Die vom Obersten Militärrat eingesetzten Gouverneure bestätigen es erneut: Der proklamierte Bruch mit dem Regime Mubaraks findet nicht statt. 18 der 27 Gouverneure entstammen dem Militär, viele von ihnen haben direkte Verbindungen zur vorherigen Regierung. Es sind weder Minderheiten noch Frauen vertreten. Der einzige koptische Gouverneur General `Imad Shehata Mikhail, aufgrund massiver Prosteste von islamischen Fundamentalisten zurückgetreten, wurde am 4. August durch einen Offizier der Sicherheitsdienste und Weggefährten Mubaraks ersetzt. Massive Menschenrechtsverletzungen nehmen nicht ab: Meinungs- und Pressefreiheit werden weiter beschnitten und Kritiker eingeschüchtert oder inhaftiert. „Von einem wirklichen Neuanfang kann keine Rede sein“, so die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM).
Trotz der Machtübernahme durch die De-facto-Herrscher des Landes, dem Militärrat, traten die erhofften Verbesserungen der Menschenrechtslage im Land nicht ein. Kritik an ihr wird nicht geduldet. So wurden nach Informationen der IGFM zahlreiche Bürgerrechtsaktivisten verhaftet und gefoltert. Darunter sind auch bekannte Aktivisten wie der am 29. März 2011 unter dem Vorwand der Beleidigung des Militärrats verhaftete Blogger Maikel Nabil Sanad. Ähnlich erging es Asma Mahfus, welche am 14. August 2011 bis zu einer Kautionszahlung von umgerechnet 2‘300 Euro kurzfristig festgehalten wurde. Auch ihr wurde die Beleidigung des Militärrats vorgeworfen.
IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin stellt fest: „Gouverneure sollten vom Volk gewählt und nicht durch den Militärrat eingesetzt werden. Das Versprechen des Rates, die hierfür notwendigen Wahlen nach der Verabschiedung des Regionalen Verwaltungsgesetzes durchzuführen, hält die IGFM für ein leeres Versprechen. Der Militärrat hat die Ägypter schon zu oft enttäuscht. Insbesondere durch willkürliche Verhaftungen und Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit hat er seine Unfähigkeit für wirkliche Demokratisierung bewiesen. Dies zeigen auch die Beispiele der ägyptischen Bloggerinnen und Blogger.“ Die diktierte Einsetzung der Gouverneure stellt einen klaren Bruch von Artikel 1 des am 14. Januar 1982 von Ägypten ratifizierten Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte dar. Dieser Vertrag ist völkerrechtlich bindend und Ägypten steht somit in der Pflicht selbigen einzuhalten.
Die IGFM fordert, der Stimme des Volkes auch politisches Gehör zu verschaffen. „Gerade nach dem Sturz Mubaraks müssen die Grundlagen für echte Demokratisierung gelegt werden. Der begonnene Weg der Demokratisierung muss fortgesetzt werden. Menschenrechte und Bürgerrechte müssen einen unverrückbaren Platz im Alltag eines jeden Ägypters bekommen“, so die IGFM. In diesem Prozess stehe jedoch auch die Internationale Gemeinschaft in der Verantwortung und fordert die europäischen Regierungen, die Europäische Union sowie die internationale Gemeinschaft auf, Ägypten endlich in deutlicher Sprache an das bindende Völkerrecht zu erinnern. Dies müsse Grundlage aller bilateralen Gespräche sein.
Quelle: Medienmitteilung IGFM