Eine aktuelle Studie zeigt, dass soziale Medien wie Facebook und YouTube eine übermässig hohe Anzahl von gesetzlich zulässigen Kommentaren löschen. Hierfür wesentlich verantwortlich ist die EU-Gesetzgebung, nämlich der „Digital Services Act“. Dieser höhlt gerade das aus, was er vorgibt zu schützen.

Von Ralph Studer

„Heutzutage geht Zensur“, so der Autor Johannes Menath, „zumeist von internationalen Technologiekonzernen aus. Auf diese Weise hält sich der Staat zurück und delegiert die schmutzige Arbeit an private Konzerne. Diese löschen dann etwa Accounts unliebsamer Personen und Gruppen unter fadenscheinigen Vorwänden.“

Bis zu 99,7 Prozent

Die Aussage kommt der Realität sehr nahe. So belegt eine aktuelle Studie der Organisation „The Future of Free Speech“, was viele Kritiker schon lange befürchten. Die Studienautoren untersuchten mehrere tausend gelöschte Kommentare auf Facebook und YouTube aus Deutschland, Frankreich und Schweden. Die Daten stammen von jeweils zehn grossen Facebook-Seiten und Youtube-Kanälen, die von Medien und Politikern betrieben werden.

Im Ergebnis zeigt die Studie, dass bei Facebook und YouTube bis zu 99,7 Prozent von gesetzlich zulässigen Kommentaren gelöscht werden. Allerdings lassen die Daten keine definitive Aussage zu, wer einen Kommentar gelöscht hat: der User, der ihn geschrieben hat, der Betreiber der Seite oder der Plattformanbieter. Letztere dürften aber einen wesentlichen Teil der Löschungen vorgenommen haben, um rechtliche Folgen zu vermeiden. Die Studienautoren ziehen den vorsichtigen Schluss: „Dass zu viele legale Inhalte gelöscht werden, könnte ein grösseres Problem sein, als dass zu wenige illegale Inhalte gelöscht werden.“

„Betreutes Denken wird um sich greifen“

Dieses Vorgehen der Plattformen kommt nicht von ungefähr. Für grosse Internetfirmen wie Facebook und YouTube drohen seit Inkrafttreten des Digital Services Act (DSA) in der EU horrende Bussen, wenn diese sich nicht an den DSA halten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Definition von illegalen Inhalten oft ungenau und unklar ist.

Es ist entlarvend, so der ehemalige Berliner Richter Manfred Kölsch, dass der DSA auch „voraussichtlich kritische“ oder Äusserungen mit „voraussehbar nachteiligen Auswirkungen“ auf die „gesellschaftliche Debatte“, auf „Wahlprozesse“, „die öffentliche Sicherheit“ oder auf den „Schutz der öffentlichen Gesundheit“ als Desinformation qualifiziert. Damit werde Zensur betrieben. Der Bürger bleibe orientierungslos zurück, wenn er seine Mitteilungen an dem ausrichten müsse, was in den aktuellen politischen Meinungskorridor passe. „Er wird deshalb das vom DSA gelegte Minenfeld nicht betreten, um soziale Nachteile zu vermeiden“, kritisiert Kölsch und fügt hinzu: „Betreutes Denken wird um sich greifen.“

Der Kampf gegen unbequeme Fakten

Bei näherem Hinsehen hat man den Eindruck, dass es bei den Löschungen nicht um die Beseitigung von sogenannten „Fake News“ und „Hassreden“ geht, sondern um einen Kampf gegen unbequeme Fakten und Meinungen bzw. Kritik an den Regierungen. So höhlt der DSA das aus, was er vorgibt zu schützen, nämlich das verfassungsmässige Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit. „Hass“, so Lukas Leuzinger, stellvertretender Chefredaktor beim „Schweizer Monat“, „wird damit nicht bekämpft. Dafür die Meinungsfreiheit und die offene demokratische Debatte.“

Der renommierte Politikjournalist Ralf Schuler hält in Zürich einen Vortrag rund um das Thema Medien und Meinung unter dem Titel „Mechanismen der Macht – Und wie wir aus der Schweigespirale kommen“. Schuler widmet sich dabei u.a. folgenden Fragen: Wie entsteht Konformitätsdruck in einer freien Gesellschaft? Wie leiten Medien den Mainstream? Wie macht man Meinung? Und mit welchen Mechanismen wird die Meinungsfreiheit ausgehebelt? Der Vortrag findet am 26. Oktober 2024, 15 Uhr, statt, im grossen Saal Liebfrauen, Weinbergstrasse 36, 8006 Zürich. Eintritt frei, Kollekte

Mehr Infos und den Flyer zum Anlass finden Sie hier.