Bei einer Kundgebung in Hamburg am 27. April 2024 haben radikale Muslime die Einführung eines Kalifats gefordert. Die Veranstaltung, die im Stadtteil St. Georg stattfand, zog mehr als 1000 Teilnehmer an. Auf Plakaten waren Slogans wie „Deutschland = Wertediktatur“ und „Kalifat ist die Lösung“ zu lesen.
Die Bilder aus Hamburg erinnern an ähnliche Ereignisse im November 2023, als rund 3000 Demonstranten in Essen ein Kalifat forderten und gegen Israel hetzten. Nun, ein halbes Jahr später, äussern etwa 1100 Demonstranten in Hamburg dieselben Forderungen.
Die Veranstalter dieser Demonstrationen sind Mitglieder der Gruppierung „Muslim Interaktiv“ (MI), die im Jahr 2020 gegründet wurde. Deutsche Sicherheitsbehörden ordnen sie dem ideologischen Umfeld der international tätigen islamischen Organisation „Hizb ut-Tharir“ (Partei der Befreiung) zu. Diese Gruppierung hat ihre Wurzeln in der Muslimbruderschaft, die bereits seit 2003 in Deutschland verboten ist.
Gemäss dem Hamburger Verfassungsschutz umfassen die Ziele von „MI“ nicht nur die Forderung nach einem Kalifat. Sie warnen auch vor einer vermeintlichen Hetzkampagne Deutschlands gegen Muslime. Die „MI“ ist besonders in den sozialen Netzwerken aktiv und nutzt gesellschaftlich relevante Themen, um eine angebliche Ablehnungshaltung der Politik und Gesellschaft gegenüber der gesamten muslimischen Community darzustellen. In seinem Bericht stuft der Hamburger Verfassungsschutz die Gruppe als „gesichert extremistisch“ ein.
Die Demonstration sorgt für eine erneute Debatte über den Umgang mit extremistischen Gruppen in Deutschland und die Gefahren, die von ihnen ausgehen.
Aus unserer Broschüre „Kleines Islamlexikon“:
Kalif/Kalifat
Nach Mohammeds Tod (632) wurde sein Mitstreiter Abu Bakr zum Nachfolger (arab. chalifa) gewählt. Als Kalif übernahm er die politische und religiöse Führung der muslimischen Gemeinschaft, der Umma. Mohammeds Prophetenamt erlosch jedoch, weshalb der Islam nach ihm keine neuen Offenbarungen mehr kennt. Die Kalifen wurden zu einer Art islamische Kaiser und Päpste in einer Person. Dem Kalifen obliegt auch die Vorbereitung und Führung des Dschihads. Nach den ersten drei Wahlkalifen, den sogenannten „rechtgeleiteten“ Kalifen, beanspruchte Mohammeds Schwiegersohn Ali mit seinen Söhnen ein Erbkalifat. Das führte zur Abspaltung der Schiiten.
Bei den sunnitischen Muslimen blieb das Wahlkalifat im Prinzip erhalten, doch wurde es in der Praxis ebenfalls in Herrscherdynastien (Ommajaden, Abbasiden usw.) erblich. Am längsten war das Kalifat mit der Person des osmanischen Türkensultans von 1517 bis 1922 verbunden. Atatürk (der Gründer der heutigen Türkei), der den letzten Sultan aus Istanbul vertrieb, liess das Kalifat zunächst noch bestehen, schaffte es aber bald ab. Heute erheben v.a. die Könige von Saudi-Arabien Anspruch auf die Kalifenwürde.
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