Immer mehr schwangere Frauen lassen einen Pränataltest machen. Mit diesen Untersuchungen kann festgestellt werden, ob das ungeborene Kind eine genetische Störung wie z.B. eine Trisomie aufweist. Doch was, wenn der Test positiv ausfällt?

Von Ursula Baumgartner

Ist mein Kind gesund? Diese Frage treibt wohl jede werdende Mutter um und das zu Recht. Ultraschall- und Fruchtwasseruntersuchungen, aber auch sogenannte nicht-invasive Untersuchungen wie Bluttests (NIPT) können darauf eine Antwort geben.

Oft falsch-positiv

Doch gerade letztere sind nicht immer zuverlässig, warnt Thomas von Ostrowski vom Berufsverband Niedergelassener Pränatalmediziner. Mit „einer Wahrscheinlichkeit von 40 bis 50 Prozent“ könne ein Bluttest im Bereich Trisomie 21 ein falsch-positives Ergebnis zeigen. Er würde dann also auf eine Irregularität hindeuten, obwohl keine vorliege. Grund dafür sei, dass bei dieser Art von Test nicht eigentlich die Erbsubstanz des Kindes untersucht werde, sondern Material aus der Plazenta, das im Blut der Mutter zirkuliert. Darum könne dieser Test keine Diagnose stellen, sondern gebe lediglich „Hinweise auf überzählige oder fehlende Chromosomen“, betont der Mediziner.

Klarheit schafft dann nur ein sogenannter invasiver Test wie die Fruchtwasseruntersuchung. Diese erhöht jedoch das Risiko einer Fehlgeburt.

Reguläre Untersuchung oder begründeter Einzelfall?

In der Schweiz gehören die Bluttests unter bestimmten Bedingungen seit 2015 zu den Leistungen der Grundversicherung. In Deutschland übernehmen die Krankenkassen seit Juli 2022 die Kosten für die Tests. Seither machen deutlich mehr Schwangere davon Gebrauch. In den ersten drei Monaten des Jahres 2024 waren es über 80‘000. Auch in der Schweiz stieg die Rate der Frauen, die sich testen liessen, von 2015 bis 2019 von neun auf 23 Prozent.

Bei diesen Zahlen kann keine Rede mehr sein von dem Einsatz in „begründeten Einzelfällen“, wie es der deutsche Bundesausschuss bei der Kassenzulassung formuliert hatte. Das „Screening“ von Ungeborenen ist zur Routine geworden.

Der „Qualitätscheck“ und seine Folgen

Was geschieht langfristig, wenn man Kinder vor der Geburt flächendeckend einer „Qualitätskontrolle“ unterzieht? Die Antwort ist einfach: Selektion.

Island und Dänemark bieten die vorgeburtlichen Tests bereits seit den frühen 2000er Jahren an. In beiden Ländern kommen seit Jahren kaum mehr Kinder mit Down-Syndrom zur Welt.

Warum das? Die Bluttestergebnisse führen in den meisten Fällen zu weiteren Untersuchungen. Bestätigt sich der erste Verdacht und liegt wirklich eine Erkrankung vor, entscheiden sich immer mehr Frauen für eine Abtreibung. Dadurch entsteht in der Gesellschaft, wie Professorin Marion Baldus von der Hochschule Mannheim sagt, die Idee der „Vermeidbarkeit von Behinderung“. Schon jetzt sei eine „Stigmatisierung von Familien mit Kindern mit Down-Syndrom“ zu bemerken.

Jeanne-Nicklas Faust, Bundesgeschäftsführerin der Lebenshilfe in Deutschland und Mutter eines behinderten Kindes, bestätigt das. Sie berichtet, wie häufig sich betroffene Familien fragen lassen müssen, „ob sie „dies“ nicht gewusst hätten, unterstellend, dass sie dann wohl die Schwangerschaft nicht fortgesetzt hätten“.

Platz für Menschen mit Behinderung!

Was für eine Gesellschaft wollen wir sein? Eine, in der kranke wie gesunde Menschen Platz haben und entsprechend ihren Bedürfnissen gefördert und unterstützt werden? Eine, in der schwangere Frauen sich einfach auf ihr Baby freuen dürfen? Oder eine, in der die „Angst vor einem Kind mit Behinderung“ wächst, wie Marion Baldus befürchtet?

Die Sorgen von Eltern um die Gesundheit ihres Kindes sind berechtigt und verständlich. Doch ein Bluttest kann Eltern diese Sorgen nicht nehmen. Im Gegenteil: Er „bleibt ohne therapeutische Handlungsoption“ und „legt hauptsächlich die Notwendigkeit einer Entscheidung für oder gegen einen Abbruch nahe“, sagt Silke Koppermann, Frauenärztin und Sprecherin des Netzwerks gegen Selektion durch Pränataldiagnostik.

So ist weder Kindern mit Behinderung noch deren Eltern geholfen, wenn vorgeburtliche Screenings weiter normalisiert werden. Eine solche Entwicklung, warnt Jeanne-Nicklas Faust, werde lediglich „die gesellschaftliche Erwartungshaltung verstärken, dass „solche Kinder“ nicht mehr zur Welt kommen“.

Island und Dänemark sind traurige Beweise dafür.

Wieviel Lebensfreude ein Kind mit Down-Syndrom in sein Umfeld bringen kann, zeigt Fabrice, der Sohn von Filmemacher, Pfarrer und Zukunft CH-Stiftungsrat Bruno Waldvogel-Frei.