Der Corona-Virus hat die Schweiz zum Stillstand gebracht – und das mitten in der Fastenzeit. Unfreiwillig gilt jetzt sozusagen ein „Fasten von Freizeitaktivitäten“ für die ganze Bevölkerung. Die Passionszeit ist auch als Fastenzeit bekannt. Heutzutage fasten jedoch die wenigsten Gläubigen in der Form, dass sie komplett aufs Essen verzichten. Häufiger ist das sogenannte Teilfasten: Verzichtet wird etwa auf Schokolade, Kaffee oder Fleisch. Noch beliebter ist das Fasten von Gewohnheiten: Es wird z.B. auf Fernsehen oder WhatsApp verzichtet für die 40 Tage vor Ostern. Da das Ziel des Fastens ist, sich auf die wirklich zentralen Dinge im Leben zu fokussieren, macht der Verzicht auf gewisse Freizeitaktivitäten Sinn. Als Massnahme gegen die Ausbreitung des Corona-Virus wurden Geschäfte, Restaurants sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe für Wochen geschlossen und Versammlungen verboten.
Dies ergibt eine Ähnlichkeit mit dem Fasten von Freizeitaktivitäten. Noch stärker ist die Parallele zum Sabbat, dem jüdischen Sonntag als Ruhetag. Strenggläubige Juden verzichten am Sabbat auf Autofahrten und legen auch zu Fuss nur kurze Strecken zurück. Somit bleibt an jedem siebten Tag viel Zeit für die Menschen, mit denen man unter einem Dach wohnt. So geht es nun allen Menschen, wenn auch gänzlich unfreiwillig. Plötzlich verbringt jeder viel mehr Zeit im Kreis seiner unmittelbaren Familie. Glücklich sind diejenigen, die der Krise neben den unliebsamen Umständen und grossen finanziellen Einbussen auch positive Seiten abgewinnen können. Durch die gemeinsamen Wochen können Familienbande gestärkt werden, Mangelns externer Freizeitmöglichkeiten ergibt sich Zeit für Dinge, für die in der Hektik des Alltages sonst keine Energie übrigbleibt – und unscheinbare Jobs wie Regale auffüllen werden plötzlich dankbar beachtet.