Staaten rufen den Ausnahmezustand aus, schliessen Schulen und schränken die Bewegungsfreiheit ein. Die technische Überwachung der Bürger wird hochgefahren und Gesichtserkennung oder Temperaturscreening sind in manchen Ländern Teil des Krisenmanagements. Dies alles sind durchaus nachzuvollziehende Massnahmen. Daran gewöhnen sollten wir uns, wenn unsere Freiheit uns lieb ist, allerdings nicht.
Ein Kommentar von Regula Lehmann
Unbestritten ist, dass Krisenzeiten besondere Massnahmen und rasches Handeln erfordern. Was wir mit Corona erleben, fordert Behörden und Verantwortungsträger bis aufs Äusserste und es wäre fahrlässig, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Gleichzeitig ist es die Pflicht jedes wachen Staatsbürgers, neben Gehorsam und Kooperation dem Staat gegenüber darauf zu achten, dass Freiheit und Bürgerrechte nicht stärker und nicht länger als notwendig eingeschränkt werden. „Jetzt müssen wir Massstäbe für die Rückkehr ins soziale und öffentliche Leben setzen“, fordert im deutschen Nachbarland der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Armin Laschet in der Welt am Sonntag vom 29. März 2020. Bereits heute kann und soll der Übergang vom Ausnahmezustand in den Normalzustand bedacht und vorbereitet werden.
Auch Bestsellerautor Yuval Noah Harari fordert zur Wachsamkeit auf. Der israelische Historiker weist in der NZZ vom 23. März 2020 darauf hin, dass vom Staat angeordnete temporäre Massnahmen die Eigenheit haben, den Notstand zu überdauern, „weil ja stets ein neuer Notstand am Himmel droht.“ Selbstverständlich, so Harari, sollten neue Technologien zur Pandemiebekämpfung eingesetzt werden, doch diese müssten die Bürger ermächtigen, statt sie zu bevormunden: „Ich überwache gerne meine Körpertemperatur und meinen Blutdruck, aber meine Daten dürfen nicht dazu dienen, eine allmächtige Regierung zu schaffen. Im Gegenteil, die Daten sollten mich dazu befähigen, dank mehr Information bessere Entscheide für mich selber zu treffen und auch die Regierung für ihre Entscheide zur Verantwortung zu ziehen.“
Parteien und Bevölkerung müssen darauf bestehen, dass sie nach Beendigung der Krise ihre Freiheitsrechte vollständig zurückerhalten und Überwachungsmassnahmen vollumfänglich auf den Stand vor der Krise zurückgesetzt werden. Auch wenn die Welt sich nach Corona ein Stück weit verändert haben wird, darf Freiheit nicht blindem Vertrauen oder einem übersteigerten Bedürfnis nach Sicherheit geopfert werden. Der amerikanische Staatsmann Benjamin Franklin formulierte dazu bereits im Jahr 1755 treffend: „Wer essentielle Freiheitsrechte aufgibt, um ein wenig temporäre Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.“ Behalten wir also nicht nur die aktuelle Zeit, sondern auch die, welche nach Corona folgt, gut im Blick.