Die Terroranschläge von 2015 und 2016 haben in Frankreich zu einem Wendepunkt in der Islam-Debatte geführt. Die Regierung möchte den Einfluss der arabischen Golfstaaten, der Türkei sowie der Maghreb-Staaten auf die französischen Muslime einschränken und die Integration von Muslimen voranbringen. Und das mit der Gründung einer Islam-Stiftung. Doch ist das der richtige Weg?
Von M. Hikmat
Die Stiftung wurde im Dezember 2016 gegründet und nennt sich „Fondation pour l’islam de France“ (Stiftung für den Islam Frankreichs). Künftig sollen laut dem französischen Premierminister Bernard Cazeneuve islamische Kultur, Bildungsprojekte und Jugendarbeit gefördert werden. Die Idee für die Stiftung hatte Cazeneuve bereits im August 2016 nach den Anschlägen in Nizza und Saint-Etienne-du-Rouvray. Zusätzlich zu der Islam-Stiftung ist die Gründung eines Vereins geplant, der die theologische Ausbildung der Imame finanzieren sowie als Zentralstelle für den Bau von Moscheen dienen solle.
Premierminister Cazeneuve bezeichnet diesen Schritt als „neue Etappe“ auf dem Weg hin zu einem „französischen Islam“. Weiter sagt er: „Wir brauchen einen Islam, der mit beiden Füssen in der Republik steht“. Dadurch würde Frankreich laut dem Ex-Premier Manuel Valls den Beweis an die Welt liefern, dass der Islam mit der Demokratie vereinbar sei. Hierfür sollen der Stiftung jährlich 5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, die von Unternehmen und Privatpersonen beigesteuert werden. Drei grosse Unternehmen hatten Ende letzten Jahres bereits finanzielle Unterstützung zugesagt (SNCF, Aéroports de Paris und eine Tochtergesellschaft der Caisse des Dépôts).
Vertreten werden die französischen Muslime u.a. durch den 2003 gegründeten islamischen Dachverband „Französischer Islamrat“ (Conseil français du culte musulman CFCM). Kritiker sehen jedoch ein Generationenproblem, da der CFCM weit weg von der Lebensrealität junger französischer Muslime sei. CFCM Präsident Anouar Kbibech hingegen freut sich über diesen Schritt. Für ihn sei diese Stiftung wichtig, weil damit kulturelle Projekte von Moscheen finanziert werden könnten. Der französische Islamrat CFCM gilt seit 2003 als offizieller, vom Staat anerkannter Teilrepräsentant der Muslime. Jedoch fühlen sich nur 12 Prozent von diesem vertreten. Bis 2008 war Dalil Boubakeur, Rektor der Grande Mosquée de Paris, der erste Vorsitzende dieses islamischen Dachverbands. Dieser fordert, dass die Anzahl von 2‘500 Moscheen in Frankreich verdoppelt wird und die ungenutzten Kirchen in Moscheen umgewandelt werden. Solche Wünsche könnten nun unter dem Deckmantel „französischer Islam“ locker finanziert werden. Ein Teil des CFCM ist zudem die umstrittene Union der islamischen Organisationen Frankreichs (UOIF), die aufgrund ihrer Nähe zur Muslimbruderschaft oft für Schlagzeile gesorgt hat.
In Deutschland wird die Idee dieser Stiftung bereits diskutiert. Auch in der Schweiz träumen islamische Dachverbände seit Jahren von der rechtlichen Anerkennung des Islam. Frankreich könnte Signalwirkung für die Muslime in der Schweiz haben. Doch Achtung: In jedem Land ist der Islam der Institutionen nur ein Teilaspekt der muslimischen Identitäten. Die Radikalisierung findet jedoch u.a. in Hinterhofmoscheen und im Internet statt. Gemäss der aktuellen Studie des „Institut Montaigne“ halten 28 Prozent der Muslimen Frankreichs die Scharia für wichtiger als die Gesetze des Staates. Unter den 15- bis 25-jährigen sind sogar 50 Prozent dieser Ansicht. Das ist die Realität, die sich auch mit der gegründeten Islamstiftung nicht ändern, sondern vielmehr institutionalisieren wird. Und der schariageleitete Islam bekommt so die Möglichkeit, Demokratie zu instrumentalisieren und sie letztendlich abzuschaffen. Frankreichs Politiker träumen von einem „französischen Islam“ und Frankreichs Muslime träumen von einem „islamischen Frankreich“. Wer wird sich hier durchsetzen?