Als Christian Brönimann sich vor 26 Jahren zur Frau umwandeln liess, wurde er über Nacht zur Ikone der Trans-Community. Unterdessen gilt Nadia Brönimann in Trans-Kreisen jedoch als Verräterin. Der Grund dafür: Sie bekennt sich wieder zu ihrer Ursprungsidentität als Mann.

Mit superkurzen Haaren präsentiert Nadia Brönimann sich seit einer Woche in den sozialen Medien. Die neue Frisur ist eine Ansage, das Foto ist mit dem Hashtag „detrans“ versehen, was „rückgängig machen“ bedeutet. Die bekannteste Transfrau der Schweiz erklärte im Interview mit der Sonntagszeitung vom 18. August 2024, der Gedanke an eine Detransition sei schon lange am Brodeln.
Während viele Nutzer von Instagram zu diesem mutigen Schritt gratulieren, bestraft die Trans-Community Brönimann mit Schweigen. Dass sie – oder vielmehr er! – über die Transition und die Detransition spricht, macht ihn zur unerwünschten Person. Im schlimmeren Fall wird er sogar als rechtspopulistisch und transphob gebrandmarkt.

Flucht vor dem Gefühl, nicht gut genug zu sein

Brönimann erklärt im Rückblick auf die Transition, es hätte eigentlich „nicht offensichtlicher“ sein können, dass der Körper nicht das eigentliche Problem gewesen sei. Die Geschlechtsanpassung bezeichnet er als Flucht, weil er sich als Christian nie gut genug gefühlt habe. Entgegen dem erklärten Ziel, Stereotypen abzuschaffen, bewegten viele Transitionierer sich in starren, binären Rollen. Das Klischee davon, was weiblich und männlich sein soll, erlebt Brönimann bei Trans-Personen sogar oft sehr ausgeprägt. „Aber das Streben nach Perfektion in Bezug auf das Geschlecht ist eine Falle. Bei uns Trans-Menschen, wie bei allen anderen Menschen auch, sollte das Ziel sein, dass man sich selbst akzeptiert und nicht einer Geschlechternorm entsprechen will.“

Trans-Community mit „Spiegel-Phobie“

Die Frage, weshalb die Leute aus seiner ehemaligen Community so negativ reagieren, erklärt sich Brönimann damit, dass sich diese dem Thema nicht stellen wollten. Für ihn hingegen ist der Mut, in den Spiegel zu schauen, elementar. Er kenne viele Menschen, die nach der körperlichen Veränderung mit sich haderten, weil sie merkten, dass es ihnen seelisch nicht besser gehe. Viele verschwiegen diese schmerzliche Erkenntnis jedoch jahrelang, weil sie es nicht wahrhaben wollten und es zudem niemand hören wolle. Gerade in solchen Momenten wäre es jedoch wichtig, von der Gemeinschaft „umarmt“ zu werden.

Hilfe für Detransitionierer fehlt weitgehend

Die Feststellung, dass es viele Menschen in seinem Umfeld ähnliche Prozesse durchlaufen, hat Brönimann dazu bewogen, die Instagram-Seite „detrans_schweiz“ zu erstellen. „Es gibt in der Schweiz bis jetzt kein Auffangnetz, kein Hilfsangebot, weder medizinisch noch psychologisch“, erklärt er. „Man ist komplett auf sich allein gestellt. Aber man kann diese Menschen doch nicht einfach so alleine lassen. Sie brauchen Hilfe und möchten gehört werden.“ Ebenfalls kritisiert er, dass die Personen und Fachstellen, die bereits Teenagern zur Transition raten, „nicht mehr auffindbar“ seien, wenn die Anpassung sich als Fehler herausstellt.

Tiefe Trauer statt Befreiung

Bereits seit mehreren Jahren warnt Brönimann vor Fehldiagnosen und der Verharmlosung geschlechtsverändernder Eingriffe bei Jugendlichen. „Ich will, dass gerade junge Menschen ehrlich über alle möglichen Folgen einer Anpassung aufgeklärt werden und dass sie sich bewusst sind, was im schlimmsten Fall passieren kann: dass sie eines Tages erkennen müssen, dass ihre medizinische Geschlechtsangleichung nicht der richtige Weg war und ihnen nicht die erhoffte Befreiung brachte. Und dass diese Erkenntnis eine grosse Trauer in ihnen auslösen wird. Dass es dann ein noch grösserer Kraftakt ist, auf der Spur zu bleiben, wenn man erkennt, in welcher Sackgasse man sich befindet.“

Um Jugendliche vor Trans-Fehldiagnosen zu schützen, sensibilisiert Zukunft CH die Schweizer Bevölkerung, Ärzte und Politiker mit einem sechsseitigen Infobulletin. Dieses kann unter 052 268 65 00 oder via Bestellformular kostenfrei bestellt werden. (Bestellung aus dem Ausland nur gegen Übernahme des Portos.)