Die Beratungsstelle beRATen e.V. in Hannover widmet  sich der Prävention von Radikalisierung. Im Interview mit dem NDR zeigt sie sich besorgt über den zunehmenden Einfluss von islamischen Influencern in sozialen Medien. „Gerade bei TikTok erreichen sie eine weite Anhängerschaft“, erklärt Harry Guta, Leiter der Beratungsstelle.

Die Videos von salafistischen Predigern sind oft bunt und unterhaltsam gestaltet, was sie besonders für Jugendliche ansprechend macht. Diese Influencer geben klare, einfache Antworten auf alltägliche Fragen und bauen dabei oft ein Schwarz-Weiss-Weltbild auf. Guta beschreibt die Inhalte als „praktisch und alltagstauglich“, die jungen Menschen in einer komplexen Welt Orientierung bieten. Er fügt hinzu: „Das wirkt erstmal harmlos. “

Extremistische Inhalte auf Social Media

Dahinter steckt jedoch eine gefährliche Ideologie. Die Prediger nutzen religiöse Themen als Deckmantel, um extremistische Ansichten zu verbreiten. Dabei wird Jugendlichen ein klarer Weg aufgezeigt, der sich gegen demokratische Werte und die Vielfalt moderner Gesellschaften richtet. „Es ist eine Kampagne, die schon seit einiger Zeit läuft und kaum aufzuhalten ist“, warnt Guta.

Wer ist besonders gefährdet?

Die Beratungsstelle stellt fest, dass es keine spezifische „Checkliste“ für eine Radikalisierung gibt. Dennoch sind laut Guta „in erster Linie junge Menschen“, die in einer schwierigen Lebensphase nach Anerkennung, Zugehörigkeit oder Gerechtigkeit suchen, besonders anfällig. Oftmals haben sie das Gefühl, in ihrer Lebenswelt nicht genügend Halt zu finden. In solchen Momenten bieten die klaren Botschaften der Prediger einen scheinbar einfachen Weg. Besonders tragische Ereignisse wie der Verlust eines Freundes oder andere Lebenskrisen können eine Radikalisierung beschleunigen.

Prävention und Handlungsbedarf

Um gegen den wachsenden Einfluss der Islam-Influencer vorzugehen, will Guta die Jugendlichen intellektuell und „emotional erreichen. Denn das tun die Influencer hier sehr gut. Und das müssen wir auch tun.“ Gleichzeitig müsse man die demokratischen Werte und die Freiheit stärker verteidigen, um die jungen Menschen vor extremistischen Ideologien zu schützen.

Die Beratungsstelle begleitet seit 2015 über 400 Fälle von Radikalisierung in Niedersachsen. Guta berichtet, dass sich die Zahl der Beratungsanfragen seit dem Beginn des Nahost-Konflikts signifikant erhöht hat. Die zunehmende Verbreitung radikaler Inhalte auf Social Media erschwere die Arbeit der Beratungsstelle erheblich. „Wir müssen etwas dagegen setzen: unsere Freiheit und die demokratischen Werte“, fordert er.

Die zunehmende Verbreitung islamistischer Inhalte über Social Media stellt eine ernsthafte Bedrohung für die demokratische Gesellschaft dar. Es braucht stärkere gesellschaftliche und staatliche Anstrengungen, um den Einfluss solcher Influencer zu bekämpfen und Jugendliche zu schützen.

Harry Guta schliesst mit einem Appell: „Es darf uns nicht gleichgültig sein, was in den sozialen Medien passiert. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass demokratische Werte und Freiheit die Ideologien des Hasses und der Spaltung überstehen. “

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