Unsere Vorfahren riefen das Schweizer Volk zum Fasten zusammen, um nach einem Sieg ihre Dankbarkeit gegenüber Gott und im Unglück ihre Reue zu zeigen. 1832 setzte die Tagsatzung1 den Eidgenössischen Bettag als „Dank-, Bussund Bettag“ für das ganze Land ein. Dieser Appell unserer Vorfahren vor mehr als 180 Jahren gilt immer noch. Er lädt die Bevölkerung ein, am dritten Sonntag im September gemeinsam innezuhalten, zu fasten und auf Gott zu hören. Was aber ist in unserer Zeit des Überflusses und des Konsums von diesem „Eidgenössischen Fasten“, wie es die Welschen heute noch nennen, übriggeblieben?
Es sei nichts mehr übrig von den alten Traditionen, wunderte sich schon 1919 die Presse. So schreibt etwa die Zeitschrift „Le Conteur vaudois“, dass man am Bettag 1843, um einen Sitzplatz in der Kirche zu haben, noch „lange vor dem Glockengeläut dort sein musste“. In Morges z.B. begann die Sonntagsfeier
bereits um acht Uhr mit Bibellesung, gefolgt von einer (wie der Chronist betont: „ziemlich langen“) Predigt des Pastors. Danach wurden Psalmen gesungen und die politischen Verantwortungsträger der Stadt hielten Reden, bis die Feier schliesslich am Nachmittag mit dem 4-Uhr-Glockenschlag zu Ende ging.
Sind wir uns der Bedeutung des Bettags bewusst?
Ohne mich für liturgische Formen der Vergangenheit stark machen zu wollen, bin ich überzeugt, dass es wichtig ist, diese Zusammenkunft unserer Ahnen ernst zu nehmen. Denn damals wie heute sind wir ringsum mit Fragen konfrontiert, welche direkt unsere Existenz betreffen. Ob wir über die richtige
Antwort auf den islamischen Terror diskutieren, über die Haltung der Schweiz zur EU oder auch über das moderne Verständnis von Familie – wir kommen doch immer wieder auf die Frage zurück: Wie beeinflusse ich die Gesellschaft durch meine Entscheidungen? Wenn wir eine Antwort darauf finden wollen, müssen wir innehalten und unser eigenes Leben vor Gott prüfen. Als Christen haben wir die Aufgabe, unseren Dank, unsere Sünden und Bitten für unser Land unserem gemeinsamen Gott und Herrn Jesus Christus vorzulegen. Tun wir das dieses Jahr mit einem Tag des gemeinsamen Fastens, Betens und Dankens?
Feierlicher Appell
In der heutigen Zeit, in der die Schnelllebigkeit regiert, erscheint die Tradition des Eidgenössischen Bettags vielleicht ungewöhnlich oder gar veraltet. Aber ist es denn tatsächlich zu viel verlangt, einen von 365 Tagen des Jahres dafür herzugeben, um nachzudenken und zu danken? Um dem Gott zu danken, der uns seit Jahrhunderten bewahrt? Um nachzudenken über die nahenden Wahlen im Herbst? Wir sollten uns einmal nicht fragen, was die Gemeinschaft für uns, sondern was wir für die Gemeinschaft tun können. So lange das christliche Volk betet, werden, davon bin ich überzeugt, die Menschen in unserem Land reich gesegnet sein. Stellen wir unsere Kirchenprogramme und unsere Eigeninteressen zur Seite! Verlassen wir unsere Isolierung, unsere Neutralität und unsere Bequemlichkeit! Unser Land ist in grosser Gefahr, denn die Abschaffung jedes Gottesbezugs und der Werte, welche die Stärke der Schweiz ausmachen, hinterlassen ein Chaos, das in unserer Gesellschaft noch deutlich zunehmen wird. Wachen wir also auf und beten wir, bevor es zu spät ist!
Philippe Corthay