Während die Souveränität der Nationalstaaten von aussen v.a. durch supranationale Organisationen [1] wie die Europäische Union (EU) bzw. supranationale Gerichtshöfe wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingeschränkt werden, werden die nationalen Werte durch die Masseneinwanderung von innen ausgehöhlt. Zudem beschränken sich die Nationalstaaten oft selbst in ihrer Souveränität, indem sie Vorgaben von internationalen Organisationen wie der UNO unhinterfragt übernehmen.
Von Ralph Studer
Nachfolgend einige aktuelle Beispiele, welche die Angriffe auf die staatliche Souveränität aufzeigen:
Die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung
Die UN-Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung wurde von der UN-Generalversammlung am 25. September 2015 beschlossen. Die Agenda 2030 soll nach offiziellen Aussagen „zur globalen Entwicklung beitragen, menschliches Wohlergehen fördern und die Umwelt schützen“. Die Ziele dieser Agenda haben universelle Gültigkeit und fliessen in die nationale Politik ein. Zu den Zielen dieser Agenda gehört u.a. der allgemeine Zugang zu sexual- und reproduktionsmedizinischer Versorgung, einschliesslich Familienplanung und Aufklärung, was in der allgemeinen Sprache von UNO (und EU) bedeutet, dass Verhütungsmittel und das Recht auf Abtreibung weiter vorangetrieben werden. Weiter verfolgt die Agenda das Ziel, die „Chancengleichheit“ von Frauen und die Übernahme von Führungsrollen durch Frauen auf allen Ebenen im politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben zu fördern, geschlechtliche Stereotype abzubauen und Gender Mainstreaming zu einem weltweiten staatlichen Prinzip zu erheben. Zudem sollen Mädchen und Jungen zu hochwertiger frühkindlicher Erziehung, Betreuung und Vorschulbildung Zugang erhalten.
Bei der Umsetzung dieser Agenda bzw. allgemein bei der nachhaltigen Entwicklung spielen die Nichtregierungsorganisationen (NGO), die über keine demokratische Legitimation verfügen, eine wesentliche Rolle. Diese sollen nach Aussagen der UNO z.B. Wissen und Fakten in leicht verständliche Informationen für die Bevölkerung umwandeln. Die Massenmedien sollen eine wichtige Kraft beim Lenken von Entscheidungen und des Lebensstils der Konsumenten, v.a. bei Kindern und Jugendlichen werden.
Auch wenn dieser Beschluss der UNO-Generalversammlung zur Agenda 2030 keinen verbindlichen Charakter hat [2], hat diese Agenda nach innen den Charakter eines Angriffs auf die staatliche Souveränität: Die Schweiz übernimmt bereitwillig die Vorgaben dieser Agenda, indem sie sämtliche Politikbereiche wie Handels-, Finanz- oder die Agrarpolitik oder auch die Gesundheits-, Sozial- oder Bildungspolitik im Hinblick auf diese Agenda ausrichtet. Sie unterwirft sich dieser Agenda in Form der nationalen Berichterstattung, welche einer Rechenschaftspflicht gegenüber der UNO gleichkommt, und wird – was zu erwarten ist – zukünftig die UNO-Empfehlungen und Kritiken in diesen Bereichen entsprechend umsetzen. Durch diese Überwachungsmechanismen wird der Nationalstaat geschwächt und gleichzeitig die Demokratie abgebaut.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
Auf nationaler Ebene kann das Schweizerische Parlament mit einer Gesetzesrevision eingreifen, wenn das Bundesgericht seines Erachtens eine falsche Gesetzesauslegung vorgenommen hat. So besteht ein Machtausgleich zwischen Gesetzgeber und Richter und ein Gleichgewicht im Staat. Auf der Ebene Europa ist dies nicht der Fall. Der EGMR in Strassburg trifft seine Urteile als supranationaler Gerichtshof mit Mehrheitsentscheidungen von Richtern aus den jeweiligen Mitgliedstaaten. Diese entscheiden je nach Fall für oder gegen die Schweiz, ohne dass die Schweiz auf die Ernennung der Richter Einfluss nehmen kann.
Problematisch ist beim EGMR zudem Folgendes: Bei seiner Einsetzung in den 1950er-Jahren war die Meinung, dass der Gerichtshof nur in fundamentalen Angelegenheiten wie z.B. Folter und ethnischen Säuberungen Recht spricht. Mittlerweile greift der Gerichtshof auch bei alltäglichen Themen wie bei Vorschriften für Hausdurchsuchungen und Polizeivernehmungen ein. Gleichzeitig befassen sich die Richter auch mit Fragen zur nationalen Sicherheit und Terrorismusbekämpfung. So betreiben die Richter nationale Politik und zwingen dem Rest Europas ihre Auffassungen auf. Die Richter stehen ausserhalb der Kontrolle der nationalen Parlamente und erweitern ständig ihren Einflussbereich. Dadurch werden die Kompetenzen der nationalen Politik, insbesondere der nationalen Parlamente, ausgehebelt und die staatliche Souveränität eingedämmt. Dies umso mehr, als diese Urteile aus Strassburg in der Schweiz oft auch Präjudizcharakter haben bzw. vom Bundesgericht zur Änderung seiner Praxis herangezogen werden. So wird die nationale Rechtsprechung allmählich von Strassburg durchdrungen.
