Ein Rechtsanwalt und eine Juristin legen dar, dass eine interne Weisung des Genfer Erziehungsdepartements DIP die soziale Transition minderjähriger Jugendlicher ohne elterliche Zustimmung möglich macht. Das DIP widerspricht der Kritik und setzt auf Verzögerungstaktik.
Verletzt die Genfer Schule bei der Begleitung von Kindern und Jugendlichen, die eine Geschlechtsumwandlung anstreben, die Elternrechte? Anwalt Jean-Bernard Waeber und die Juristin Shirin Hatam haben eine Weisung des Genfer Erziehungsdepartements (DIP) einer juristischen Expertise unterzogen. Wie „Le Temps“ am 29. März 2023 berichtete, kommen die Rechtswissenschaftler zum Schluss, dass das Vorgehen der Genfer Schulen tatsächlich gegen das Gesetz verstösst; und zwar, weil es das elterliche Sorgerecht nicht respektiert.
„Konkret sieht das DIP vor, dass der soziale Übergang eines Schülers durchgeführt werden kann, ohne dass die Eltern ihre Zustimmung geben oder auch nur über den Vorgang informiert werden“, erklären Jean-Bernhard Waeber und Shirin Hatam. Die beiden Juristen wandten sich aufgrund ihrer Expertise an die Jugendgesundheitsabteilung der Genfer Universitätsspitäler (HUG), um eine offene und tabulose Debatte über das Thema „Soziale Transition bei minderjährigen Schülern“ anzuregen.
Eltern verpflichtet, an der Transition mitzuwirken
Die Weisung des DIP richtet sich an Schulleitungen. Sie regelt die Begleitung sogenannter „nicht binärer“ Schülerinnen und Schüler bei ihrem sozialen Übergang im schulischen Umfeld. Dabei geht es insbesondere darum, Peers und Lehrkräfte über eine Namensänderung zu informieren und alle Vorkehrungen zu treffen, um mögliche Diskriminierungen zu vermeiden. Das Handlungspapier weist Lehrer an, entsprechende Anliegen von Schülern „ohne Verurteilung oder Infragestellung aufzunehmen“. Das Zuhören müsse „aktiv, wohlwollend und auf die Bedürfnisse des Schülers ausgerichtet“ sein.
Im Anschluss an das Outing des Schülers soll nach Anweisung des DIP ein Betreuungskonzept ausgearbeitet werden. Die Eltern, so die Weisung des DIP, „sind verpflichtet, in angemessener Weise mitzuwirken“. Konkret bedeutet diese Mitwirkung, dass von Eltern Zustimmung zur sozialen Transition einfordert wird. Erteilen sie diese nicht, wird die Transition trotzdem vorangetrieben. Die Eltern werden vom Prozess ausgeschlossen, weil für die Schulbehörde die Meinung des Kindes ausschlaggebend ist.
Eltern als rückständig und transphob abgestempelt
Juristin Shirin Hatam erklärt zu dieser Vorgehensweise: „Was mich schockiert, ist, dass man davon ausgeht, dass der Staat alles besser machen könnte und unbedingt besser und in jedem Fall weiss, was für einen Jugendlichen gut ist.“ Wenn Eltern Vorbehalte haben oder Fragen stellen, werden sie laut Hatam als rückständig und transphob abgestempelt. Das geschieht, obwohl sie ihr Kind besser kennen als jeder andere.
In ihren Augen ist das Recht jedoch eindeutig: Der Staat kann die elterliche Sorge nicht ersetzen, es sei denn, es handelt sich um eine nachweisliche Misshandlung. Das DIP legt zwar fest, dass die Zustimmung des Schülers in jeder Phase des Projekts eingeholt werden muss. Doch das Alter, ab dem der Schüler entscheiden kann, was für ihn gut ist, wird nicht klar definiert. Die Volljährigkeit mag zwar offiziell bei 18 Jahren liegen. In der medizinischen Praxis ist die Situation jedoch unklarer. Die Urteilsfähigkeit und das Alter der Zustimmung werden in der Regel bei 16 Jahren festgelegt.
