Eine verschneite Römerstadt irgendwo nördlich der Alpen. Zwischen militärischen Lagern und römischen Villen, verborgen unter der Erde, liegt eine stille Botschaft des Glaubens. Fein eingeritzt in Silber, sicher verwahrt in einem Silberamulett, das wie eine Kapsel aussieht. Was wie der Anfang einer Weihnachtslegende klingt, ist die Geschichte eines archäologischen Sensationsfundes in Frankfurt am Main.
Im Jahr 2018 stiessen Archäologen in Frankfurt-Praunheim auf ein Grab aus dem dritten Jahrhundert, das eine besondere Beigabe enthielt: eine röhrenförmige Silberkapsel um den Hals eines Verstorbenen Das Archäologische Museum Frankfurt beschreibt den Fund als „eines der frühesten bekannten christlichen Zeugnisse nördlich der Alpen“.
„Dieser Fund ist eine kleine Sensation“, betont Dr. Markus Scholz, Experte für frühes Christentum an der Universität Frankfurt. Mithilfe modernster CT-Technologie entzifferte das Team eine filigrane Inschrift auf der dünnen Silberfolie in der Kapsel. Die Botschaft? Ein Glaubensbekenntnis: „Heilig, heilig, heilig!“ und „Im Namen Jesus Christi, Gottes Sohn“.
Ein Licht im römischen Dunkel
Das Amulett stammt aus einer Zeit, in der das Christentum noch verboten war. Die römische Regierung sah in den Christen eine Bedrohung für die traditionelle Ordnung, doch der Fund beweist: Der Glaube wuchs selbst unter diesen schwierigen Bedingungen. „Christen in Nida? (Nida ist der antike Name einer römischen Stadt, deren Überreste sich im heutigen Stadtteil Heddernheim in Frankfurt am Main, Hessen, befinden. Es war in der Römerzeit ein bedeutendes Handels- und Verwaltungszentrum in der Provinz Germania Superior).
Nach bisheriger Forschung war das kaum vorstellbar“, erklärt Dr. Carsten Wenzel vom Archäologischen Museum Frankfurt. Die Silberfolie enthält Zitate aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper 2,10–11: „Damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters.“ Solche Worte dürften für die damaligen Gläubigen eine Quelle der Kraft und des Trosts gewesen sein. Eine leuchtender Funke Hoffnung, verborgen in der Dunkelheit.
Die Geschichte des Silberamuletts passt auf fast poetische Weise zur Weihnachtszeit. Sie erinnert daran, dass der Glaube, der mit der Geburt Christi begann, schon immer eine Botschaft der Hoffnung war. Während wir heute Lichterketten und Krippenszenen geniessen, trug dieser Christ seine Überzeugung in einer schlichten Kapsel um den Hals. Wie die Archäologin Dr. Andrea Hampel anmerkt: „Der Fund zeigt, wie tief verwurzelt das Christentum bereits in dieser frühen Zeit war – ein erstaunliches Zeugnis der Geschichte.“
Zukunft der Forschung
Der Fund ist mehr als eine archäologische Kostbarkeit. Er verschiebt die bisherige Chronologie der Ausbreitung des Christentums nördlich der Alpen um Jahrzehnte. Experten vermuten, dass der Verstorbene einer gebildeten Schicht angehörte. Ein Hinweis darauf, dass das Christentum nicht nur eine Bewegung der Armen war, sondern auch in elitären Kreisen Verbreitung fand.
Laut der offiziellen Pressemitteilung des Archäologischen Museums Frankfurt ist dies erst der Anfang weiterer Forschungen. Ab dem 18. Dezember 2024 wird das Silberamulett in der Dauerausstellung des Archäologischen Museums Frankfurt zu sehen sein.
Ein kleines, gerade einmal 3,5 cm grosses Silberamulett, darin eingerollt eine dünne Silberfolie mit einer geheimnisvollen Ritzung: die „Frankfurter Silberinschrift“. Diese 18 Zeilen, da sind sich die Experten einig, werden die bisherige Forschung über die Ausbreitung des Christentums und die Spätzeit der römischen Herrschaft rechts des Rheins enorm bereichern.
Das Gräberfeld „Heilmannstrasse“, wo das Amulett entdeckt wurde, zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus. Die Lage des Begräbnisplatzes an der Nordwestecke der antiken Stadtgrenze ist ungewöhnlich, ebenso wie die hohe Anzahl an Körpergräbern und außergewöhnliche Beigaben, darunter vielgestaltige Glasfunde und Perlen aus Gagat, Stein und Glas. Besonders bemerkenswert ist der Nachweis von 14 Paar Schuhen, die neben den Füssen oder an den Unterschenkeln der Verstorbenen abgestellt worden waren – als Symbol für den letzten beschrittenen Lebensweg.
Ein Fund in Reinheit
Die Entzifferung der Inschrift auf der Silberfolie, die am Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) in Mainz digital entrollt wurde, brachte eine religiöse Botschaft ans Licht, die ausschliesslich christlich ist. Prof. Markus Scholz, der die Inschrift las, erklärt: „Das Besondere ist, dass es in der Inschrift keinen Hinweis auf andere Glaubenselemente gibt. Solche Funde sind in dieser Reinheit absolut aussergewöhnlich.“
Die Ausstellungseröffnung am 18. Dezember könnte kaum besser zur Weihnachtszeit passen. Ein kleines Stück Silber, fast 1800 Jahre alt, erzählt eine Geschichte von Glaube und Hoffnung, die bis heute strahlt. Der Fund lädt uns ein, die ursprüngliche Botschaft von Weihnachten – Frieden, Glaube an Jesus Christus und Hoffnung – neu zu betrachten. Vielleicht ist die „Frankfurter Silberinschrift“ die modernste Weihnachtsbotschaft aus der Antike, die wir je gefunden haben. Ein kleines Stück Silber, das in den Herzen von damals und heute einen Funken Licht entzündet.
Frohe Weihnachten!