Das hochsexualisierte Bildmaterial der HIV-Kampagne „Love Life – bereue nichts“ des BAG von 2014 tangiert laut dem Bundesgericht die schutzwürdigen Interessen von Kindern und Jugendlichen nicht. Das Bundesgericht hält in seinem fragwürdigen Urteil vom 15. Juni 2018 fest, Minderjährige seien ohnehin starken sexualisierten Einflüssen im öffentlichen Raum ausgesetzt. Damit bestätigt es den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer). Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sehen sich in ihren verfassungsmässig garantierten Schutzrechten verletzt.

Das BVGer hatte 2016 35 Minderjährigen und ihren gesetzlichen Vertretern die Beschwerdeberechtigung gegen die entwicklungsschädigende Kampagne des BAG abgesprochen. Dem BVGer folgend ist nun auch das Bundesgericht zur Ansicht gelangt, die überall im öffentlichen Raum sichtbare Love Life-Kampagne 2014 hätte den Anspruch Minderjähriger auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung (Art. 11 BV) nicht berührt. Das BAG sei folglich auf das Gesuch der Beschwerdeführer, die Kampagne zu stoppen, zurecht nicht eingetreten.

Die entscheidende Frage ist laut dem Bundesgericht, ob Kinder und Jugendliche durch die Kampagne spürbar anderen und stärkeren sexualisierenden Einflüssen ausgesetzt worden seien, als dies heute z.B. durch die Werbung ohnehin der Fall sei. Das Gericht misst das behördliche Handeln also an der Macht des Faktischen, das der Öffentlichkeit durch die Filmindustrie und die Werbebranche diktiert wird.

Pornografie als Massstab?

Dieser Entscheid ist verantwortungslos. Laut Bundesgericht dürfen folglich Behörden in ihrem Handeln Minderjährige alles zumuten, was nicht Pornografie im Sinne des Strafrechts ist. Dabei zeigt ein von den Beschwerdeführern vorgelegtes wissenschaftliches Gutachten, dass sich auch sexualisierte Bilder, die nicht als Pornografie eingestuft werden, negativ auf die psychische Entwicklung insbesondere von Mädchen auswirken können. Dass das Bundesgericht das Gutachten zur Wirkung der Love Life-Kampagne als „unzulässiges echtes Novum“ wertete und als Beweismittel nicht zuliess, ändert nichts an der im Gutachten festgehaltenen Tatsache, dass sich die Bildsprache der Kampagne (und insbesondere des Video-Clips) auf die Darstellung von Momenten sexueller Erregung fokussiert, und folglich als sexualisierend zu beurteilen ist.

Die Psychologin Tabea Freitag und der Sexualforscher Dr. Jakob Pastötter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, stellen im Gutachten ferner klar: Die Kampagne hatte das Ziel, zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten aufzufordern. „Davon abweichend musste sie allerdings verstanden werden als Aufforderung zu einer rein lustbetonten Sexualität.“ In Bezug auf Kinder und Jugendliche müsse deshalb gefragt werden, „ob die Kampagne nicht Probleme geschaffen hat, vor denen sie warnen wollte!“ Das Gutachten finden Sie hier zum Download.

Entscheid stützt Behördenwillkür

Die Beschwerdeführer und ihre Eltern sind schwer enttäuscht von dieser Entscheidung. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Darstellungen, die ihrer Entwicklung schaden können, ist nicht einmal im behördlichen Handeln sichergestellt. Es ist äusserst bedauerlich, dass das Bundesgericht mit dem vorliegenden Entscheid dem BAG einen Freibrief ausstellt, die Grenzen des Anstössigen zu überschreiten und den Jugendschutz mit Füssen zu treten. Das höchste Schweizer Gericht verpasst damit die Chance, Informationskampagnen der Behörden klare Grenzen zu setzen.

Die Beschwerdeführer erwägen aus diesen Gründen einen Weiterzug an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.

 

Die Beschwerdeführer werden durch folgende Organisationen unterstützt:

Christen für die Wahrheit

EDU Schweiz

Human Life International Schweiz (HLI-Schweiz)

Young and Precious

Stiftung Zukunft CH