Vater Wolf (1756–1832), mit vollem Namen „Niklaus Wolf von Rippertschwand“, ist vor allem in der Zentralschweiz ein Begriff und wird von vielen bis heute verehrt. Er war Familienvater, Bauer und Grossrat. Ab seinem 50. Lebensjahr wirkte er „im Namen Jesu“ viele Heilungen. Durch sein Gebetsleben und seine Religiosität fordert er unsere Gegenwart heraus. Das Porträt eines stillen und doch so grossen Schweizers, dessen Todestag sich am 18. September jährt.  

Von Ralph Studer 

Wer von Luzern übers weite Mittelland hinausfährt, an Wiesen, Äckern und Obstgärten vorbei, umrahmt von dunklen, grünen Wäldern und in der Ferne die Alpen, kann sich ein Bild machen von der schönen Heimat des Bauern Niklaus Wolf. In Neuenkirch/LU lebte er auf seinem Hof zu Rippertschwand.

Kinder- und Jugendzeit

Geboren am 1. Mai 1756, zeichnete sich Niklaus Wolf von Jugend auf durch seinen Wissensdurst aus. Abends – besonders zur Winterzeit – ­sass er immer wieder hinter Büchern, die er sich aus der Stiftsbibliothek von Beromünster oder in der Klosterbücherei von St. Urban auslieh. Besonders Geschichte und Theologie hatten es ihm angetan. Eine Pilgerfahrt nach Rom mit 19 Jahren prägte sich ihm tief ein.

Bauer und Familienvater

Im Jahr 1779 heiratete er Barbara Müller. Dem Paar wurden neun Kinder geschenkt, von denen vier früh verstarben. Niklaus Wolf machte aus der väterlichen Liegenschaft einen Musterhof und übernahm diesen im Jahre 1788. Der kluge Bauer liess sich nicht durch Arbeit und materiellen Vorteil vom dem abhalten, was er als das Grösste im Menschenleben erkannte: das Gebet.

Der Sonntag war immer ein Festtag auf dem Hof zu Rippertschwand. Niemals kam es vor, dass eine Heugabel geschwungen oder eine Erntefuhre am Sonntag geladen wurde. Auch schloss Niklaus Wolf am Sonntag nie einen Handel ab.

Sein ganzes Denken und Handeln war geprägt von einem tiefen Glauben und einer Hingabe an Jesus Christus. Der Gottesdienst war ihm heilig. „Wenn der Mensch“, so Niklaus Wolf, „in der Kirche täglich eine Geldsumme holen könnte, so klein sie auch wäre, er wäre an keinem Tage zu träge, sie zu holen. Aber was Gott uns in der heiligen Messe schenkt, ist viel mehr wert als ein Haufen Geld.“

Niklaus Wolf im öffentlichen Leben

Schon früh erkannten die umliegenden Bauern Niklaus Wolfs Fähigkeiten. Sie kamen zu ihm, um in materiellen und anderen Belangen Rat zu holen. Als das Landvolk von Luzern im Jahr 1798 eigene Wahlmänner stellen musste, wurde Niklaus Wolf zum Volksvertreter gewählt. 1803 machte ihn das Volk zum Mitglied des Grossen Rats.

Es waren unruhige Zeiten, die viel Verwirrung brachten. Wolf durchschaute die schwierigen Verhältnisse wie wenig andere. Grossen Kummer bereitete es ihm, wenn Männer, die in öffentlichen Ämtern in Verantwortung standen, nicht mehr den rechten Weg gingen. Er nahm kein Blatt vor den Mund: „Statt sich als Diener Gottes zu betrachten, erheben sie sich, über das Heilige zu herrschen und es ihrer Gewalt und ihren politischen Zwecken unterzuordnen. Ihre Politik scheint mir ganz an die Feinde der Religion verkauft und verraten. Alles zielt mehr darauf ab, niederzureissen anstatt aufzubauen, Lebensgenuss über Gewissenstrost und Schein über Wahrheit zu erheben.

