Auch wenn die WHO beim Pandemievertrag vorerst keine Einigung erzielte, wurden die weitaus gefährlicheren Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften von der Weltgesundheitsversammlung am 1. Juni 2024 in Genf angenommen. Wie geht es nun weiter? Was bedeutet das Ende der WHO-Vertragsverhandlungen für die Schweiz?

Von Ralph Studer

Der Ausgang der 77. Weltgesundheitsversammlung (WHA) in Genf war überraschend. Im Vorfeld zur WHA, welche vom 27. Mai bis 1. Juni 2024 dauerte, verkündete die WHO, dass sie sowohl beim Pandemievertrag als auch bei den Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) keine Einigung erzielt habe. Deshalb könne sie keinen Text zur Abstimmung unterbreiten. Am letzten Verhandlungstag wurde dann doch noch der erst kurz zuvor finalisierte IGV-Text der WHA zur Abstimmung vorgelegt – und wurde prompt in einem „Kurzverfahren“ angenommen.

WHO verstösst gegen eigenes Recht

Mit diesem Vorgehen hat die WHO gegen ihr eigenes Recht verstossen: Art. 55 Abs. 2 IGV hält ausdrücklich fest, dass Änderungsvorschläge spätestens vier Monate vor der Abstimmung der WHA in ihrer endgültigen Fassung vorzulegen sind. Diese Bestimmung hinderte allerdings die Arbeitsgruppe IGV (WGHIR) nicht daran, bis zu den WHA-Verhandlungen von Ende Mai 2024 weiter zu verhandeln und die finalisierte IGV-Version den Mitgliedstaaten erst am 1. Juni 2024 zu unterbreiten.

Dass die WHO sich nicht an die eigenen Vorschriften hält, ist die eine Sache. Warum die Mitgliedstaaten der WHO gegen dieses rechtswidrige Vorgehen nicht lautstark protestierten, ist eine andere. Dieser Protest wäre umso notwendiger, als nicht nur Art. 55 Abs. 2 IGV verletzt wurde. Dieses rechtswidrige Verhalten endete letztlich in einer „Blitzabstimmung“, die zur Annahme der IGV-Änderungen führte. Diese nun verabschiedeten IGV haben es in sich. Denn sie gefährden die Freiheit der Bürger und die Souveränität der Staaten. Darauf weist Zukunft CH schon länger hin und auch ein Rechtsgutachten bestätigt diese Tatsache.

Durch dieses Verhalten hat die WHO weiter an Glaubwürdigkeit eingebüsst. Doch auch das Verhalten der Delegierten der jeweiligen WHO-Mitgliedstaaten und hier notabene der Schweizer Delegation ist kritisch zu hinterfragen. Dies umso mehr, als es doch deren Aufgabe wäre, sich für die Souveränität der Schweiz und die Freiheit der Bürger einzusetzen und diese zu schützen.

„Pandemischer Notfall“

Werfen wir einen Blick auf die neuen IGV. Diese enthalten nun die Definition eines „pandemischen Notfalls“. Nach dieser Definition ist eine Pandemie „eine übertragbare Krankheit, die sich geografisch weit in mehreren Staaten ausbreitet oder bei der ein hohes Risiko besteht, dass sie sich in mehreren Staaten ausbreitet. Eine Pandemie, welche die Kapazitäten der Gesundheitssysteme in diesen Staaten übersteigt oder bei der ein hohes Risiko besteht, dass sie diese übersteigt; die erhebliche soziale und/oder wirtschaftliche Störungen verursacht oder bei der ein hohes Risiko besteht, dass sie erhebliche soziale und/oder wirtschaftliche Störungen verursacht, einschliesslich der Störung des internationalen Verkehrs und Handels. Eine Pandemie, die ein rasches, gerechtes und verstärktes koordiniertes internationales Handeln mit Ansätzen für die gesamte Regierung und die gesamte Gesellschaft erfordert“.

Ein „hohes Risiko“ kann zu einem Gesundheitsnotfall führen, der alle weiteren Massnahmen, die in den IGV vorgesehen sind, zur Folge haben kann. Und die entscheidende Frage ist: Wer bestimmt, wann ein „hohes Risiko“ vorliegt?

Nationale Zweigstellen der WHO?

