Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) sprach sich Ende Juni 2024 für die Motion der SVP-Fraktion „Kein WHO-Abkommen ohne parlamentarische Genehmigung“ aus. Dieser Antrag bestätigt damit den Entscheid des Nationalrats, der diese Motion bereits Mitte April 2024 annahm. Ein Parlamentsbeschluss zu den WHO-Verträgen – unter Einbezug des Referendums – wird damit immer wahrscheinlicher.
Von Ralph Studer
Wie die SGK-S in ihrer Medienmitteilung vom 28. Juni 2024 festhält, beantragt sie mit 8:3 Stimmen, die Motion der SVP-Fraktion „Kein WHO-Abkommen ohne parlamentarische Genehmigung“ anzunehmen. Diese verlangt, dass jegliches WHO-Abkommen zwingend dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet wird. Angesichts der potenziell verbindlichen Auswirkungen von Beschlüssen im Rahmen der WHO sei die Kommission der Ansicht, dass es sinnvoll sei, die Rolle der Bundesversammlung vorab zu klären.
Zuvor habe sie sich über die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), die Anfang Juni an der Weltgesundheitsversammlung der WHO beschlossen wurden, und über die aktuelle Situation beim WHO-Pandemievertrag informieren lassen.
Deckt sich mit dem Rechtsgutachten
Der Entscheid des Nationalrats bzw. der erwähnte Antrag der SGK-S stimmen mit den Ergebnissen des Rechtsgutachtens von Prof. Dr. Isabelle Häner zu den Auswirkungen des geplanten WHO-Pandemievertrags und den veränderten IGV auf die Schweiz überein. Häners Fazit ist deutlich: Sowohl der WHO-Pandemievertrag als auch die IGV haben das Potenzial, bewährte rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien auszuhebeln. Aufgrund dessen seien der WHO-Pandemievertrag und die angepassten IGV dem Parlament unter Einbezug des fakultativen Referendums zur Genehmigung zu unterbreiten.
Pandemievertrag aufgeschoben
Auch wenn noch kein Pandemievortrag vorliegt, sprach der WHO-Generaldirektor nicht von einem Scheitern. Es ist nun an der Zeit, Lehren aus den bisherigen Verhandlungen zu ziehen und weiterzumachen, so der Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Geplant ist nun, den Pandemievertrag bis Frühjahr 2025 zu verabschieden.
Bis zur Finalisierung des Pandemievertrags ist es aufgrund der Tragweite dieses Abkommens zentral, dass der Bundesrat Volk und Parlament gegenüber Transparenz zeigt, welche Strategien und Ziele er verfolgt. In Bezug auf das Parlament ist der Bundesrat zudem in der Pflicht und Verantwortung, seine Informations- und Konsultationspflichten gegenüber den zuständigen parlamentarischen Kommissionen zwingend einzuhalten. Nur so kann auch gewährleistet werden, dass das Parlament seiner Oberaufsicht gegenüber dem Bundesrat nachkommen kann.
Geänderte IGV inakzeptabel
Bei den IGV zeigt sich ein anderes Bild. Der angenommene Wortlaut liegt vor, obwohl die Gültigkeit der Annahme aufgrund der Verletzung von Art. 55 IGV mehr als fragwürdig ist. Dass diese IGV für die Schweiz inakzeptabel sind, dafür sprechen klare Gründe: Beispielhaft sei hier die einseitige Ausrufung eines Pandemie-Notfalls und eines Gesundheitsnotfalls von internationaler Tragweite durch den nicht demokratisch legitimierten WHO-Generaldirektor genannt. Beide brauchen nur eine potenzielle (!) Gefahr darstellen. Und dies ohne jegliche Überprüfungs- und Kontrollmöglichkeit und ohne Zustimmung des betroffenen WHO-Mitgliedstaates. Oder ein weiterer Aspekt ist die Verpflichtung der WHO-Mitgliedstaaten, die Rede- und Meinungsfreiheit zur vermeintlichen Bekämpfung von Fehlinformationen und Desinformation einzuschränken. Denn die Oberhoheit über Wahrheit und Richtigkeit der Informationen liegt bei der WHO.
Obligatorisches Referendum?
Dringend zu klären wäre in diesem Zusammenhang die Frage, ob die geänderten IGV – aufgrund der weitreichenden und einschneidenden Eingriffe in die Souveränität der Schweiz und die von der Bundesverfassung garantierten Freiheitsrechte – dem obligatorischen Referendum unterstehen. Dann müssten die IGV zwingend Volk und Ständen zur Abstimmung vorgelegt werden.
Klare Forderung
Auch wenn der Entscheid des Nationalrats und der aktuelle Antrag der SGK-S zeigen, dass das Parlament dem Bundesrat und den WHO-Verträgen gegenüber kritischer geworden ist, hängt das Damoklesschwert bezüglich IGV über der Schweiz. Mit der Annahme der IGV-Änderungen am 1. Juni 2024 werden diese in einem Jahr – per 1. Juni 2025 – automatisch für die Schweiz als WHO-Mitgliedstaat in Kraft treten, wenn die Schweiz nicht innerhalb der nächsten zehn Monate Widerspruch einlegt. Zukunft CH forderte daher den Bundesrat in einem offenen Brief auf, sein Widerspruchsrecht gegen diese gravierenden IGV auszuüben und die Ablehnung der Änderungen gegenüber der WHO zu erklären (sog. „Opting-out“). Eine entsprechende Petition mit dieser Forderung läuft ebenfalls.