Wo Licht ist, da ist auch Schatten. So wurden zwar die Anhänger von Niklaus Wolf immer grösser, doch auch die Zahl seiner Feinde wuchs. Die Ratssitzungen forderten ihn immer mehr heraus. Über die damalige geistige Auseinandersetzung schrieb er: „Es herrschte schon damals ein Kampf zwischen der alten und ehrwürdigen Staatswissenschaft, die auf Glauben und Religion aufgebaut war, und der neuen, feindlichen Politik. (…) Es tat mir immer weh, dass man die Grundsätze der heiligen Religion nicht mehr den Beratungen zugrunde legen durfte.“

Stärkung des Gebetslebens

Die Politik verlor für ihn immer mehr an Bedeutung, während die Wichtigkeit des Gebets zunahm. Die Nöte der Zeit drängten ihn: „Ich meine, wir Männer müssten, anstatt nur zu politisieren, uns zum Gebet zusammentun, regelmässig. Das müsste eine Armee geben, die mehr ausrichtet als Napoleon mit seinen Soldaten.“ Und Niklaus Wolf verdeutlichte seine Absicht: „Bei uns in der grossen Stube kommen wir zusammen, später in anderen Häusern. Ich will unsere Männer dafür zu gewinnen suchen.“

In Gesprächen mit seinen Bauernkollegen kam er zu seinem Hauptanliegen: „Männer, wir wollen zusammenstehen. Mit Waffengewalt können wir nichts unternehmen. Aber es gibt geistige Waffen, die wollen wir ergreifen. Spürt Ihr denn nicht, wie die Hölle allen den Sinn verdunkelt und den Verstand verdreht, auch vielen Geistlichen? Was meint ihr, wenn wir uns jede Woche an einem Abend zusammentun zum Rosenkranz?“

Gesagt, getan. Die Männer folgten seinem Aufruf. Die grosse Stube auf dem Hof zu Rippertschwand wurde zur „Kirche“. Sie kamen wöchentlich zusammen und immer mehr Männer gesellten sich zu diesen Gebetsrunden.

Lebensverändernde Ereignisse

Für Niklaus Wolf wurde immer klarer: Den Menschen fehlt der Glaube, der unbegrenzt alles von Gott erwartet, alles im Namen Jesu. Er war zutiefst von der verändernden Kraft des Glaubens überzeugt: „Und hat nicht Christus gesagt: ‚Wenn ihr den Vater in meinem Namen um etwas bitten werdet, so wird er es euch geben?‘ Was haben wir noch Zweifel? Alles werden wir erhalten, wenn wir genug Glauben haben.“

In jener Zeit traten gesundheitliche Probleme bei ihm auf. Magen- und Herzbeschwerden plagten ihn. In seiner Not flehte Niklaus Wolf im Namen Jesu um Befreiung von seiner Krankheit. Und tatsächlich! Die Schmerzen verschwanden, neue Kraft durchflutete ihn: „Ich bin geheilt! Ich rief in meinen Schmerzen, zuerst zwar noch ganz schüchtern, den heiligen Namen Jesu dagegen an und war augenblicklich von allem Schmerz und aller Empfindung des Übels geheilt.“

Zwei Jahre später, im Herbst 1804, litt er erneut an heftigen Schmerzen, dieses Mal in den Beinen. Besonders schwere Leiden setzten ihm während einer Ratssitzung in Luzern zu, so dass der Heimweg fast unmöglich wurde. Ein unbegrenztes Vertrauen erfasste ihn: „Ich fasste mir ein Herz und ein allgewaltiges Vertrauen zum heiligsten Namen Jesu und rief ihn wider mein Übel an, und dieses wich augenblicklich samt all seinen Begleiterscheinungen.“

Sein „neues Leben“

Als ein Knecht schwer erkrankt war, stand der Hausvater betend und segnend an seinem Bett. Die Gesundung trat augenblicklich ein. Er spürte immer deutlicher, dass Gott ihn für andere Dinge brauchte als für Ratssitzungen und die politische Laufbahn. Da er immer wieder Kranken in der Nachbarschaft und der weiteren Umgebung Heilung vermitteln durfte, reifte sein Entschluss und er entschied im Jahre 1804, aus dem Grossen Rat zurückzutreten. Parallelen zu Bruder Klaus von Flüe werden spätestens an dieser Stelle deutlich.

Immer versuchte er, im Kranken zuerst Glauben und Vertrauen zu erwecken, bevor er um Heilung betete. Meistens trat sofort die Besserung ein, so dass das Volk von Wundern sprach. Wer aber Vater Wolf einen „Wundertäter“ nannte, kam bei ihm nicht gut an: „Gott allein kann helfen. Wir müssen nur Glauben haben“. Und Vater Wolf weiter: „Es ist nicht genug, dass man glaubt, Gott könne helfen. Das glaubt jeder, der an Gott glaubt. Man muss glauben, dass er uns wirklich hilft, weil er uns ja versichert hat, dass er uns alles gewähren wolle, um was wir ihn bitten werden.“

Dies klingt für unsere aufgeklärte und wissenschaftsgläubige Zeit fast unglaublich. Vielleicht ist Niklaus Wolf gerade auch deshalb für unsere Gegenwart von grosser Bedeutung, um zu erkennen, dass naturwissenschaftliche Gläubigkeit und Vernunft die tiefen Geheimnisse Gottes und unseres menschlichen Lebens nicht restlos erklären können.

