„Endlich!“, konstatierte Nicolas Walder (Grüne/Genf) zu Beginn seines Votums am 3. Juni 2020 im Nationalrat. Doch der Genfer hatte sich zu früh gefreut: Nachdem die Debatte über die Ausweitung des Ehebegriffs bereits in der Frühjahrssession aufgrund von Corona nicht stattgefunden hatte, wurde die Beschlussfassung am vergangenen Mittwoch wegen ungeplanter Verzögerungen ein zweites Mal verschoben.
Es sei höchste Zeit, lautete der Tenor der Mehrheit. Der Grünliberale Beat Flach sprach gar von einem historischen Schritt und Tamara Funicello von der SP forderte die Anwesenden auf, die gesellschaftliche Realität im Gesetz abzubilden. Doch es gab auch andere Voten: Insgesamt fünf Mal meldeten sich SVP-Vertreter zu Wort und plädierten für Besonnenheit, Verfassungsrechtlichkeit und Priorisierung des Kindeswohls vor Erwachseneninteressen.
Pirmin Schwander etwa störte sich daran, dass die Zivilgesetzbuchänderung ohne Einbezug der Bevölkerung debattiert wird. Der verfassungsmässige Ehebegriff sei, so Schwander, als Verbindung von Mann und Frau auszulegen und dies bedeute, dass vor einer allfälligen Ausweitung des Ehebegriffes verfassungsrechtliche Fragen sauber geklärt werden müssten. Ein anderer SVP-Exponent sprach in diesem Zusammenhang gar von einem „Putsch“ des Parlamentes gegen die Verfassung und sein Parteikollege Yves Nidegger äusserte Missfallen gegen die angewandte „technique du salami“: Das „Matrimonium“ auf gleichgeschlechtliche Paare anzuwenden, sei ein Widerspruch in sich, erklärte der Genfer.
Die EDU bedauerte in einer schriftlichen Mitteilung, „dass sich eine mehrheitliche Zustimmung zu diesem Vorstoss abzeichnet“. In Zeiten der „fordernden Corona-Krise“ eine gesellschaftspolitische Zerreissprobe vom Zaun zu reissen, lähme zukunftsentscheidende Prozesse und spalte die Gesellschaft. Sollte die Vorlage angenommen werden, werde die EDU „zusammen mit verbündeten Kräften“ das Referendum ergreifen müssen. Ob dies notwendig sein wird, soll sich am 11. Juni zeigen. Wenn dann nicht wieder etwas dazwischenkommt.