Von Frau zu Mann, und dann wieder von Mann zu Frau. Diesen ungewöhnlichen Weg hat die 35-jährige Meli S. hinter sich. Elf Jahre lang trug sie Bart, trainierte ihre Muskeln und lebte als Transmann. Doch im letzten Sommer setzte sie die Testosteron-Infusionen, die für diese Existenz nötig waren, ab.
Von Alex Reichmuth
Im Gespräch mit dem „Nebelspalter“ macht Meli S. gleich zu Beginn klar: Ihren Wert als Frau und Mensch beziehe sie heute aus ihrem Glauben. Die Beziehung zu Gott habe sie gerettet. Das müsse im Porträt über sie prominent zur Sprache kommen.
„Heute geht es mir sehr gut“, sagt Meli S. „Gott liebt mich, wie ich bin, nämlich als Frau.“ Die längste Zeit ihres Lebens stand das Glück nicht auf ihrer Seite. Heute hat sie zwar keine Brüste mehr, stattdessen aber die Gewissheit, gut genug zu sein – egal, in welchem Körper.
Der Stimmbruch setze ein und die Barthaare begannen zu wachsen
Meli S. wuchs in der Ostschweiz auf, als Mädchen. Seit der frühen Kindheit verfolgte sie das Gefühl, nicht zu genügen. „Ich habe ständig Ablehnung erfahren, fand keinen Anschluss und wurde gemobbt.“ Auch interessierte sie sich schon früh für Bubensachen, tollte als Kind im Wald herum und unterdrückte ihre weiblichen Züge.
„Ich wollte kein Mädchen sein“, erinnert sich Meli S. Als Jugendliche reifte in ihr die Überzeugung, im falschen Körper zu sein. Dazu beigetragen habe eine gescheiterte Liebesbeziehung zu einer jungen Frau. „Sie wollte nicht zu mir stehen, weil sie nicht lesbisch erscheinen wollte. Das gab mir erneut das Gefühl nicht zu genügen“, sagt Meli S. „Ich glaubte damals, dass die Beziehung funktioniert hätte, wenn ich ein Mann gewesen wäre.“
Im Alter von 23 Jahren machte Meli S. ernst. Sie ging zu einem Psychiater, der ihr nach nur einer Viertelstunde die notwendige Bestätigung ausstellte, dass sie trans sei. Sie begann, Hormone zu nehmen. Sie liess sich ihre Brüste entfernen. Der Stimmbruch setzte ein. Die Barthaare begannen zu wachsen. Aus Meli wurde André.
André S. fühlte sich gut – aber nur drei Monate lang
Die Reaktionen auf diese Transformationen waren geteilt. Der Vater, die Mutter und die Schwester akzeptierten André. Der Bruder nicht. Manche Tanten, Onkel und Cousins brachen den Kontakt ab. Stillschweigend.
André S. fühlte sich gut. Genau drei Monate lang. Dann holte ihn das Unglück wieder ein. „Ich realisierte, dass mein Selbstwertgefühl durch die Geschlechtsumwandlung nicht besser geworden war“, sagt Meli S. „Das war eine grosse Ernüchterung.“
Dennoch schickte sich André S. in die neue Existenz als Mann. Er versuchte, die nagenden Zweifel zu verdrängen. Und das neue Leben zu geniessen. „I-c-h b-i-n g-l-ü-c-k-l-i-c-h, hämmerte ich mir ein.“
Monate vergingen, Jahre vergingen. André S., der sich nun heterosexuell wähnte, lebte eine Beziehung zu einer Frau. Doch die Beziehung ging in die Brüche. André S., gelernter Kinderbetreuer, machte sich selbständig, als Tagespapi. Doch nach zwei Jahren wurde das Geld knapp.
André S. wurde klar, dass er zurückwollte in ein Leben als Frau
„Es war keine gute Zeit“, sagt Meli S. heute. „Es gab viel Stress.“ Vor allem sei André S. nicht im Reinen mit sich selbst gewesen. „Ich hatte aber niemanden, dem ich mich anvertrauen konnte.“
André S. besuchte einen Stammtisch für Transmänner. Hätte er hier klarmachen sollen, dass ihn seine Geschlechtsumwandlung nicht glücklich gemacht hatte? Es schien undenkbar.
