Gut 60 Prozent der Stimmbürger haben vergangenes Wochenende das Covid-19-Gesetz unterstützt. Damit sind die Hilfeleistungen für die gebeutelten Unternehmen unter Dach und Fach. Doch bereits werden wieder Unterschriften für ein neues Referendum gesammelt. Wozu überhaupt?
Nachdem das Parlament das Covid-19-Gesetz am 25. September 2020 verabschiedet hatte, traten die Bestimmungen aufgrund der Dringlichkeit des Gesetzes per sofort in Kraft. Dagegen wurde ein Referendum ergriffen, worüber das Schweizer Volk am 13. Juni dieses Jahres abgestimmt und das Gesetz mit 60,2 Prozent Ja-Stimmenanteil angenommen hat. Eine für die Schweiz demokratiepolitsche Kuriosität ist jedoch, dass zum Zeitpunkt der Abstimmung das ursprüngliche Gesetz bereits mehrfach überarbeitet und erweitert worden war. Dennoch fand sich im Abstimmungsbüchlein nur die ursprüngliche Fassung vom 25. September 2020 (Zukunft CH berichtete). Zusätzlich erschwerend war die Tatsache, dass der Stimmbürger vor einem Dilemma stand: Wer die Finanzhilfen für KMU’s befürwortete, aber die zusätzliche Medienförderung problematisch fand – oder umgekehrt – konnte diese Überzeugung nicht mit Ja oder Nein zum ursprünglichen Gesetz äussern. Der Grundsatz der Einheit der Materie war bei dieser Vorlage verletzt worden.
Seit der ersten Version des Gesetzes wurde es nun bereits zweimal stark angepasst. Vor allem die Revision vom 19. März 2021, welche am 1. April 2021 eingeführt und ab dem 1. Juli 2021 gültig sein soll, hat es in sich:
- Art. 1a ermächtigt den Bundesrat, eigenständig Kriterien für Einschränkungen und Erleichterungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens festzulegen.
- Neu geregelt in Art. 3/Art. 3a/Art. 3b sind nun auch Contact-Tracing (Kontaktrückverfolgung), Stufenplan, Schwellenwerte, Impfplan, Quarantänebefreiung für Geimpfte sowie die Förderung von Tests.
- Art. 6a ermächtigt den Bundesrat Anforderungen für den Nachweis der Impfung, Testung und Genesung festzulegen (Covid-Zertifikat).
Mit dem Covid-Zertifikat winkt die Rückkehr zur (neuen) Normalität und zu uneingeschränkter Mobilität, aber nur für Geimpfte, Genesene und Getestete. Die Gesunden müssen zuerst beweisen, dass sie auch wirklich gesund sind. Das führt zu einer Zweiklassengesellschaft (s. Artikel Covid-Massnahmen – wo stehen wir?”). Auch der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat in der Konsultationsantwort gegenüber dem Bundesrat davor gewarnt. Er verweist indes auch auf die Gefahr, dass sich in der Schweiz so eine Zweiklassengesellschaft entwickelt: „Personen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Covid-19-Impfung machen können, sich aus anderen Gründen dagegen entscheiden oder keinen negativen Corona-Test vorweisen können, laufen Gefahr, beim Zugang zu Dienstleistungen benachteiligt zu werden.” Menschen dürften nur ungleich behandelt werden, wenn eine genügende gesetzliche Grundlage vorliege, die verhältnismässig sei und dem öffentlichen Interesse entspreche. Bei den sinkenden Fallzahlen ist das laut Regierungsrat aktuell immer weniger der Fall.
Gegen die Erweiterung des Covid-19-Gesetzes vom 19. März 2021 wurde darum ein neues Referendum ergriffen. Die „Junge SVP”, die „Freunde der Verfassung” und weitere Organisationen stehen hinter dem Anliegen. Die Initianten hoffen dadurch auf eine öffentliche Debatte ohne Scheuklappen über diese Gesetzeserweiterung. Doch dafür müsste zuerst das Referendum zustande kommen. Weil das Referendum gegen die März-Version des Gesetzes ergriffen wurde, läuft die Sammelfrist jedoch nur bis am 8. Juli. Die Zeit ist also mehr als knapp.
Informationen zum Referendum : Referendum gegen das Covid-19-Gesetz