Olympische Spiele sollten dem sportlichen Vergleich und der Völkerverständigung dienen. Stattdessen spaltet die Eröffnungsfeier der diesjährigen Sommerolympiade in Paris die Meinungen und sorgt international für massive Kritik. Einzelne Szenen der Zeremonie stellen einen gezielten Angriff auf das Christentum und die Christen dar.

Kommentar von Ralph Studer

Die Eröffnungsfeier der Olympiade am 26. Juli 2024 in Paris hatte es in sich. Weltweit hat vor allem die queere Inszenierung des „Letzten Abendmahls“ von Leonardo da Vinci die Emotionen hochgehen lassen. Dragqueens umgaben den von einer lesbischen LGBTIQ-Aktivistin verkörperten „Jesus“. Irritierend und verstörend war auch, dass bei dieser „Abendmahl“-Darstellung ein kleines Mädchen unter den erwachsenen Dragqueens zu sehen war.

Die Organisation „Gays against groomers“ zeigte sich „zutiefst empört, dass diese Dragqueens und halbnackten Gender-Kultisten bei den Olympischen Spielen vor den Augen der ganzen Welt um kleine Kinder herumtanzen“.

Kritik von verschiedenen Seiten

Während die internationalen „Leitmedien“ die Eröffnungsfeier positiv kommentierten, herrschte in den sozialen Medien weithin Fassungslosigkeit und Empörung. Sponsoren wie das amerikanische Telekommunikationsunternehmen C Spire zogen daraus die Konsequenz: „Wir waren schockiert über die Verspottung des Abendmahls während der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris. C Spire wird seine Werbung von den Olympischen Spielen zurückziehen“, schrieb das Unternehmen auf X.

Scharf ins Gericht mit der Olympia-Eröffnung ging auch der bekannte französische Philosoph Alain Finkielkraut in einem Interview mit der Tageszeitung „Le Figaro“. Er habe es nicht für möglich gehalten, eine „noch schlimmere Zeremonie“ als den Eurovision Song Contest auf die Beine zu stellen – noch „obszöner, noch konformistischer“.

Selbst der Chef der französischen Linkspartei „La France insoumise“ (LFI), Jean-Luc Mélenchon, nannte die Zeremonie eine „Verhöhnung des christlichen Abendmahls“. Er setzte dabei nicht bei der Blasphemie an, da diese nicht für alle gelte, sondern stellte die Frage: „Was soll es bringen, eine Beleidigung von Gläubigen in Kauf zu nehmen – auch, wenn man selbst antiklerikal sein mag?“ Und auch die Darstellung der Hinrichtung von Marie-Antoniette missfiel ihm. Sie gehöre „zu einem Zeitalter von Strafen, das wir nicht noch einmal sehen wollen.“

Symbolik spricht Bände

Dass dies ein direkter und offensichtlicher Angriff auf das Christentum war, verdeutlicht eine Gesamtschau der Eröffnungszeremonie. Die gezeigten Szenen vom goldenen Kalb, dem letzten Abendmahl und der enthaupteten Marie-Antoinette stehen in direktem Zusammenhang zum Christentum:

  • Goldenes Kalb

Das Buch Exodus im Alten Testament erzählt, wie Moses auf den Berg Sinai steigt, um die zehn Gebote von Gott zu empfangen. Währenddessen beginnen die Israeliten an Gott zu zweifeln. Daher machen sie sich einen neuen Gott, ein goldenes Kalb, dem sie opfern. Das goldene Kalb gehört zur jüdisch-christlichen Tradition und bedeutet Glaubensabfall und Anbetung falscher Götter.