Beruflich konnte sich André S. fangen. Er arbeitete wie früher wieder in einer Kita. Und dann passierte etwas Wichtiges: Der Transmann begann, die Bibel zu studieren. Er gehörte einige Zeit einer Freikirche an, später besuchte er eine Bibelgruppe.
Allmählich gelangte André S. zu einer Erkenntnis: „Ich spürte, dass Gott mich so wollte, wie er mich geschaffen hatte. Als Frau.“ Immer mehr wurde André S. klar, dass er zurückwollte. Zurück in ein Leben als Frau.
„Ich realisierte, dass man als Frau keine Tussi sein muss“
Doch bis zum Outing dauerte es noch lange. Zu sehr fürchtete sich André S. vor den Reaktionen, wenn er nun erneut einen Geschlechtswechsel bekanntgeben sollte.
Schliesslich vertraute sich André S. einer Kollegin in der Gebetsgruppe an. Und las das Buch „Tochter Gottes, erhebe Dich!“ von Inka Hammond. „Ich realisierte, dass man als Frau keine Tussi sein muss, sondern stark sein kann“, so Meli S. „Dieses Frauenbild gefiel mir, und ich konnte mich zum ersten Mal als Frau identifizieren.“
Als Ort für das zweite Outing wählte André S. die Bibelgruppe. „Ich heisse Meli“, teilte sie mit. Und, oh Wunder: Niemand habe sie abgelehnt. „Das war eine extrem befreiende Erfahrung.“
Heute sei ihr klar, warum sie als Mädchen ein Bub sein wollte, sagt Meli S. „Ich wollte meinem Vater gefallen, wie alle Töchter. Aber er gab sich lieber mit Buben ab. Also nahm ich an, als Mädchen nicht zu genügen.“ Meli S. ist überzeugt, dass es vielen Transmänner ähnlich ergangen sei. „Ich kenne persönlich keinen einzigen von ihnen, der ein gutes Verhältnis zum Vater hat.“
„Beim Transmänner-Stammtisch galt ich als Verräterin.“
Überhaupt steht Meli S. heute dem Trend, dass immer mehr Menschen ihr Geschlecht ändern, kritisch gegenüber. „An seinem Körper herumschneiden, ändert nichts am Seelenschmerz, den man empfindet.“ Statt Menschen mit einer sogenannten Geschlechtsdysphorie Hormone zu verabreichen, würde man sich besser mit ihren seelischen Verletzungen befassen.
„Mein Glaube sagt mir, dass wir aus einem Grund so geschaffen sind, wie wir sind“, betont Meli S. Es sei wichtig, den Menschen Wertschätzung entgegenzubringen. Das würde ihnen mehr helfen, als Geschlechtsumwandlungen zu empfehlen. Wichtig sei auch, vom heute vorherrschenden stereotypen Blick auf die Geschlechterrollen abzukommen. „Mädchen müssen nicht zwingend rosa Puppen lieben.“
Die Rückverwandlung vom Transmann zur Frau, von André zu Meli, wurde nicht von allen akzeptiert. „Beim Transmänner-Stammtisch, den ich jahrelang besucht hatte, erachteten mich viele als Verräterin.“ Überhaupt habe sie die LGBTQ-Community als sehr intolerant erlebt.
„Heute könnte ich sogar wieder schwanger werden“
All das habe sie aber kaum gekümmert. „Ich fühle mich heute gefestigt in meiner Identität als Frau“, sagt Meli S. Nachdem sie im letzten Sommer die Hormone abgesetzt hatte, kam ihre Periode zurück. Ihre Eierstöcke, die ein Arzt einst als „verkümmert“ bezeichnet hatte, erholten sich. „Heute könnte ich sogar wieder schwanger werden.“
Doch das spiele für sie keine grosse Rolle, sagt Meli S. Es sei der Glaube, der zähle. „Ich vertraue Gott.“
Der Text erschien am 26. Mai 2023. Mit freundlicher Genehmigung des Nebelspalter
Zukunft CH hat eine Protestkartenaktion ins Leben gerufen, damit in der Schweiz geschlechtsverändernde Eingriffe an Minderjährigen endlich verboten werden. Die Protestkarten können unter 052 268 65 00 oder via Bestellformular bestellt werden. Machen Sie mit und schicken Sie die Protestkarte an Bundesrat Alain Berset!
Mehr zur Aktion unter: Protestkarten-Aktion