Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist am 12. August 2014 auf ein verwaltungsrechtliches Gesuch von 35 Jugendlichen und Kindern auf sofortige Beendigung der verletzenden und kontraproduktiven HIV-Präventions-Kampagne „Love Life – Bereue nichts“ nicht eingetreten. Ohne auf die inhaltliche Kritik einzugehen, begründet das BAG sein Nichteintreten auf das Verfügungsgesuch mit Verweis auf angebliche formale Mängel. Die Gesuchsteller sind von diesem Vorgehen enttäuscht und werden den Entscheid nun beim Bundesverwaltungsgericht anfechten sowie eine Aufsichtsanzeige beim zuständigen Bundesdepartement erstatten.
Ohne auf die inhaltliche Kritik an den hochsexualisierten Inhalten der Love-Life-Kampagne 2014 einzugehen, welche die verfassungsmässig garantierten schutzwürdigen Interessen von Jugendlichen und Kindern massiv verletzen, hat das BAG aus rein formalen Gründen die Legitimation des Verfügungsgesuchs bestritten. Das BAG räumt in seiner Antwort zwar ein, dass einzelne Kampagnenelemente auch für Kinder und Jugendliche wahrnehmbar sind, bestreitet aber die besonderen schutzwürdigen Interessen der 35 Gesuchsteller, da diese nicht stärker als die Gesamtheit aller übrigen Kinder und Jugendlichen von der Kampagne betroffen seien.
Fragwürdige Argumente
Mit dieser unsensiblen, ausweichenden und auch rechtlich äusserst fragwürdigen Antwort wird sich nun das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz auseinandersetzen. Denn im vorliegenden Fall geht es nicht nur um die 35 Gesuchsteller, sondern vor allem um die von der Gesamtbevölkerung klar abgegrenzte und deutlich kleinere Gruppe der Kinder und Jugendlichen. Diese aber ist aufgrund ihrer stärkeren Verletzlichkeit bzw. ihrer besonderen schutzwürdigen Interessen berechtigt, auch entsprechende Schutzmassnahmen einzufordern. Aus vergleichbaren Bundesgerichtsentscheiden ergibt sich nämlich nicht, wie gross die Gruppe der Beschwerdeberechtigten höchstens sein darf. Entscheidend ist vielmehr der Nachweis einer besonderen Betroffenheit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, den die Gesuchsteller mit ihrem zwölfseitigen Gesuch hinlänglich erbracht haben.
Ohne Rücksicht und Respekt
Dass gerade Kinder und Jugendliche vor den Inhalten der aktuellen Love Life-Kampagne zu schützen sind, und dass deren Schutzwürdigkeit in der Gesellschaft grosse Akzeptanz findet, zeigt etwa die Tatsache, dass das Fernsehen der italienischen Schweiz RSI im Mai 2014 den Werbespot der BAG-Kampagne erst gegen 22 Uhr und nicht – wie vom BAG gewünscht – schon um 20 Uhr ausgestrahlt hat. Ferner hat die Plakatgesellschaft APG|SGA nach internen Richtlinien die Plakatsujets wichtigen Städten, Gemeinden und Partnern zur Prüfung vorgelegt, worauf einige Gemeinden darum gebeten haben, die Plakate nicht entlang von Schulwegen aufzuhängen. Demgegenüber priesen das BAG und seine Präventions-Partner (Aids-Hilfe Schweiz und SEXUELLE GESUNDHEIT Schweiz) die Sex-Plakate als gute Gelegenheit für Eltern und Erzieher, mit Kindern über Sexualität ins Gespräch zu kommen.
Anstatt die in der Gesellschaft vorhandene Sensibilität gegenüber Kindern aufzugreifen und für die eigenen Kampagnen in vorbildlicher Konsequenz anzuwenden – denn Kinder bewegen sich ja nicht nur von zu Hause in die Schule und zurück –, zeigt nun das BAG mit seiner Antwort erneut seine Rücksichts- und Respektlosigkeit vor der psychischen und sexuellen Integrität Minderjähriger. Die Betroffenen wollen daher zusätzlich mit einer Aufsichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Departement des Innern die vom BAG verweigerte inhaltliche Stellungnahme zur Kritik an der Love Life-Kampagne erzwingen.