Sie wurde in 360 Sprachen übersetzt und gilt damit als eines der meistübersetzten Dokumente weltweit: die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Heute vor genau 60 Jahren wurde sie feierlich unterzeichnet und seither gelten die darin enthaltenen Menschenrechte als Fundament der Freiheit, Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt. Vielerorts stehen deshalb in diesen Tagen Veranstaltungen zu diesem Jubiläum auf dem Programm.
So verschieden diese Veranstaltungen auch sind – eines geht klar daraus hervor: Die Umsetzung der allgemeinen Menschenrechte ist immer noch alles andere als selbstverständlich. Weltweit kommt es trotz internationaler Vereinbarungen immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen, die von Diskriminierung und Rassismus über Einschränkungen der Meinungs- und Religionsfreiheit bis hin zu Völkermord, Vertreibung und Folter reichen.
Besonders um die Religionsfreiheit ist es vielerorts schlecht bestellt: Allein 230 Millionen Christen weltweit werden wegen ihres Glaubens diskriminiert und zum Teil grausam verfolgt – mehr als je zuvor. Laut des Jahrbuchs 2008 zur Christenverfolgung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sind unter den ersten zehn Ländern mit der schlimmsten Christenverfolgung sechs Länder islamisch geprägt, drei kommunistisch und eines buddhistisch. An der Spitze stehen Nordkorea, Saudi-Arabien, Iran und die Malediven. Diese Tatsachen geben zu denken – da doch von vielen Seiten immer wieder vom „friedlichen Islam“ die Rede ist.
Doch nicht nur in den angeführten Ländern lebt gefährlich, wer den „falschen“ Glauben ausübt oder zu einer andern Religion übertritt. Auch in Europa sind zunehmend Menschen aufgrund ihrer Glaubenswahl gefährdet – und das, obwohl in den meisten Ländern die Menschenrechte gesetzlich in den Verfassungen verankert sind. In der Schweiz beispielsweise sind die Menschenrechte in der Bundesverfassung von 1999 aufgenommen sowie in den Kantonalverfassungen. Das Bundesgericht stellt zudem sicher, dass die Menschenrechte in der Schweiz respektiert werden.
Und dennoch: An einer Podiumsveranstaltung der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) in Bern vom 07.12.2008 anlässlich der 60-jährigen Jubiläums der Menschenrechtserklärung wollte die SEA einen Ex-Muslim einladen, der zum Christentum konvertiert ist. Angefragte Personen sagten aber reihenweise ab, weil sie „Angst vor Repressalien“ hatten. Die Ex-Muslime fürchten sich vor Drohungen gegen die eigene Person oder Gefahren für ihre Verwandten, die noch in islamischen Ländern leben. Den Mut, unter einem Pseudonym über sein Leben und die Repressalien gegen ihn zu berichten, fand dann schliesslich ein gebürtiger Ägypter aus Deutschland, der von seiner Angst vor wütenden Muslimen erzählte und offen bekannte: „Ich bin auch in Europa keineswegs in Sicherheit.“ Zu den noch harmlosen Anfeindungen gehöre z.B. das morgendliche Inspizieren seines Autos, um zu sehen, ob die Reifen zerstochen seien.
Die Angst des Mannes ist begründet, denn der Abfall vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia, dem islamischen Gesetz, mit dem Tod bestraft. Eine entsprechende Stellungnahme hätte man also gerne vom einzigen muslimischen Vertreter in der Runde, Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (Kios), gehabt. Doch dieser liess die Apostasie-Problematik einfach beiseite und meinte, dass es in vielen islamischen Ländern undemokratische Regimes gäbe, die generell Menschen verfolgten, welche Freiheit forderten und behauptete, die Tatsache, dass jemand Christ sei, würde keine Rolle spielen, wenn in islamischen Ländern Christen verfolgt würden. Für die Millionen von Christen, die in islamischen Ländern unter heftigsten Repressalien leiden, und alle, die ihre Geschichten kennen, dürfte das ein offener Schlag ins Gesicht gewesen sein. Wohl auch für die von der SEA angefragten Ex-Muslime, die aus Angst nicht auf der Veranstaltung erschienen waren. Und es erinnert an die Aussage des Luzerner Imam Petrit Alimi, der im Februar diesen Jahres auf einer Tagung verkündete, dass Menschenrechte im Islam eine Selbstverständlichkeit seien.
Das chronische Aus-dem-Weg-Gehen muslimischer Vertreter in der Schweiz, wenn es um Fragen von Menschenrechtsverletzungen, den Schutz von Apostaten oder einem klaren Bekenntnis zu den Menschenrechten (ohne die Einschränkung „solange es nicht der Scharia widerspricht“) geht, ist mehr als auffällig und stimmt nachdenklich. Ebenfalls auffällig ist, dass muslimische Vertreter solche Podien gerne als Gelegenheit nutzen, um den Schuldfinger zu heben und die Schweiz bzw. deren Vertreter zu kritisieren. Alimi betonte im gleichen Atemzug, in dem er die Menschenrechte als selbstverständlich im Islam bezeichnete, dass die Lage der Schweizer Muslime unbefriedigend sei. Und Afshar sparte ebenfalls nicht mit Kritik am Westen bei der Podiumsdiskussion der SEA in Bern. Christian Bibollet, Islamspezialist der französischen Allianz, legte den Finger in die Wunde, als er sagte, dass sich der Islam für überlegen halte, keine Selbstkritik kenne und Religionsfreiheit verstehe als Freiheit, Muslim zu sein oder es zu werden. Es herrscht also ein grundlegend anderes Verständnis von Religionsfreiheit im Islam. Und dieses Verständnis macht auch nicht vor den Grenzen Europas Halt, sondern versucht sich zu etablieren.
In einer Welt, die von ethnischen, ökonomischen und religiösen Spaltungen bedroht ist, müssen die Grundsätze der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mehr denn je bekannt gemacht und dafür gesorgt werden, dass sie eingehalten werden. Die Schweiz hat sich diesen Menschenrechten verpflichtet und wer hier lebt, hat diese Grundsätze anzuerkennen und zu achten – das gilt für alle gleichermassen.
Von Beatrice Gall