Fehlende Rechtshilfe
Waeber und Hatam kritisieren in ihrer Expertise auch die Unverhältnismässigkeit der Vorgaben. Dass Eltern sich gegen ein Nachsitzen von zwei Stunden wehren können, jedoch nicht gegen Massnahmen vorgehen können, die das Leben ihres Kindes verändern könnte, sei stossend.
Meinung der Eltern wird übergangen
Das DIP weist die Kritik der beiden Experten zurück und hält sich bedeckt. Das Konzept, das in der Gleichstellungsplattform des Departements erarbeitet worden sei, stehe im Einklang mit internationalem und nationalem Recht. „Da die Erkenntnisse zu diesem Thema immer im Fluss sind, wird am Ende des Schuljahres eine Bilanz gezogen und die Weisung gegebenenfalls überarbeitet werden“, erklärt der Sprecher des DIP, Pierre-Antoine Preti.
Das DIP hat keine Zahlen über die Anzahl der sozialen Transitionen. Und die Genfer Schule bestreitet, dass sie die Autorität der Eltern überschreitet, die „wesentliche Partner“ in jedem Schulprozess seien. „Ihre Meinung wird berücksichtigt und mit dem Schüler besprochen“. Die Schüler würden von den Fachleuten des medizinisch-psycho-sozialen Teams, die einen neutralen Blick auf die Frage der Transidentität haben, beraten. Massnahmen zur Gewährleistung geeigneten Lösungen für den Übergang (z.B. Verwendung eines in der Klasse gebräuchlichen Vornamens) können laut Preti jedoch auch dann verfolgt werden, wenn sie nicht auf die Zustimmung der Eltern stossen. Dies müsse – so Preti – jedoch eindeutig die Ausnahme bleiben.
Outings hinter dem Rücken der Erziehungsberechtigten?
Jérôme*, ein 50-jähriger Genfer, hat die Erfahrung gemacht, dass seine Einschätzung als Vater nicht respektiert wurde. Im Jahr 2020 erwog seine 16-jährige Tochter den Weg einer Transition, bevor sie sich letztendlich dann jedoch dagegen entschied. In Partnerschaft mit dem Verein „Le Refuge“, der sich für die Rechte von LGBTQI+ Jugendlichen einsetzt, organisierte die Schule hinter Jerómes Rücken die soziale Transition seiner Tochter.
Das geplante Coming-out vor der Klasse fand schliesslich zwar nicht statt, doch die Bitterkeit bleibt. „Während all diesen Monaten hat mich die Schule nie darüber informiert, was vor sich ging, obwohl eine (amtliche) Namensänderung alles andere als ein harmloser Akt ist“, sagt Jérôme. Und er fährt fort: „Die Meinung der Eltern bleibt eine vernachlässigte Variable in der Debatte. Die Botschaft der Schule lautet: „Wenn es mit euch nicht geht, geht es ohne euch. Die Kinder bekommen Antworten, bevor sie sich selbst Fragen gestellt haben. Meine Tochter wurde von A bis Z betreut, die Schule applaudierte ihr und drängte sie, das ‚volle Paket‘ zu nehmen. Als sie anfing, an dieser Entscheidung zu zweifeln, war es für sie schwer, wieder zurückzugehen.“
Um Kinder und Jugendliche vor irreversiblen Schäden zu bewahren, sensibilisiert Zukunft CH die Schweizer Bevölkerung, Ärzte und Politiker mit einem sechsseitigen Infobulletin zum Thema „Trans“-Kinder. Weiter hat die Zukunft CH eine Protestkarten-Aktion lanciert, die verlangt, dass geschlechtsverändernde Eingriffe an Minderjährigen in der Schweiz verboten werden.
Infobulletin sowie Protestkarten können unter 052 268 65 00 oder via Bestellformular bestellt werden.