrichtungen je nach weltanschaulicher Tendenz mit zweierlei Mass gemessen wird: Fall FHSG: Meinungsterror unter dem Regenbogen