  • „Letztes Abendmahl“

Das letzte Abendmahl als „hypersexualisierte Drag-Queen-Show“ (Theologe Dr. Johannes Hartl) darzustellen, ist zweifelsohne blasphemisch. Es zeigt eine offenkundige Verachtung und Verhöhnung des Christentums und unserer christlich geprägten Familien- und Gesellschaftsordnung. Dieser durch Dragqueens dargestellte „spielerische Wechsel“ des Geschlechts hat eine tiefere Bedeutung angesichts der gehypten LGBTIQ-Ideologie. Deren Dogma lautet: „Ich kann selbst über mein Geschlecht entscheiden und meine Sexualität leben, wann, mit wem und wie ich will.“ Der Mensch erschafft sich selbst vermeintlich neu und eine „neue Schöpfungsordnung“. Darin gipfelt die menschliche Hybris, der Drang nach einer grenzenlosen Freiheit, die sich von Gott emanzipiert und ihn abgeschafft hat.

Dies stellt gerade das Gegenteil dessen dar, was Jesus beim letzten Abendmahl zu seinen Aposteln sagte: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Johannes 15,13). Dafür ist eine Haltung der Selbstlosigkeit und Hingabe nötig, die Jesus beim letzten Abendmahl zeigte: Er wusch seinen Jüngern die Füsse und starb für uns am Kreuz.

Das Christentum steht für Liebe und Hingabe an Gott und den Nächsten. Beim Spektakel in Paris geht es jedoch um Obszönität, das eigene Ego und die eigene Lust. Grösser könnten die Unterschiede nicht sein. Davon zeugt die Eröffnungsfeier, die für ein neues Menschenbild und eine neue Familien- und Gesellschaftsordnung steht, deren Kern der von Gott losgelöste autonome Mensch ist.

  • Enthauptete Marie-Antoinette

Die Produzenten der Eröffnungsfeier inszenierten die Enthauptung der französischen Königin Marie-Antoinette im Zuge der französischen Revolution als „Popereignis“ (Hartl). Damit weckten sie Erinnerungen an eine blutige, aber auch antikirchliche und antichristliche Zeit in der französischen Geschichte. Hansjürg Stückelberger, Gründer von Stiftung Zukunft CH, schreibt hierzu: „Die französische Vision der Selbstbefreiung war geprägt vom Willen, alles Christliche aus der Gesellschaft zu entfernen.“

Dies zeigte sich auch im staatlich-gesellschaftlichen Bereich. Die damalige Ermordung des französischen Königspaars Ludwig XVI. und seiner Frau Marie-Antoinette verkörperte das Ende des christlichen Herrscherhauses in Frankreich und beendete die „alte Ordnung“, die langjährige Allianz zwischen „Thron und Altar“ als Ausdruck eines christlichen Staates. Berücksichtigt man dies, bekommt die Darstellung der enthaupteten Marie-Antoinette mit blutigen Fontänen an der Eröffnungsfeier eine besondere Bedeutung.

Kunstfreiheit hat ihre Grenzen

Die nach der Feier einsetzende Kritik wiesen die Verantwortlichen unter Berufung auf die Kunstfreiheit zurück. Organisationschef Tony Estanguet betonte, dass die Eröffnungsfeier in den Grundlinien mit dem „Internationalen Olympischen Komitee“ (IOC) abgestimmt wurde. Für Thomas Jolly, Regisseur der Eröffnungszeremonie, ist die Kritik nicht gerechtfertigt: „In Frankreich ist das künstlerische Schaffen frei.“ Die Idee sei gewesen, inklusiv zu sein, was bedeute, niemanden auszuschliessen. Man habe niemanden beleidigen wollen.

Künstlerische Freiheit ja, aber bis wohin? Jolly vergisst das Wesentliche: Auch die Kunstfreiheit ist nicht absolut, geschweige denn ein Freipass zur Verletzung und Verachtung des Christentums.

Abendmahl oder Götter des Olymp?

