Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hat am heutigen Freitag (26. September 2008) an Bundesaussenminister Frank Walter Steinmeier appelliert, gegen ein neues Gesetz im Iran zu intervenieren, das den Abfall vom Islam mit der Todesstrafe bedroht. Das Gesetzgebungsverfahren ist weit vorangeschritten, aber noch nicht abgeschlossen. Der Gesetzentwurf war in einer ersten Lesung am 9. September im iranischen Parlament mit grosser Mehrheit gebilligt worden. Rechtskräftig kann das Gesetz aber erst werden, wenn auch der islamische Wächterrat ihm zugestimmt hat. Die IGFM befürchtet, dass sich durch das Gesetz die Verfolgung von christlichen Konvertiten und islamischen Reformern noch weiter verschärfen wird.
Nach der iranischen Verfassung können Delikte bestraft werden, zu denen „Gesetze nicht vorhanden“ sind (Art. 167 Verfassung). Dazu gehört zum Beispiel der Abfall vom Islam (Apostasie). In solchen Fällen gelten nach der iranischen Verfassung die „authentischen islamischen Quellen“ und die „gültigen religiösen Fatwas“ (Rechtsgutachten), also die Überlieferungen und Fatwas der im Iran gültigen dschaf’aritisch-schiitischen Rechtsschule. Nach Angaben der IGFM wird in allen islamischen Rechtsschulen die Abkehr eines Mannes vom Islam mit der Hinrichtung geahndet.
Gegen Muslime, die tatsächlich oder vermeintlich vom Islam abgefallen waren, ist von iranischen Behörden in einzelnen Fällen auch ganz offiziell Anklage erhoben worden. Nach Ansicht der IGFM ist das bei weitem grössere Problem aber das inoffizielle Vorgehen von staatlichen und halbstaatlichen Organen gegen Andersdenkende. Systematische Folter, Hinrichtungen wegen konstruierter Vorwürfe wie z.B. Prostitution, staatliche Morde und das „Verschwinden“ von Konvertiten und Bürgerrechtlern diene dazu, die Macht der Mullahs zu sichern.
Revolutionsgerichte sprechen „Recht“
Die in Frankfurt ansässige IGFM weist darauf hin, dass schon seit der Machtergreifung islamischer Geistlicher Ende März 1979 Andersdenkende und vom Islam abgefallene ehemalige Muslime verfolgt werden – auch ohne legale Grundlage. Das islamische Recht inklusive des islamischen Strafrechtes ist im Iran bereits eingeführt worden, bevor am 15. November 1979 die Verfassung der islamischen Republik Iran in Kraft trat. Unmittelbar nach der Machtergreifung wurde am 17. Juni 1979 das Gesetz zur Gründung der Revolutionsgerichte erlassen, die „nach islamischem Recht“ (Art. 12) zu urteilen haben. Die bis heute bestehenden und berüchtigten Revolutionsgerichte liessen damals Tausende hinrichten, obwohl zwischen 1979 und 1982 ein Strafrecht angewandt wurde, dass bis dahin noch nicht einmal in Teilen kodifiziert war.
Der Begriff „Abfall vom Islam“ („irtidad“) wird in den Rechtstexten des Iran nur in Art. 26 des Pressegesetzes explizit genannt. Dort heisst es, dass jeder, der durch die Presse den Islam oder etwas, was dem Islam heilig ist, herabsetzt und damit einen Abfall vom Islam veranlasst, selbst wie ein Abgefallener (murtad) bestraft wird. Die vorgesehene Bestrafung eines Abgefallenen war zumindest bisher per Gesetz noch nicht einmal erwähnt. De facto war und ist die Strafe für die Abkehr vom Islam im Iran aber jedem geläufig: die Hinrichtung.
Medienmitteilung IGFM