Der Grosse Rat des Kantons Genf reichte im September 2023 die Standesinitiative 23.317 „Für eine kohärente Bundespolitik im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit“ ein. Ironisch daran ist, dass die Gründe, aus denen er finanzielle Unterstützung für verschiedene Gruppen fordert, völlig inkohärent sind. Nun hat der Nationalrat in dieser Woche darüber zu entscheiden.
Von Ursula Baumgartner
Was will der Grosse Rat des Kantons Genf? Etwas überspitzt ausgedrückt: Er will erreichen, dass alle Kosten, die in irgendeiner Weise im Bereich der Sexualität anfallen, von der Krankenversicherung übernommen werden. Dazu zählen laut Initianten u.a. „sämtliche Kosten für Monatshygiene, Verhütungsmittel, gynäkologische Beratung, Schwangerschaft oder Abtreibung“.
Alles in einen Topf geworfen
Doch damit nicht genug. Die Initiative beklagt zudem, dass „die für lesbische Frauen, Bisexuelle und Transmenschen spezifischen Probleme von der Gesundheitspolitik weitgehend ignoriert werden und der Mangel an verlässlichen Daten über die gesundheitlichen Probleme, die speziell diese Bevölkerungsgruppen betreffen, eine auf die Bedürfnisse dieser Personen abgestimmte Gesundheitspolitik verhindert“. So werden in dieser Initiative unzählige Gruppen und Themen in einen Topf geworfen, die eigentlich gesondert betrachtet werden müssten.
Nach wie vor gibt es mehr hormonelle Verhütungsmittel für Frauen als für Männer. Da diese mit höheren Kosten verbunden sind als z.B. Kondome, ist es in der Tat so, dass Frauen meist eine grössere finanzielle Bürde zu tragen haben. Das ist jedoch ein privates Problem, das innerhalb einer Beziehung geklärt werden sollte und die Krankenversicherungen nicht tangiert. Und es ist erst recht nicht Sache der Gesundheitspolitik, dafür zu sorgen, „dass die Verantwortung für die sexuelle Gesundheit gleichmässig zwischen Männern und Frauen aufgeteilt wird“. Eine staatliche Einmischung in diesen Bereich wäre schlichtweg übergriffig.
Nicht gegen alles kann man sich versichern
Die weitere Forderung, dass die Krankenversicherungen die Kosten für Monatshygieneartikel übernehmen sollen, wirkt lächerlich. Der Monatszyklus ist ein naturgegebener Prozess, der ausschliesslich Frauen betrifft, gegen den man sich nun einmal nicht versichern kann. Umgekehrt könnte eine andere Initiative mit dem gleichen Argument fordern, Männern die Kosten für Rasierutensilien zu erstatten. Würde das irgendjemand ernst nehmen?
Fragwürdig ist auch, was die Initiative meint, wenn sie mahnt, „die für lesbische Frauen, Bisexuelle und Transmenschen spezifischen Probleme“ dürften „nicht länger ignoriert werden“. Warum schert man hier einmal mehr unterschiedlichste Gruppen über einen Kamm?
Für lesbische Frauen und einige „Transmenschen“ dürfte sich die Frage nach der Empfängnisverhütung eher nicht auftun. Welche „spezifischen Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppen“ sind also gemeint, denen die Gesundheitspolitik Rechnung tragen soll?
Sollen die Krankenkassen Transgender-Behandlungen zahlen?
Zu vermuten ist, dass hiermit durch die Hintertür erreicht werden soll, dass die Krankenkassen sämtliche Transgender-Behandlungen zahlen. Dann aber wäre den Initianten anzuraten, sich in internationale Studien und Forschungsergebnisse einzulesen. So könnten sie zügig den „Mangel an verlässlichen Daten über die gesundheitlichen Probleme, die speziell diese Bevölkerungsgruppen betreffen“ beheben. Der im April 2024 in England erschienene „Cass-Review“ beispielsweise räumt klar mit dem Narrativ auf, Pubertätsblocker oder gegengeschlechtliche Hormone hätten vorwiegend positive Effekte. Nicht umsonst rudern England, Frankreich, Norwegen und einige andere Länder seit Monaten im Bereich Transgender-Behandlungen zurück.
Zu guter Letzt „verlangt die Initiative (…) systematische Screenings von sexuell übertragbaren Krankheiten sowie von gewissen sexuellen Krankheiten bei Frauen, die oft übersehen werden (so beispielsweise Endometriose)“. Man bedenke hier: Die Infektion mit einer sexuell übertragbaren Krankheit geht auf eigenes Verhalten zurück. Endometriose hingegen ist eine häufige, schmerzhafte, chronische Erkrankung im Becken- oder Bauchraum einer Frau, die nicht selten deren Fruchtbarkeit beeinträchtigt. Die Ursachen dafür sind noch nicht abschliessend erforscht. Es handelt sich jedoch nicht um eine sexuell übertragbare Erkrankung.
Niemand kann etwas für Endometriose
Nur weil verschiedene Krankheiten in einem ähnlichen Bereich des Körpers auftreten, heisst das nicht, dass weitere Ähnlichkeiten zwischen ihnen existieren. Für eine Infektion mit einer sexuell übertragbaren Krankheit kann eine Frau Verantwortung übernehmen, für die Erkrankung an Endometriose nicht. Auch hier gilt also, dass Ungleiches nicht gleich behandelt werden sollte. Oder anders gesagt: Die Frage, ob man für eine Erkrankung Mitverantwortung trägt oder nicht, sollte mit darüber entscheiden, in welchem Masse man für deren Behandlung aufkommen muss. Denn gibt es nicht auch im sexuellen Bereich so etwas wie Fahrlässigkeit?
Die Initiative zeigt somit auf erschreckende Weise, wie weit wir uns mittlerweile von der Fähigkeit zur sachlichen, logischen Argumentation entfernt haben. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Nationalrat die Initiative entschieden ablehnt. Der Ständerat hat es bereits am 16. Dezember 2024 getan.