Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) begrüsst in einer Medienmitteilung vom 4. Juni 2021 den Freispruch des pakistanischen Ehepaars Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar durch den Supreme Court, den Obersten Gerichtshof in Lahore, im Juni bekannt wurde. Das Gericht ordnete zudem die Freilassung der beiden Christen an, die bislang noch nicht erfolgt ist. Die Eheleute sassen sieben Jahre in Erwartung der Todesstrafe hinter Gittern.
Ein Richter in der Stadt Toba Tek Singh (Provinz Punjab) hatte am 4. April 2014 wegen des Vorwurfs der Beleidigung des islamischen Propheten Mohammed und der Verunglimpfung des Koran die Todesstrafe verhängt. Das Ehepaar soll am 18. Juli 2013 SMS-Mitteilungen, die den Propheten Mohammed und den Koran verunglimpfen, an den muslimischen Geistlichen Mohammed Hussain verschickt haben.
Der inzwischen 50-jährige Shafqat Emmanuel war seit einem Unfall im Jahr 2004 ab der Hüfte gelähmt und an den Rollstuhl gefesselt. Der Hausmeister sei kaum des Lesens und Schreibens mächtig, argumentierte sein Verteidiger. Seine Frau Shagufta arbeitete als Putzfrau. Das Paar hat vier Kinder im Alter zwischen zwölf und 20 Jahren.
Die SMS-Mitteilungen gingen vom Mobiltelefon der Frau aus, das sie einen Monat zuvor verloren hatte. Beobachter hielten es für möglich, dass jemand die in gutem Urdu – der Amtssprache – verfassten Botschaften gesendet hat, um dem Ehepaar zu schaden. Die beiden Verurteilten können aber nicht Urdu schreiben. Die IGFM benannte die Eheleute zusammen mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea im Mai 2014 zu Gefangenen des Monats.
Mehr als 30 Menschen wegen angeblicher Blasphemie in Todeszellen
In Pakistan sitzen derzeit mehr als 30 Menschen wegen Blasphemievorwürfen in der Todeszelle. Bisher wurde zwar kein wegen Blasphemie Verurteilter vom Staat offiziell hingerichtet. Allerdings gehen verschiedene Quellen von über 75 (seit 1987) aussergerichtlich Getöteten aus. Die zitierte EU-Resolution erwähnt den diesbezüglichen Lynchmord an dem muslimischen Studenten Mashal Khan – angeblich ein Ahmadiyya-Moslem – im April 2017. Ahmadiyya-Muslime werden in Pakistan besonders häufig Opfer religiös motivierter Gewalt und der Blasphemie beschuldigt.
Im April dieses Jahres kritisierte das Europäische Parlament in einer Resolution Pakistan wegen seines Umgangs mit religiösen Minderheiten, insbesondere die Instrumentalisierung der drakonischen Blasphemie-Gesetze. Es forderte die sofortige und bedingungslose Aufhebung des skandalösen Urteils gegen Emmanuel und Kausar. „Der Fall zeigt, dass internationale Appelle ihre Wirkung nicht verfehlen. Wir fühlen uns ermutigt, weiter energisch für die unschuldig wegen Blasphemie Inhaftierten einzutreten“, sagt Michaela Koller, Referentin für Religionsfreiheit in der IGFM.
Opfer von Blasphemie-Anklagen in Pakistan
Sajjad Masih: Am 10. März 2021 hat der High Court Lahore eine Petition der Staatsanwaltschaft zum Supreme Court mit dem Antrag zugelassen, die lebenslange Freiheitsstrafe von Sajjad Masih Gill in eine Todesstrafe umzuwandeln. Der jetzt 35-jährige Adventist war 2013 ebenfalls wegen angeblich den Propheten Mohammed beleidigenden SMS-Nachrichen zu einer lebenslänglichen Strafe verurteilt worden. Festgenommen wurde er bereits 2011.
Anwar Kenneth: Am 18. Juli 2002 wurde der damals 45-jährige Christ Anwar Kenneth wegen Blasphemie zum Tode durch Erhängen verurteilt. Ein Gericht in Lahore erklärte, er habe „die Gefühle von Muslimen, Christen und Juden verletzt“. Kenneth litt seit geraumer Zeit unter Anzeichen geistiger Verwirrung.
Junaid Hafeez: Die EU-Resolution erwähnt auch das im Dezember 2019 wegen Blasphemie ergangene Todesurteil gegen den Universitätsdozenten Junaid Hafeez, der in sozialen Medien abfällige Bemerkungen über Mohammed verbreitet haben soll. Der liberal eingestellte Moslem war bereits im März 2013 festgenommen worden. Sein erster Rechtsanwalt und Verteidiger Rashid Rehman war 2014 erschossen worden. Junaid Hafeez war jahrelang in einer Isolierzelle und wurde wiederholt von Mitgefangenen angegriffen.