Zudem sind die Staaten nun verpflichtet, neue staatliche Behörden zur Umsetzung der IGV zu schaffen. Das Aktionsbündnis freie Schweiz (ABF) analysiert: „Die IGV sprechen von ‚Nationalen IGV-Behörden‘ (‚National IHR Authority‘), welche die Umsetzung der IGV zu koordinieren haben, und von ‚nationalen IGV-Kontaktstellen‘ (‚National IHR Focal Point‘). Diese Kontaktstellen müssen jederzeit für die ‚WHO IHR Contact Points‘ erreichbar sein. Damit werden die Staaten verpflichtet, einerseits Informationen und Daten an die WHO weiterzuleiten und andererseits permanente Krisenstäbe zu etablieren. Die Schweiz hat hier in ‚weiser‘ Voraussicht bereits vorgesorgt: Mitte Mai hat der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zur Verordnung über die Krisenorganisation (KOBV) eröffnet.

Sollten die Staaten in diesem Punkt darauf hinweisen, dass sie bei der Errichtung dieser innerstaatlichen Behörden in der Umsetzung souverän bleiben, wäre das eine Verschleierung der tatsächlichen Umstände. Denn die ‚Befehle‘ werden nach der Umsetzung der IGV in nationales Recht von der WHO kommen. Es sind also im Grunde nationale Zweigstellen der WHO, was aber nicht direkt sichtbar sein soll.“

Ausweitung der „relevanten Gesundheitsprodukte“

Die IGV legen überdies fest, was relevante Gesundheitsprodukte („relevant health products“) sind. ABF Schweiz zeigt auch hier deutlich die dahinterstehende Problematik:

„Mit diesen Gesundheitsprodukten soll in Gesundheitsnotlagen, einschliesslich Pandemien, gearbeitet werden. Darunter fallen Arzneimittel, Impfstoffe, Diagnostika, Medizinprodukte, Produkte zur Vektorkontrolle, persönliche Schutzausrüstungen, Dekontaminierungsprodukte, Hilfsmittel, Gegenmittel, zell- und genbasierte Therapien und andere Gesundheitstechnologien. Was hier vielleicht plausibel und harmlos klingt, ist eine ganz wesentliche und kritische Erweiterung der Definition der relevanten Gesundheitsprodukte. Denn es bedeutet im Klartext, dass man uns zwingen will, in jedem von der WHO selbst deklarierten Gesundheitsnotstand zell- und genbasierte Therapien an uns selbst zuzulassen. Und hier sei angemerkt, dass die COVID-Impfung, basierend auf der mRNA-Technologie, eben genau eine solche Therapie war und auch heute noch immer ist. Die Nebenwirkungen dieser ‚Therapien‘ sind inzwischen weltweit sichtbar und kausal belegt.“

Obligatorisches Referendum?

Abgesehen davon finden sich u.a. Teile des vorerst nicht zustande gekommenen Pandemievertrags nun neu in Art. 13ff. IGV. Auch wenn die nun verabschiedeten IGV noch genauer zu prüfen sind, kann bereits jetzt gesagt werden, dass sie weitreichende und einschneidende Eingriffe in die Souveränität der Schweiz und die von der Bundesverfassung garantierten Freiheitsrechte zur Folge haben. Sie sind deshalb in jedem Fall dem Parlament zur Abstimmung zu unterbreiten, unter Einbezug des fakultativen Referendums.

Aufgrund der beträchtlichen Auswirkungen der IGV stellt sich überdies die vertieft zu prüfende Frage, ob diese nicht sogar dem obligatorischen Referendum unterstehen. Dann müssten die IGV zwingend Volk und Ständen zur Abstimmung vorgelegt werden.

Widerspruchsrecht des Bundesrats kann IGV noch verhindern

Mit der Annahme dieser IGV-Änderungen durch die WHA werden diese in einem Jahr – per1. Juni 2025 – automatisch für die Schweiz als WHO-Mitgliedstaat in Kraft treten, wenn die Schweiz nicht innert der nächsten zehn Monate Widerspruch einlegt. Zukunft CH fordert daher den Bundesrat in einem offenen Brief auf, sein Widerspruchsrecht gegen diese gravierenden IGV auszuüben und die Ablehnung der Änderungen gegenüber der WHO zu erklären (sog. „Opting-out“). Eine entsprechende Petition mit dieser Forderung läuft bereits.

Nun liegt es in der Verantwortung des Parlaments, das die Oberaufsicht über den Bundesrat ausübt, darauf hinzuwirken, dass der Bundesrat sein Widerspruchsrecht fristgerecht ausübt und die Änderungen ablehnt. Denn nur so kann anschliessend der Überprüfungsprozess nach rechtsstaatlichen Grundsätzen im Parlament erfolgen.