In den Sommermonaten schwirren sie wieder um unsere Gartentische: die fleissigen Bienchen. Doch Bienen sind nicht nur fleissig, wie eine Redensart sagt, sondern in unserem Ökosystem unverzichtbar: Eine deutsch-französische Studie schätzte 2008 den wirtschaftlichen Wert der Bestäubung von Pflanzen weltweit auf rund 153 Mrd. Euro pro Jahr. Diese Summe entspricht etwa einem Zehntel der Nahrungsmittelproduktion für die gesamte Menschheit.
Meist wird der Begriff Biene auf Westliche Honigbiene reduziert, die wegen ihrer Bedeutung als staatenbildender Honigproduzent besondere Aufmerksamkeit erfährt. Dabei handelt es sich bei den Bienen um eine grosse Gruppe mit sehr unterschiedlichen Arten. Viele davon, vor allem die einzeln lebenden, werden unter dem Begriff „Wildbienen“ zusammengefasst. Weltweit wird die Zahl der Bienenarten auf rund 20’000 geschätzt. Davon sind in Europa etwa 700 Arten heimisch. Rund drei Billionen Bienen gibt es schätzungsweise auf der Welt – das sind 3’000 Milliarden!
Das ist aber keineswegs das einzig Erstaunliche an der Honigbiene. Sie ist ein echtes Wundertier. Denn so klein die Bienen auch sind, gerade in ihren winzigen Organismen lassen sich faszinierende biologische Meisterleistungen der Schöpfung erkennen. Neben dem Sehsinn, mit welchem sie Farben und Formen erkennen, verfügen sie über den Tast- und Geruchssinn. Damit können Sie genau zwischen einzelnen Stoffen unterscheiden. Weil sie sogar einzelne Moleküle TNT-Sprengstoff „erriechen“ können, interessieren sich auch das US-Militär und grosse Sicherheitsfirmen für Bienen als lebende Sprengstoff-Detektoren.
Kleinste Reize werden wahrgenommen
Feuchtigkeit und Wärme sind für die kleinen Insekten lebensbedrohlich. Daher verfügen sie in ihren Antennen über einen Sinn für Wärme und Feuchtigkeit, um auf die Aussenwelt reagieren zu können. So regeln sie z.B. in ihrem Brutnest die Wärme genau auf 35 °C und die Luftfeuchtigkeit auf etwa 40 Prozent, egal, welche Aussentemperatur herrscht. Geheizt wird durch stärkeres Bewegen, gekühlt durch Fächeln, ausgeführt durch Flügelschlagbewegungen. Reicht dies nicht aus, holen die Bienen Wasser von draussen und verstreichen es zwischen den Brutzellen, sodass es durch Verdunstung kühlt.
Selbst geringe Erschütterungen können Bienen über ihren Vibrationssinn und das Gehör feststellen. So nehmen winzige Häärchen am Körper der Bienen schon kleinste Reize wahr. Daneben erkennen sie die verschiedenen Jahreszeiten und können über ihren Zeitsinn entsprechend darauf reagieren. Wie auch die Zugvögel verfügen Bienen über den faszinierenden magnetischen Sinn, denn hierüber können sie sich an dem Erdmagnetfeld in der Aussenwelt orientieren. Dafür sind Millionen winziger, eisenhaltiger Kristalle verantwortlich, die sich im Hinterleib der Biene befinden.
Wie finden die Bienen ihr Futter? Dafür haben sie eine eigene Körpersprache, den Rund- und Schwänzeltanz. Damit geben sie alle Informationen an ihre Kolleginnen weiter, die nötig sind, um die gleichen Futterquellen zu finden. Für Nahrung im Umkreis von ca. 50 Metern vollführt die Biene einen sog. „Rundtanz“: Sie läuft aufgeregt im Kreis, immer abwechselnd rechts und links herum. Je reicher die Quelle, desto ausdrucksvoller der Tanz. Für weiter entfernte Nahrung gibt es den „Schwänzeltanz“: Dabei bewegen sich die Bienen abwechselnd in Halbkreisen und geraden Linien und zucken mit ihrem Hinterleib rasch hin- und her. Je weiter die Futterquelle, umso langsamer wird getanzt. Die Biene informiert dadurch ihre Schwestern über Entfernung und Richtung der Nahrung, und dies bis auf wenige Meter genau!
