Weisse Friedenstauben fliegen liessen Ende Juni auf der Insel Kreta die Oberhirten zehn orthodoxer Ostkirchen zum Abschluss ihres Konzils. Des ersten Konzils seit jenem von 879/80, als orthodoxe und abendländische Christen noch eine gemeinsame Kirche bildeten. Bei der Schlussliturgie in der Peter Pauls Kirche von Chania erklangen alle Kirchensprachen des Ostens und Orients: griechische, rumänische und kirchenslawische Hymnen sowie arabische Litaneien, bei denen sich Patriarch Theophilos III. von Jerusalem hervortat.
Die abwesende, reformfeindliche Orthodoxe Kirche von Bulgarien wollte mit den „Neuerern“ von Kreta nichts zu tun haben. Was sie nicht hinderte, aus ihrem kircheneigenen Sprudel im Balkangebirge die rund 330 Konzilsväter mit Mineralwasser zu versorgen. Worauf vielstimmig der Wunsch laut wurde: „Hätten doch auch die Russen ihr Fernbleiben mit Wodka- und Kaviarspenden gutgemacht!“
Besonders eindrücklich war die starke Präsenz schwarzafrikanischer Bischöfe auf dem Konzil. Die Orthodoxie galt ja längst nicht mehr als Missionskirche, seit Kyrill und Method von Byzanz aus die Mährer und Slowaken sowie dann ihre Schüler die Süd- und Ostslawen bekehrt hatten. Danach war es den Orthodoxen unter islamischer Herrschaft von Arabern, Türken und Mongolen bei Todesstrafe verboten, das Evangelium zu verkünden.
Seit den 1930er-Jahren hat es jedoch das Patriarchat Alexandria unternommen, seinen Titel „und von ganz Afrika“ mit missionarischer Realität zu füllen. Die Verkündigung begann in Uganda und breitete sich langsam über ganz Ostafrika aus. Der grosse Durchbruch kam dann in den 1980er-Jahren, als der in Marburg und Tübingen ausgebildete Missionswissenschafter Anastasios Yannulatos die Leitung der orthodoxen Afrikamission übernahm. Sie hat bis heute den ganzen Kontinent erfasst und betreibt dort erfolgreiche Inkulturation der byzantinischen Kirchentradition. 1991 wurde Yannulatos mit der Neuevangelisierung im postkommunistischen Albanien beauftragt. Als 87-jähriger albanischer Erzbischof trat er jetzt am Konzil für eine missionarische Zukunft der gesamten Orthodoxie ein. Zwar konnte er kein eigenes Missionsdekret erreichen, aber doch mit Patriarch Theodoros II. von Alexandria durchsetzen, dass die Verkündigung in der „Konzilsbotschaft“ zu einem wesentlichen Auftrag der Orthodoxie erklärt wurde.
Noch immer wenig Raum wurde am Konzil orthodoxen Frauen eingeräumt. Allerdings brachte ausser einer Äbtissin und eine Pastoraltheologin im Beraterteam des ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. auch Theophil von Jerusalem eine orthodoxe Palästinenserin mit; Wafa Kussus leitet seit 2007 die „Gegenseitigkeitshilfe“ der orthodoxen Christen in Nahost und Nordafrika. Die hat sich seitdem vorrangig zu einem Flüchtlingshilfswerk weiterentwickelt. Zusammen mit dem zypriotischen Metropoliten Isaias Kykkotis legte sie dem Konzil das Projekt für eine gesamtorthodoxe Hilfsorganisation zugunsten der Opfer von Islamistengewalt und der durch sie Heimatvertriebenen vor. Nur so könne die Orthodoxie in den Nöten unserer Zeit glaubwürdig werden.
Die jungen orthodoxen Missionskirchen wehrten sich auf dem Konzil auch erfolgreich gegen den Versuch ultrakonservativer Bischöfe aus Griechenland, die anderen Christen, ob evangelisch oder katholisch, als „Ketzer“ abzustempeln. Wieder war es Theodoros II. von Alexandria, der mit seiner Donnerstimme der Kirchenversammlung zurief: „Die islamischen Christenverfolger von heute fragen nicht nach der Konfession: ‚Kopf ab‘ heisst es für alle, die Jesu Namen tragen. Wer diese ‚Ökumene der Märrtyrer‘ leugnet, ist selbst kein Christ mehr!“
Von Heinz Gstrein