Die Massenmigration („Flüchtlingskrise“)
Die europäische Elite sieht im Verschwinden der nationalen Souveränität eine Verbesserung. Sie glaubt, dass die Nationen Europas von ihrer eigenen Souveränität bedroht sind und tritt deshalb für einen „Multikulturalismus“ ein. Wofür steht dieser Begriff? Multikulturalismus bedeutet, dass es keine Leitkultur gibt im Sinne einer dominanten Kultur und somit ein gemeinsamer Bereich fehlt. Es sei nicht erstrebenswert, innerhalb einer Gesellschaft dieselben Gesetze und Bräuche zu teilen. Anhänger des Multikulturalismus glauben, dass die Idee einer nationalen Kultur nicht sinnvoll sei und dass das Streben nach kultureller Einigung, worauf viele Gesellschaften und Staaten in der Vergangenheit Wert legten, nicht mehr brauchbar sei.
Für eine solche Sichtweise ist es naheliegend, wenn sich Menschen von anderen Kulturen z.B. in Rechtsstreitigkeiten auf ihre Rechtstraditionen berufen (Scharia, Polygamie). Eine Vielfalt der Kulturen auf Kosten eines geteilten nationalen Zusammenhangs. Daraus folgt dann auch, dass keine einzige Gesellschaft das Recht hat, anderen Gruppen innerhalb des Territoriums kulturelle oder soziale Normen aufzuerlegen: Die Kraft künftiger Gesellschaften würde gerade darin liegen, dass eine geteilte Kultur und geteilte Kernwerte fehlen! Dadurch werden letztlich Unterschiede verstärkt und Integration verhindert.
Die aktuelle Massenmigration wird sowohl die ethnische als auch die gesellschaftlichen Verhältnisse in Europa grundlegend verändern. Dieses Vorgehen ist ein direkter Angriff auf die europäischen Nationalstaaten. Vaclav Klaus, ehemaliger Ministerpräsident Tschechiens, formuliert es pointiert: „Diese Leute [Elite] haben begriffen, dass die Nationalstaaten im Verein mit der parlamentarischen Demokratie zum absoluten Bremsklotz ihrer Visionen vom neuen Europa und zum Störfaktor ihrer globalen Machtansprüche geworden sind. Die entscheidenden, immer radikaleren Vertreter dieser Visionen haben begriffen, dass die Schaffung des NEUEN MENSCHEN, ewiger Traum aller europäischen Progressisten, in den Grenzen der alten Nationalstaaten niemals funktionieren wird.“
Deshalb sollen die nationalen Strukturen zersetzt und die Nationen mit jener fremden Welt konfrontiert werden, welche die Migranten – ohne Bezug zu Europa – mitbringen. Die Herausforderungen durch den Islam sind dabei nicht zu unterschätzen, stellt er doch einen grossen Komplex von religiösen Vorstellungen und Gesetzen dar, die das gesellschaftliche Funktionieren und individuelle Verhalten regeln. Dazu gehört auch die Scharia. Parallelgesellschaften werden wachsen, die Sicherheit kann nicht mehr gewährleistet werden und der Nationalstaat wird bis in seine Grundfeste erschüttert, abgesehen von den hohen finanziellen und gesellschaftlichen Kosten.
Dazu kommt, dass noch jedes Problem in Europa mit einer verstärkten Zentralisierung und politischen Integration der EU endete. Die nationalstaatliche Souveränität wird weiter unter Druck geraten (z.B. EU-Polizei, zentrales Krisenmanagement, Subventionspolitik als Druckmittel gegen ausscherende Regierungen, vermehrt Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeit) und die EU sich weiter vom Prinzip der Subsidiarität [3] hin zu mehr Immigration-, Sicherheits- und Sozialpolitik entwickeln.
Ausblick
Diesen Angriffen gegen die staatliche Souveränität müssen wir uns als Bürger und Bürgerinnen bewusst entgegensetzen. Auf die Agenda 2030 und den EGMR bezogen kann dies bedeuten, dass wir Aufklärungsarbeit betreiben bzw. endlich eine öffentliche Diskussion über die Problematik des EGMR führen müssen. Im Zusammenhang mit der aktuellen Massenmigration ist es angezeigt, sich klar für die Schutzbedürftigen einzusetzen und gleichzeitig die Einhaltung unserer Rechtsordnung einzufordern.
Ralph Studer ist Jurist, Mediator und dipl. Sekundarlehrer. Seit 2015 ist er Mitglied des Stiftungsrates bei Zukunft CH.
[1] D.h. Verlagerung rechtlicher Zuständigkeiten von der nationalstaatlichen auf eine höherstehende Ebene.
[2] D.h. bei Nichtumsetzung drohen weder Sanktionen noch eine Klage gegen die Schweiz.
[3] D.h. die jeweils grössere staatliche Einheit soll nur dann tätig werden, wenn die kleinere Einheit dazu nicht in der Lage ist.