Seit dem Artikel der Schweizer Boulevard-Zeitung „Blick“ im Mai 2011 wurde die breite Öffentlichkeit erstmals auf die geplante Sexualerziehung aufmerksam. Nach und nach kamen weitere Informationen ans Tageslicht, welche den Eindruck bestärkten, dass der Bund flächendeckend eine frühkindliche Sexualerziehung anstrebt: Im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) hat das „Kompetenzzentrum für Sexualpädagogik und Schule“, angesiedelt an der pädagogischen Hochschule Zentralschweiz (PHZ), das Dokument „Grundlagenpapier Sexualpädagogik und Schule“ erarbeitet, welches bei der Erstellung von Lehrplänen dienlich sein soll.
Diese Tatsachen sind vor allem deshalb interessant, weil die Schule – und somit auch die Sexualpädagogik/Sexualerziehung – in die Zuständigkeit der Kantone und nicht des Bundes fällt. Ziel des Kompetenzzentrums ist u.a. die Sexualerziehung in den Lehrplänen der Volksschule inhaltlich und strukturell zu verankern. Warum fördert der Bund – ohne Koordination und Absprache mit den Kantonen – den Aufbau dieses Kompetenzzentrums? Dieses Vorgehen lässt nur einen Schluss zu: Der Bund will Einfluss auf die Schulen, insbesondere auf den Bereich der Sexualerziehung gewinnen.
Dieses Grundlagenpapier bezeichnet Kinder als sexuelle Wesen und thematisiert u.a. bei Vierjährigen das Entdecken der eigenen Sexualorgane als Quelle neuer Lustgefühle, bei Fünfjährigen das Üben von Rollenspielen (u.a. auch Familien mit zwei Müttern und zwei Vätern) und das Sprechen über Verliebtsein und Geschlechtsverkehr. Im Weiteren soll in den Sexualunterricht mit den Jugendlichen einfliessen, dass jegliche einvernehmliche sexuelle Betätigung in Ordnung sei und die unterschiedlichen sexuellen Orientierungen (Homo, Bi-, Trans- und Intersexualität etc.) als gleichwertig anzusehen seien. Interessanterweise wird im Grundlagenpapier nur von Kinderrechten gesprochen, von Elternrechten wird nichts erwähnt! Was auf den ersten Blick nicht gleich erkennbar ist: Mit dem Programm der frühkindlichen Sexualerziehung soll den Kindern auch gleich von Kindesschuhen an die Ideologie des Gender Mainstreaming mitgegeben werden. Ausdrücke im Grundlagenpapier wie z.B. „Menschen als soziale Konstruktion“, „Sexualität als kulturell und psychosozial bedingt“ und „jegliche sexuelle Orientierung ist gleichwertig“ weisen deutlich auf Gender Mainstreaming hin.
Lehrer- und Elternverbände sowie Politiker starteten gemeinsam im Juni 2011 eine Petition „gegen die Sexualisierung der Volksschule“. Unter dem Druck der Öffentlichkeit und der laufenden Petition sah sich die Schweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) gezwungen, zu handeln: In den Medienmitteilungen vom 16. Juni bzw. 23. September 2011 hielt die EDK fest, dass die Eltern primär für die Sexualerziehung verantwortlich seien, die Sexualerziehung wie bisher erst gegen Ende der Primarschulzeit beginne und sich am Entwicklungsstand der Kinder und Jugendlichen orientiere. Auch über die Frage der Befreiung von der Sexualerziehung würden die Kantone entscheiden.