Honig – das flüssige Gold
Seit Tausenden von Jahren profitiert der Mensch vom bekanntesten Bienenprodukt, dem Honig und misst ihm einen hohen Stellenwert bei. Als eine kristalline Substanz, die hauptsächlich aus Frucht- und Traubenzucker besteht, dient Honig dem Bienenvolk als Energiequelle, um längere Zeiten ohne Nahrung von aussen zu überleben. Indem Bienen Nektar von Blütenpflanzen oder süsse Säfte von Pflanzen aufnehmen, mit körpereigenen Stoffen anreichern, in ihrem Körper verändern, in Waben speichern und dort reifen lassen, entsteht Honig. Honig ist in allen Überlieferungen Sinnbild für Reichtum und Süsse. In der Bibel fliessen im Heiligen Land Milch und Honig. Honig ist als Symbol der Erkenntnis, des Wissens und der Weisheit den Auserwählten im Diesseits und Jenseits vorbehalten. Pythagoras soll sich sein Leben lang nur von Honig ernährt haben. In vielen früheren Hochkulturen (Ägypten, Babylon, Indien, China, Mexiko) hatte Honig einen sehr hohen Wert. Er war Opfergabe, Heilmittel, Grabbeigabe und auch Zahlungsmittel. Der griechische Arzt und Gelehrte Hippokrates setzte Honig als Allheilmittel bei Fieber, Verletzungen, Geschwüren und eitrigen Wunden ein. Bei den Griechen galt Honig als Schönheitsmittel.
Neben dem Honig ist der Königinnenfuttersaft, auch Gelée Royale genannt, ein exklusives Produkt der Bienen, das für den Menschen in Form von Pillen oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen eine aufbauende und kräftigende Wirkung hat. Ein weiterer wichtiger Stoff aus dem Bienenvolk ist das Kittharz (Propolis), das zum Abdichten von Ritzen sowie zum Verkleistern diverser Teile des Stockes dient. Beim Präparieren von Holz und auch im Geigenbau ist der Einsatz von Propolis altbewährt. Aufgrund seiner antibiotischen Wirkung wurde Propolis auch für die Behandlung von Wunden und Geschwüren seit dem Mittelalter eingesetzt. Heute wird das Kauen von Propolis zur Desinfektion der Mundhöhle sowie bei Parodontose empfohlen, zudem wird Propolis bei Virusgrippen, Magen- und Darminfektionen und bei Juckreiz eingesetzt.
Leider sind die Bienen immer wieder von grossen Gefahren bedroht. Eine Gefahr ist der Völkerkollaps, der „Colony Collapse Disorder“: Bienenvölker verlassen dabei ziellos den Stock, zurück bleibt lediglich die Nachkommenschaft. Das Bienensterben im Winter 2006/2007, das bis zu 70 Prozent der Bienenvölker in den USA dahinraffte, ist dramatisches Beispiel eines solchen Völkerkollapses. Die Fachwelt ist sich jedoch auch in weiten Teilen einig, dass das Bienensterben kaum durch einen einzelnen Faktor ausgelöst wird. Wahrscheinlicher ist ein Zusammenspiel mehrerer Belastungen. Eine der grössten Belastungen ist der Befall durch die Varroa-Milbe. Der aus Asien eingeschleppte stecknadelgrosse Parasit wächst in den Brutzellen der Bienen und lebt auf dem Körper der Tiere weiter. Die Milbe wurde Ende der 70er-Jahre erstmals in Europa entdeckt und bedroht hierzulande bereits ganze Bienenvölker. Sie befällt die Stöcke und verursacht dramatische Ausfälle für Ökologie und Ökonomie, denn das grösste Bienensterben aller Zeiten wird befürchtet.
Bienen – ein Wunder Gottes
Sie sind klein, intelligent und fleissig, und sie sind überaus wertvoll für unser Ökosystem – die Bienen. Und betrachtet man, wie faszinierend sie ausgestattet sind und welche Leistung sie für unser Menschen erbringen, ja wie unersetzlich sie für uns sind, dann merkt man, dass tatsächlich etwas Wahres in dem alten Spruch liegt: „Willst du Gottes Wunder sehen, musst du zu den Bienen gehen.“
Von Thomas Muhl und Beatrice Gall