Auch Jollys Aussage, er habe damit nicht das Abendmahl, sondern die Götter des Olymp (Anspielung auf das Gemälde „Festin des Dieux“ von Jan van Bijlert) gemeint, greift zu kurz. „So naiv“, sagt der katholische Priester Klaus Mertes, „kann Herr Jolly nicht sein, dass er die Bildsprache, die er nutzt, nicht vorher durchdenkt“. Immerhin wolle Jolly ein Europa feiern, das ohne die Bildsprache des Christentums nicht zu verstehen sei, so Mertes. „Er muss also mindestens in Kauf genommen haben, dass bei Zuschauern die Assoziation Abendmahl ausgelöst wird.“

Jollys Beteuerungen widersprechen auch einer Stellungnahme der Produzenten,  der zufolge „sich Thomas Jolly von Leonardo da Vincis berühmtem Gemälde inspirieren liess“. Barbara Butch, die „Jesus-Darstellerin“, postete in ihrer Instagram-Story gar ein Foto der Szene und eine Abbildung des Da-Vinci-Gemäldes mit der Unterschrift „The new gay Testament“. Mittlerweile hat sie dies wieder gelöscht.

Der amerikanische Bischof Robert Barron bringt es auf den Punkt: „Wir haben also eine Gruppe von Dragqueens, die in einer sexuell provokanten Art und Weise herumtollen, ganz klar als Nachahmung des letzten Abendmahls von da Vinci, der der Welt das letzte Abendmahl Jesu präsentiert, und das war nicht respektlos gemeint. Glauben Sie, dass das irgendjemand ernst nimmt?“

Und die Frage sei gestellt: Hätten die Verantwortlichen auch gewagt, den Islam auf ähnliche Weise zu verhöhnen? Hätten sie dies getan, würden die Banlieues von Paris nun brennen.

Liebe und Toleranz – aber nicht für alle

Frankreich und das IOC haben an diesem Abend keinen Hehl daraus gemacht, welche „Werte“ sie vertreten. „C‘est la France“, twitterte Macron nach dem Ereignis. Ist das wirklich Frankreich? Oder kämpft eine kleine Minderheit um Deutungshoheit und treibt den Kulturkampf, der seit Jahren vehement geführt wird und mit dieser Eröffnungszeremonie einen neuen Höhepunkt erreicht, weiter voran?

Obwohl Liebe und Toleranz bei dieser Olympiade grossgeschrieben werden und Céline Dions Schlusslied deren Ausdruck sein sollte, zeigen die Verantwortlichen, was diese wirklich darunter verstehen: Die „überaus laszive Inszenierung in Paris“ (Hartl) reduziert Liebe auf Sex und reine Triebbefriedigung. Toleranz gilt für alle, ausser für das Christentum und die Christen. Hier zeigt sich wieder einmal „der Aktivismus einer kleinen Minderheit, die offiziell behauptet, für Diversität zu stehen, aber eine im Kern radikale Ideologie verfolgt.“

Das wahre Gesicht gezeigt

Die Charta der Olympischen Spiele besagt, dass keine „politische, ideologische oder religiöse Meinung“ in einer solchen Zeremonie zum Ausdruck kommen darf. Diese Grundsätze wurden in den Wind geschlagen. „Wenn nun aber“, so der ehemalige Generalvikar des Bistums Chur, Martin Grichting, „entgegen den eigenen Regeln seitens des IOC religiös diskriminiert wird, um sich mit einem PR-Stunt beim Wokeismus anzudienen, wird der olympische Gedanke selbst zur Satire“. Statt um Sport geht es um die Propagierung woker Ideologie und politischer Dystopien.

Nicht nur das. Bereits in der Werbung für die Olympiade wurde das Kreuz auf dem Invalidendom aus der offiziellen Grafik wegretuschiert. Mit dieser Feier bringt Frankreich klar zum Ausdruck, dass es sein christliches Erbe verschmäht, auf dem Boden der Gender- und Transideologie steht und für eine neue woke Gesellschaftsordnung eintritt, in der das Christentum (und gläubige Christen) keine Rolle mehr spielt und beleidigt werden darf. Und weiter gefasst: Der „Westen“ inszeniert den Abschied von seinen christlichen Wurzeln und von jeglicher Vernunft.