Mittlerweile hat der Kanton Basel-Stadt als erster Kanton im August 2011 mit der Umsetzung der Sexualerziehung im Kindergarten angefangen. Unter anderem sollen die Kleinen mit dem sogenannten „Sexkoffer“ aufgeklärt werden. In einem im August 2011 im Sonntagsblick erschienen Interview lehnte der zuständige Erziehungsdirektor Christoph Eymann eine Befreiung von der Sexualerziehung ab. Die betroffenen Eltern im Kanton Basel-Stadt hatten daraufhin für ihre (Kindergarten-)Kinder erste Gesuche um Befreiung vom Sexualkundeunterricht eingereicht. Sie liessen sich dazu juristisch beraten. Die juristischen Fachkräfte kommen zum Schluss, dass eine Verweigerung der Befreiung und ein damit verbundener Zwang zum Besuch des Sexualkundeunterrichts verfassungs- und somit rechtswidrig wären. So verletze ein Sexualkunde-Obligatorium auf Stufe Kindergarten etwa die verfassungsmässigen Rechte auf persönliche Freiheit des Kindes und auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Kindes und der Eltern wie auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Eltern Die Schulleitung lehnte die Gesuche jedoch Ende September ab. Darauf meldeten die Eltern beim besagten Erziehungsdirektor Eymann Rekurs an und verlangten die sofortige Befreiung vom Sexualkundeunterricht für die Dauer des laufenden Verfahrens. Das Erziehungsdepartement informierte die Eltern, der Regierungsrat habe beschlossen, dass das Rekursverfahren durch den Gesamtregierungsrat zu entscheiden sei. Die Vermutung liegt nahe, dass der Erziehungsdirektor Eymann in dieser „heissen“ Angelegenheit die Verantwortung nicht alleine tragen will.
Die bereits erwähnte Petition gegen die Sexualisierung war ein voller Erfolg: Innerhalb der kurzen Zeitspanne von drei Monaten kamen rund 92’000 Unterschriften zusammen, welche anfangs Oktober 2011 der EDK übergeben wurde. Dieses sensible und heikle Thema mobilisierte die Menschen und ist ein Hoffnungsschimmer am Horizont, der zeigt, dass die Bevölkerung (doch noch) wachsam ist und sich für die gute Sache gewinnen lässt.
Anfangs Dezember 2011 regte sich auch Widerstand von kirchlicher Seite: Bischof Vitus Huonder, Bischof von Chur, übte als einziger Bischof scharfe Kritik am Sexualkundeunterricht. Die Sexualerziehung liege grundsätzlich in der Verantwortung der Eltern. Diese sollten ihr Kind für dieses Fach befreien lassen können, forderte Huonder. Durch Programme wie Gender Mainstreaming, Prävention, Gleichwertigkeit jedweder sexueller Orientierung werde der junge Mensch von der christlichen Haltung in Fragen der Sexualität entfremdet, warnt der Bischof: „Selbstbeherrschung und deren Einübung werden ausgeklammert. Enthaltsamkeit und Keuschheit sind kein Thema.“ Mutige und klare Worte, wie man sie heute selten hört!
Noch eine persönliche Abschlussbemerkung: Mehr denn je bin ich überzeugt, dass es unsere Aufgabe ist, uns für die christlichen Werte und Ideale zu engagieren, sei es in Form von Leserbriefen in Zeitungen/Zeitschriften, von Briefen direkt an hohe Politiker, Bischöfe, sei es, dass wir uns in Gruppen oder Vereinen organisieren etc. Denn solange die christliche Stimme in der Öffentlichkeit noch erklingt, besteht Hoffnung. Der Widerstand in der Schweiz zeigt, dass die Menschen mit Tatendrang, Mut und fruchtbarer Zusammenarbeit sich Gehör verschaffen und der Gesellschaft neue Impulse verleihen können. Wir können nur dann eine Erneuerung der Gesellschaft erwarten, wenn wir uns aktiv ins Zeitgeschehen einmischen und auf Missstände hinweisen. Eine christliche Gesellschaft fällt nicht einfach vom Himmel. Sie entsteht nicht zufällig. Sie ist Frucht des Gebetes, erfordert gleichzeitig aber auch unseren persönlichen Einsatz: Kampfesmut und Eifer, uns für Gott und die christlichen Überzeugungen einzusetzen. Was kann uns schon passieren. Wie der heilige Apostel Paulus schon sagte: „Wenn Gott für uns ist, wer kann dann gegen uns sein“ (Röm. 8, 31).