Der Mann des Gehorsams

Vater Wolf war mit seinem Denken und seinem Charisma der Heilung manchen ein Dorn im Auge. Neid und Missgunst schwangen mit. Klagen gingen bei der kirchlichen Behörde in der Propstei zu Beromünster ein. Diese führten dazu, dass der zuständige Generalvikar Franz Bernhard Göldlin im August 1815 Vater Wolf mit einem Heilverbot belegte.

Es trat nun eine stillere Zeit für Niklaus Wolf ein. Er arbeitete wieder auf den Äckern und Feldern, in seinen Obstgärten und bei den Bienen. Doch dies dauerte nur für kurze Weile. Gebrechliche und Leidende kamen zu ihm und baten um seinen Segen und sein Gebet. Vater Wolf hielt sich als „Mann der Kirche“ an das Heilverbot und musste diese Bittsteller schweren Herzens abweisen. Auf Bitten und Drängen von Geistlichen und Laien hob Probst Göldlin im Juni 1816 das Heilverbot wieder gänzlich auf.

Eine besondere Begebenheit

So begab sich Niklaus Wolf fortan wieder zu den Kranken und Leidenden. Die Hauptarbeit des Hofes leistete und beaufsichtigte sein Sohn Johann. Folgendes Ereignis,  das für die damalige Zeit kaum vorstellbar war, zeigt seine Güte und sein weites Herz besonders,. Als Vater Wolf vernahm, dass eine junge Frau unehelich ein Kind bekommen hatte und von der Gesellschaft verachtet und ausgestossen war, besuchte er diese. Er riet den Eltern der jungen Frau, dass sie das Kind mit aller Liebe aufnehmen und erziehen sollten. Und zum Mädchen sagte er: „Lass dich nicht verwirren, wenn du Verachtung spürst. (…) Gott lässt es zu, um uns zu läutern und zu heiligen.“

Die letzten Jahre

Der alternde Niklaus Wolf erschien allen, die ihn kannten und ehrten, wie ein Vater seines Volkes, und sie liebten ihn auch wie einen Vater. Sein Glauben und sein Vertrauen zeigten sich auch besonders in seinen letzten Lebensjahren: „Er kann mich nehmen und sterben lassen, wann und wo er will, in welchem Augenblick er immer will, es geht mich nichts an. Er ist der Herr, und ich kann und mag ihm nichts dreinreden. Ich bin alle Stunden und Augenblicke bereit!“

Im September 1832 weilte der mittlerweile 76-Jährige im Kloster St. Urban. Am 17. September erlitt er einen Schlaganfall, dem er folgenden Tag erlag. Sein Leichnam wurde in Neuenkirch neben der Kirche beigesetzt. Die Grabinschrift könnte nicht treffender formuliert sein: „Der Gerechte lebt aus dem Glauben.“

Literaturhinweise:

  •  Lüthold-Minder, I. (1995). Erleuchteter Laie – Niklaus Wolf von Rippertschwand. Jestetten: Miriam-Verlag.
  • Lüthold-Minder, I. (2004). Die Macht des Gebetes. 2. Auflage. Jestetten: Miriam-Verlag.

Ausflugsort: Niklaus Wolf Weg in Neuenkirch/LU

Die Niklaus Wolf Stiftung weihte im Jahre 2015 den Niklaus Wolf Weg in Neuenkirch/LU ein. Dieser Weg führt als Rundweg von der Wallfahrtskapelle unterhalb der Pfarrkirche St. Ulrich nach Rippertschwand, Neuhus, Sellebode und zurück zur Wallfahrtskapelle. Auf dem Weg kommt man an fünf Stationen mit Betrachtungen zum Leben von Niklaus Wolf sowie in Rippertschwand am Wohnhaus von Niklaus Wolf (nicht öffentlich begehbar) vorbei. Planen Sie für den Rundweg ca. 90 Minuten ein. Es lohnt sich!