Kein Zufall

Es ist sicherlich kein Zufall, betont Hartl, dass diese internationale Bühne für eine so symbolische Eröffnungszeremonie genutzt wurde. Es geht hier nicht um eine kleine Ausstellung, sondern um einen Anlass mit weltweiter Strahlkraft. Gelder in Millionenhöhe wurden bewilligt, Showelemente durchdacht und gezielt choreografiert. Auch die Wahl der Symbole war kein Zufall und der Angriff und die Verhöhnung christlicher Symbole und Ereignisse bewusst inszeniert. Dies lässt einen Beobachter fragen: Woher diese Abneigung, woher dieser Hass auf die eigene Religion und die eigene Kultur? Warum die Verachtung des Westens für seine kulturellen und spirituellen Wurzeln?

Sportbischof bringt es auf den Punkt

Nach einer zunächst eher zurückhaltenden Äusserung zur Eröffnungsfeier bekräftigte der Passauer Bischof Stefan Oster, der auch Sportbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz ist, seine Kritik auf seinem Blog. Diese ist aufgrund ihrer Klarheit hier in einem längeren Abschnitt veröffentlicht:

„Er (Gott) will, dass wir die werden, die wir sein können. Tiefer, freier, liebesfähiger und mehr, mehr ganz. Mehr wir selbst in der Ähnlichkeit zu ihm und in der Freundschaft mit ihm. Und wir glauben, dass der eigentliche, ermöglichende Akt dieser neuen Freiheit die Lebenshingabe Jesu ist, die wir in jeder Eucharistie feiern. Deswegen ist uns Katholiken und vielen anderen Christen auf der Welt die Eucharistie oder die Feier des Abendmahls das Allerheiligste. Ausdruck von Gottesabgründiger, erlösender Liebe in Jesus, dem Gottmenschen.

Und jetzt erleben wir in einem weltweit übertragenen, kulturellen Grossereignis, in olympischen Spielen und ihrer Eröffnung in einem ursprünglich tief christlich geprägten Land einen Akt der Verhöhnung und Verspottung dieses Allerheiligsten. Dragqueens imitieren Jesus und die Apostel und machen das Ganze zu einer queeren Party mit Modenschau.

Für mich wird deshalb hier in einem einzigen Moment deutlich, dass diejenigen Christen, die ihren Glauben auch in diesem Punkt des Menschenbildes ernst nehmen, dass die der eigentliche Gegner einer Gesellschaft sind, die sich in atemberaubendem Tempo selbst säkularisiert. Einer Gesellschaft, die sich damit von den Wurzeln abschneidet, auf denen sie gewachsen ist. Diese Kultur, so scheint mir, will mehrheitlich immer bewusster Gott loswerden und damit gottlos sein, damit der Mensch endlich ganz in die eigene, freie Verfügung seiner selbst kommt.“

Basilika Sacré-Cœur erstrahlt im Licht

Osters Worte klingen nach und wecken Hoffnung. Ein scheinbar kleines, aber doch hoffnungsvolles Ereignis sei hier erwähnt: Kurz nach der Eröffnungszeremonie gab es in Paris einen Stromausfall. Die ganze Stadt war dunkel. Einzig erleuchtet blieb die helle Kuppel der Kirche Sacré-Cœur auf dem Montmartre. Sacré-Cœur ist nicht irgendeine Kirche: Es ist just jene Kirche, in der seit über hundert Jahren bei Tag und Nacht gebetet wird…

„In dunklen Zeiten“, so Hartl, „leuchtet das Licht besonders hell. Und viele sehen es auch, obwohl sie selbst nicht glauben. Christen sollten sich niemals entmutigen lassen, sondern auf entspannte und zuversichtliche Weise ganz klar zu dem stehen, was ihnen heilig ist – und allein vor dem das Knie beugen, der sich selbst hingegeben hat aus Liebe zu einer sündigen Welt.“